"Medizin am Abend" in Heidelberg: Zu viel trinken kann gefährlich werden
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Sie sind zu zweit, arbeiten Tag und Nacht wie wahnsinnig und werden oft gewaltig unterschätzt, jedenfalls, solange sie reibungslos funktionieren: die Nieren. Professor Martin Zeier, Ärztlicher Leiter des Nierenzentrums am Universitätsklinikum Heidelberg, legte bei "Medizin am Abend" von Uniklinikum und RNZ beeindruckende Zahlen vor. Die Nieren reinigen pro Minute 100 Milliliter Blut, sie produzieren 150 Liter Primärharn pro Tag und konzentrieren diesen zu 1,5 Liter Harn. Ein Viertel der Blutmenge im Körper strömt laufend durch diese Organe.
Auch bei der 45. Veranstaltung der Reihe reichte der Hörsaal im Kopfklinikum nicht aus; mehr als 500 Zuhörer wollten das Neueste über Nierenerkrankungen wissen. Zeier hatte zudem vier Kollegen mitgebracht, darunter drei niedergelassenen Nephrologinnen, die zum Schluss ebenfalls Fragen aus dem Publikum beantworteten.
Martin Zeier zeigte, wie die Niere gebaut ist und wie sie arbeitet, aber er betonte: "Die Niere ist mehr als ein Klärwerk." Sie produziert ein im Zusammenhang mit der Blutbildung wichtiges Hormon, das Erythropoetin, sie aktiviert das Vitamin D, sie regelt den Säure-Base-Haushalt und den Salzhaushalt des Körpers und reguliert zusammen mit dem Herzen den Blutdruck. Daraus folgt auch: Hoher Blutdruck schädigt die Nieren. Eigentlich, so führte der Referent vor Augen, sollte er nicht über die Werte 140/90 mmHg steigen, wenn man sein Risiko für Schlaganfall, Herzversagen und Herzkranzgefäßverengung klein halten will. Höchstens ein über 80-Jähriger kann sich einen systolischen Druck (der erste der beiden Werte) von 150 leisten.
Dass die Werte mit noch mehr blutdrucksenkenden Mitteln weiter gedrückt werden müssen, wenn man länger leben will - etwa auf 120 mmHg beim systolischen Wert -, davon ist der Nierenexperte nicht überzeugt. Da kämen dann wieder Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Schwindelgefühle und Stürze ins Spiel, meinte Zeier.
Wie die Ärzte vor Jahrhunderten schon Harnschauen vornahmen, gibt es heute die Statusuntersuchungen, zum Beispiel auf Eiweiß im Urin. Martin Zeier sprach über erbliche Zystennieren ("Mit 50 Jahren ist die Hälfte der Betroffenen dialysepflichtig.") und Nierensteine, die teuflisch schmerzhafte Koliken verursachen können und gewöhnlich durch Operation oder Ultraschallzertrümmerung beseitigt werden. Laut dem Referenten entstehen sie durch Stoffwechselstörungen.
Wann sind die Nieren in Gefahr? Bei hohem Blutdruck, vor allem in Verbindung mit Diabetes, bei Eiweiß im Urin und bei erhöhtem Kreatininwert - dann sollten Patienten zum Spezialisten gehen. Schützen kann man die wertvollen Organe laut Zeier durch Senkung des Blutdrucks ohne Medikamente - etwa durch Gewichtsreduktion, Stressabbau mit Entspannungstraining, mäßigen Sport und Reduktion des Kochsalzes. Dabei könne eine Diätberaterin helfen.
Rauchen gewöhnt man sich am besten sofort ab: "Es schädigt Herz, Gefäße und Lunge, es verdoppelt das Risiko, nierenkrank zu werden, und führt häufiger als bei Nichtrauchern zu Nieren- oder Blasenkrebs." Vorsicht empfiehlt Zeier bei längerer Einnahme von Schmerzmitteln, die Nieren und Blutdruck schädigen können. Ein guter Schmerztherapeut könne da andere Mittel zur Linderung finden, meinte er.
Und dann beantwortete der Chef des Nierenzentrums gleich noch die Frage, die ihm am häufigsten gestellt wird: Wie viel darf ich trinken? Bei gesunden Menschen, so Zeier, reichten ein- bis eineinhalb Liter pro Tag, da könnten auch Kaffee und Weinschorle dabei sein. Schließlich enthielten Gemüse und Obst, die man verzehre, noch zusätzlich Wasser. Mehr als drei Liter pro Tag jedoch bringen den Salzhaushalt des Körpers durcheinander und können zu Wasservergiftung führen.