Axolotl-Erbgut entschlüsselt: Ein normaler Computer bräuchte 17 Jahre
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Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Forscher aus Wien, Dresden und Heidelberg haben das Erbgut der Axolotl entschlüsselt. Der Bioinformatiker Siegfried Schloissnig, 38, vom Heidelberg Institut für Theoretische Studien (HITS) erklärt, welcher Beitrag in Heidelberg geleistet wurde.
Herr Schloissnig, was war Ihr Beitrag zu diesem Forschungsdurchbruch?
Die DNS - der Träger der Erbinformation - besteht aus Molekülen mit vier Bausteinen. Zunächst haben die Kollegen in Dresden dieses Erbgut sequenziert - das bedeutet: Sie ermittelten, in welcher Reihenfolge die Bauteile angeordnet sind. Weil man aber immer nur Stückchen sequenzieren kann, kommen dabei nur Fragmente heraus. Unsere Aufgabe war, aus diesen Fragmenten das Ganze zu rekonstruieren - damit man das komplette Erbgut vorliegen hat.
Wie haben Sie das gemacht?
Wir haben in den letzten fünf Jahren eine völlig neue Software entwickelt, die auch aus extrem großen Erbgutinformationen das Genom rekonstruieren kann. Mit 32 Milliarden Basenpaaren ist das Erbgut der Axolotl mehr als zehnmal größer als das des Menschen. Nur: Das heißt nicht, dass der Computer zehnmal so lange braucht - sondern hundertmal.
Wie lange hat es gedauert, das Genom des Axolotl zu rekonstruieren?
Die Computer des HITS-Rechenzentrum am Schloss-Wolfsbrunnenweg benötigten rund 300.000 CPU-Stunden - das entspricht an einem handelsüblichen PC, wie ihn jeder zu Hause hat, etwa 17 Jahren. Wir haben es in knapp 30 Wochen geschafft.
Warum hat Ihre Software das geschafft, wo andere bisher versagten?
Wir hatten den Luxus der Zeit. So eine Software ist nicht gut zu vermarkten. Doch mit der Unterstützung von Klaus Tschira hatten wir das Privileg, jahrelang intensiv daran zu arbeiten.
Aber was war der Trick? Warum kann die Software so viel schneller rechnen als ihre Vorgänger?
Wir haben von Null angefangen und alles von Anfang an gründlich durchdesignt. So schafften wir es, sehr sparsam mit Rechnerleistung umzugehen. Besser kann ich das leider nicht erklären.
Wie groß ist Ihr Team?
Wir sind zu viert.
Sie haben die Software "Marvel" getauft. Was bedeutet das?
Bei uns hieß sie intern immer nur "Assembler" - so nennt man diese Art Programme. Aber als wir dann anfingen, die Software auf Konferenzen zu präsentieren, brauchten wir einen Namen. Einer der Jungs war im Kino in "Captain America". Der Film basiert auf dem Superhelden aus den "Marvel Comics". Er kam ins Büro, schlug "Marvel" vor - und alle fanden es großartig.
Mit dem entschlüsselten Erbgut könnten Biologen nun das Geheimnis lüften, wie Axolotl Körperteile regenerieren. Begleiten Sie das Projekt weiter?
Als Forscher bleibt man ja nie stehen und wendet sich auch wieder anderen Dingen zu. Meine Zeit in Heidelberg ist nächste Woche vorbei. Aber das Tolle ist: Ich gehe nach Wien - also genau dahin, wo die Biologen und die Axolotl sind. Da werde ich sicher dranbleiben.
Geht die Forschung auf diesem Feld in Heidelberg auch weiter?
Ja, da geht es jetzt an die Entschlüsselung des Erbguts des Rippenmolchs. Das ist ein Verwandter des Axolotl, der ebenfalls Teile seines Körpers regenerieren kann - aber weniger gut als das Axolotl. Die spannende Frage ist: Hat sich das im Laufe der Evolution abgewandelt oder hat der Rippenmolch das selbst entwickelt?