Eberbach: "So etwas habe ich noch nie gesehen"
Von Martina Birkelbach
Eberbach. Etwa 18 bis 20 Katzen sollen es sein, die seit einiger Zeit in dem kleinen verwilderten Garten vor dem alten Häuschen in einer Kurve der Schwanheimer Straße herumstreunen. Zwei Mitarbeiter des Veterinäramts treffen ein, Ordnungsamt und Anne Röth von der A.R.Stiftung "Nothilfe für Tiere" aus Gammelsbach. Die Presse wird von einem Herrn, der sich später als "gerichtlich bestellter, vorläufiger Betreuer des Hausbesitzers" vorstellt, vom Grundstück verwiesen. In der regen Besprechung des etwas dubiosen Falls soll eine Lösung gefunden werden, vorerst geht es am Dienstagmittag aber um gegenseitige Schuldzuweisungen, wie es überhaupt zu der Situation kommen konnte. Die teilweise sogar trächtigen Katzen leben seit 10. April im Garten ihres Besitzers, werden angeblich vom Betreuer des Mannes, sicher aber vom Tierschutzverein gefüttert. Einige der struppigen Katzen huschen derweil durch die Büsche und beäugen neugierig die Menschenansammlung. Zählen lassen sich die Tiere nicht.
Und so soll das Drama begonnen haben: Am 16. Februar erlitt der Katzen- und Hausbesitzer des Anwesens in der Schwanheimer Straße einen Schlaganfall. Er befand sich in seinem - wie mehrere Seiten bestätigten - völlig zugemülltem Haus längere Zeit in einer hilflosen Lage, bevor er in eine Klinik gebracht wurde. Vor Ort waren auch die Freiwillige Feuerwehr Eberbach und Beamte des Eberbacher Polizeireviers. Wie Revierleiter Gerd Lipponer bestätigt, habe in dem späteren Polizeibericht nichts von Katzen im Haus gestanden. Es habe nach Katzenurin und -kot gerochen, aber es sei keine Katze gesichtet worden, sonst hätte man selbstverständlich anschließend zuständige Stellen informiert.
Am 21. Februar, also fünf Tage nachdem der Hausbesitzer ins Krankenhaus kam, wurde Klaus-Dieter Berbig nach eigenen Angaben "gerichtlich zum vorläufigen Betreuer" des Hausbesitzers bestellt. Laut Berbig, der bereits "vorher einige Angelegenheiten für den Mann geregelt hat", haben in dem Haus schon seit Jahren immer Katzen gelebt, "manchmal waren es bis zu 30 Tiere, die haben sich untereinander vermehrt - sie waren aber immer im Haus, nie draußen".
Berbig selbst war und ist, wie er sagt, zuständig für den Mann, "aber nicht für das lebende Inventar". Dabei beruft er sich auf diverse Paragrafen. Dennoch, so zumindest behauptet er, habe er die Tiere im Haus gefüttert, nachdem der Hausbewohner weiter in Kliniken weilte. Irgendwann wuchs ihm die Situation über den Kopf: "Ich habe daheim Fische im Aquarium, aber von Katzen habe ich keine Ahnung." Berbig behauptet, mehrfach das Ordnungsamt über die Situation informiert zu haben; "jedoch ohne Erfolg". Es habe geheißen, die Ehefrau des Mannes (die allerdings seit zwölf Jahren von diesem getrennt lebt) sei zuständig. Es sei dann ein "Akt der Verzweiflung gewesen", als er am 10. April die Haustür öffnete, und alle Katzen ins Freie ließ. "Eine Katze habe ich tot vorgefunden - es hat mir in der Situation keiner geholfen", sagt er. Draußen habe er gemeinsam mit Susanne Noll vom Tierschutzverein die Tiere weiter gefüttert.
