Interkulturelles Zentrum Heidelberg: Wenn die Rollis über die Tanzfläche wirbeln
Von Maria Stumpf
Heidelberg. Tanzen für alle mit Perspektivenwechsel - das ist ein wenig flapsig formuliert, trifft aber den Kern. Das Interkulturelle Zentrum (IZ) hatte zum "Chairdancing" (Stuhltanzen) eingeladen und das Besondere daran machte richtig Spaß: Fußgänger durften sich rollende Stühle ausleihen und begaben sich somit zu flottem Disco-Sound auf Augenhöhe mit Rollstuhlnutzern. Der Eintritt war frei, Besucher wurden scherzhaft lediglich auf Tanzfreudigkeit hin geprüft.
Kein Rollstuhlparcours, kein Kurs mit Anleitung, keine Tanztherapie - nur freies Tanzvergnügen als Wohltat für die Seele. Koordination, Rhythmusgefühl, Schnelligkeit: Das alles sind Faktoren, die beim Tanzen eine Rolle spielen. Geht das denn im Rollstuhl? Es geht. Erst zögerlich, dann trauen sich Fußgänger immer mehr, verlieren ihre Berührungsängste gegenüber dem rollenden Stuhl. Ein schöner Nebeneffekt: Wer von den Tanzenden dort ist denn nun eigentlich ein Mensch mit Behinderung?
Man kann es kaum erkennen - und fragt auch nicht nach. Auf eine verspielte Art funktioniert das Miteinander, das Drehen im Kreis, das leichte schubsen, ausgelassene Bewegungen nur mit Oberkörper und Armen. Zugegeben: Für Einsteiger ist ein bisschen Bizeps-Training inbegriffen, um den fahrbaren Untersatz in die richtige Spur zu bekommen. Es kostet Kraft in den Armen. Rechts? Links? Gleichzeitig? Wie lenkt man sein Gefährt? Und bitte nicht zu doll nach hinten kippen!
Der junge Gideon macht vor, wie es gehen kann - und wirbelt in seinem Rolli über die Tanzfläche, schneller als Füße tragen könnten. "Ich habe ihm heute Morgen gesagt, dass wir ein Date haben, um tanzen zu gehen", erzählt seine Assistenz-Begleiterin Atenea lachend. "Er hat sich so gefreut." Und auch, wenn professioneller Rollstuhltanz anders aussieht: Ein munteres Durcheinander von sich drehenden Rollis sorgt schnell für beste Stimmung unter dem Scheinwerferlicht. Dazwischen tummeln sich auch Fußgänger-Paare im Cha-Cha-Cha-Schritt.
Das Pilotprojekt im barrierefreien IZ-Café ist in Zusammenarbeit mit dem Verein Bibez (Bildungs- und Beratungszentrum zur Förderung und Integration behinderter/chronisch erkrankter Frauen und Mädchen) entstanden. Es will im Rahmen des Integrationsprojekts "Wir sind Heidelberg" Menschen zusammenbringen, die sonst wenig oder nichts miteinander zu tun haben. Es geht um Vielfalt, um Anerkennung, Miteinander und Öffnung, um in der Stadt anzukommen.
"Da kann so ein Tanzformat helfen. Denn tanzen ist Leben, tanzen ist viel mehr als das schlichte Bewegen des Körpers", erklärt Jagoda Marinic, die Leiterin des IZ. Anja Dühring von Bibez weiß, was frau so alles auf die Beine stellen kann. Sie ist überzeugt, mit dem Projekt für alle Heidelberger ein inklusives Tanzerlebnis zu bieten. "Das gab es vorher noch nicht. Aber als ein Ding der Unmöglichkeit wollten wir das nicht stehen lassen."
Rund 30 Besucher kamen zur ersten Veranstaltung dieser Art und hatten bei professioneller DJ-Musik bis Mitternacht einen schwungvollen Abend. "Es ist immer eine Herausforderung, neue Projekte anzuschieben und zu hoffen, dass es gut läuft", meint Marinic. "Wir bleiben dran und machen weiter." Im Frühjahr soll das zweite Chairdancing stattfinden. "Es bleibt also noch Zeit, damit sich dieses Tanzformat weiter herumsprechen kann."