Narrenring Main-Neckar: "Veranstaltungen werden wegfallen und Vereine das Handtuch schmeißen"
Von Martin Bernhard
Neckar-Odenwald-Kreis. Schärfere Sicherheitsbestimmungen, TÜV-Vorschriften, Terrorabwehr und zunehmende Bü-rokratie: Ehrenamtliche in den Narrenzünften klagen über immer mehr Arbeit und Kosten bei der Organisation von Veranstaltungen. Wir sprachen mit Stefan Schulz, (Foto) Präsident des Narrenrings Main-Neckar, über die Situation hiesiger Fastnachtsvereine.
Narrenzünfte im oberschwäbisch-alemannischen Raum klagen über die zunehmende Bürokratisierung bei der Organisation von Fastnachtsveranstaltungen. Gibt es ähnliche Klagen auch im Narrenring Main-Neckar?
Diese Klagen sind mir nicht neu, wobei ich betonen möchte, dass das nicht nur Fastnachtsvereine betrifft, sondern alle Vereine über alle Sparten hinweg. Was bei uns erschwerend hinzukommt, sind die Auflagen im Bereich der Umzüge.
Wie schätzen Sie persönlich das Ausmaß an Bürokratie bei Fastnachtsveranstaltungen ein?
Die Bürokratie ist ein Armutszeugnis gegenüber den Vereinen. Ich brauche keine Politiker, die Lobeshymnen auf das Ehrenamt singen, aber für immer mehr Bürokratie sorgen. Man darf das Ehrenamt nicht mit mittelständischen Unternehmen gleichstellen. Wir brauchen Erleichterungen!
Wie haben sich durch die Terroranschläge in Deutschland in den vergangenen Jahren die Sicherheitsvorschriften für Fastnachtsumzüge im Narrenring geändert?
Man kann dies immer sehr verschieden sehen. Es wird heute viel zum Schutz des Bürgers umgesetzt, wobei ich mir oft die Frage stelle, ob der Bürger das überhaupt will. Nehmen wir allein mal die Schutzmaßnahmen zur Terrorismusabwehr an Umzügen. Hier müssen schwere Fahrzeuge die Zufahrtswege blockieren, um mögliche Anschläge zu verhindern. Hier ein Beispiel: Bei einem meiner Vereine setzt sich die 70-jährige Seniorchefin eines Baustoffhandels auf den mit Steinen gefüllten Radlader, um die Zufahrt zu blockieren.
Was würde sie machen, wenn ein Terrorist mit gezückter Pistole vor ihr stünde? Terrorschutz gehört nicht in die Händen von Laien sondern in die Hände der Polizei. Für unterbesetzte Polizeiwachen kann der Fastnachter allerdings nichts. Da lass ich keine Ausreden zählen. Für die Bundesliga ist auch immer genügend Personal vorhanden."
Inwiefern unterscheidet sich die Interpretation der Vorschriften von Landkreis zu Landkreis bzw. von Kommune zu Kommune?
Es gibt hier und da kleine Unterschiede. Im Großen und Ganzen versuchen die Kommunen, ihre Vereine so weit wie möglich zu unterstützen, doch sind sie an die Landes- und Bundesvorschriften gebunden.
Welche Folgen hat die Zunahme an Vorschriften für die Vereine?
Viele Veranstaltungen wird es womöglich bald nicht mehr geben. Es rechnet sich irgendwann einfach nicht mehr. Es ist wie mit den Tante-Emma-Läden: Wenn sie nicht mehr da sind, erst dann wird ihnen nachgetrauert.
Welche finanziellen Auswirkungen haben die Vorschriften?
Viele Vereine brauchen heute zusätzliche Veranstaltungen, um sich über Wasser zu halten beziehungsweise ihre eigenen Veranstaltungen oder ihren kulturellen Auftrag überhaupt erfüllen zu können. Es werden Veranstaltungen wegfallen, die Preise müssen womöglich erhöht werden, oder Vereine werden einfach das Handtuch schmeißen.
Wie reagieren die Vereine im Narrenring darauf?
Die Vereine im Narrenring kämpfen an vielen Fronten, wie alle anderen Vereine auch. Hier hilft nur eines: Ideenaustausch und gegenseitig unter die Arme greifen.
Was müsste sich ändern, damit es wieder besser wird?
Wir brauchen wieder Macher in der Politik, Politiker die das Ehrenamt stützen. Allein die geringe Höhe der Ehrenamtspausche ist ein Schlag ins Gesicht der Ehrenamtlichen, wobei diese nicht entscheidend ist. Sie zeigt aber, dass das Ehrenamt dem Staat nichts wert ist. Auch die Steuer-Freibeträge für die Vereine müssen nach oben angepasst werden. Die Kosten steigen Jahr für Jahr, die Steuer-Freibeträge nicht. Allein die Kosten für eine Security für eine Veranstaltung betragen schnell 2000 bis 3000 Euro. Da muss man das Doppelte umsetzen, um auf null zu kommen. Und wenn man dann etwas verdient, kommt der Staat und hält die Hand auf. Das wäre grundsätzlich in Ordnung, wenn er diese nicht so früh aufhalten würde. Doch trotz Bürokratie werden alle, die Ehrenamt betreiben, das Beste daraus machen.