Wie Noll erzählt, hat sie von der gesamten Situation überhaupt erst am vergangenen Dienstag erfahren. Also an dem Tag, als Berbig die Katzen vor die Tür setzte. Die engagierte Tierschützerin war sofort vor Ort und berichtet unter Tränen: "So etwas habe ich noch nie gesehen - sowas kenne ich nur aus dem Fernsehen." Die Katzen seien schreiend auf dem Grundstück herumgelaufen. Noll hat die Katzen gefüttert und sofort das Ordnungsamt informiert. "Bärbel Preißendörfer war sehr nett, sie wollte das Veterinäramt informieren." Noll war weiter täglich vor Ort, ihren Zählungen nach müssen es sogar "zwischen 20 und 30 Katzen sein".
Über einen Glasermeister, der am Haus eine Scheibe reparieren sollte, kam dann Anne Röth, Gründerin und Stiftungsvorstand von der "A.R.-Stiftung Nothilfe für Tiere" in Gammelsbach ins Boot. "Der Eberbacher Handwerker erzählte mir am 12. April von den untragbaren Zuständen der im Garten lebenden Katzen", sagt die engagierte 75-Jährige, die selbst derzeit 48 Katzen bei sich beherbergt. Und endlich kam es dann, eine Woche später, zu dem Vor-Ort-Termin, bei dem neben den zwei Mitarbeitern des Veterinäramts des Rhein-Neckar-Kreises unter anderem Bärbel Preißendörfer vom Eberbacher Ordnungsamt dabei war.
Die Damen vom Veterinäramt waren vor Ort zu keiner Stellungnahme bereit. Preißendörfer stellt die Situation völlig anders dar als Betreuer Berbig. Mit ihm habe sie zwar Kontakt gehabt, aber es sei ihr nie bewusst gewesen, dass es sich um derart viele Katzen handelt und vor allem, dass diese alle im Haus untergebracht waren. Berbig habe ihr erzählt, dass er sich um die Katzen kümmere. Von der großen Anzahl habe er nichts gesagt. Auch bezieht sie sich auf die Berichte von Polizei und Feuerwehr vom 10. Februar, in denen ebenfalls nichts von "20 Katzen im Haus" stand. Dass die Katzen seit 10. April draußen leben, habe sie erst von Nachbarn erfahren. Außerdem habe ihr Noll von dem Zustand der Katzen im Freien berichtet, der nicht mehr tragbar sei.
Für Röth von der "Nothilfe für Tiere" steht fest: "Die Tiere sind alle gutwillige, liebevolle Wesen, sie sind zutraulich und keinesfalls verwildert." Der Besitzer habe sich, als er noch im Haus wohnte, um die Tiere gekümmert. Die "Hauptschuld", dass es dazu kam, dass die Tiere drei Monate im Haus ohne ihren Besitzer und jetzt im Freien leben, sieht sie ganz klar beim Ordnungsamt. "Das Amt hätte nach dem Unglück im Februar sofort eingreifen müssen".
Und Betreuer Berbig verteidigt wiederum mehrfach die (getrenntlebende) Ehefrau des Hausbewohners. Er hat das Bürgerliche Gesetzbuch dabei und erklärt: "Hier steht, dass Haustiere nicht zulasten des Ehepartners angeschafft werden dürfen." Außerdem gingen Katzen laut Paragrafen 1357, nicht automatisch in das Eigentum der Ehefrau über. Die Noch-Ehefrau des Hausbewohners, die wiederum mit dem Betreuer liiert ist, ist am Dienstag ebenfalls auf dem Grundstück zugegen, äußert sich aber nicht. Ins Haus lässt Berbig keinen rein.
Wie uns gestern bekannt wurde, sollen sich im Haus noch weitere lebende Katzen und zudem Kadaver befinden. Ordnungsamt und Polizei sollten wieder informiert werden.
Immerhin, trotz allen gegenseitigen Schuldzuweisungen, ein vorläufig kleines glückliches Ende hatte der Vor-Ort-Termin dann doch: Röth will dieser Tage die beiden "erbärmlichsten" Tiere mit nach Gammelsbach in ihren "Ort der Zuflucht" nehmen. Das Tierheim Dallau habe Plätze für sechs, eventuell sogar noch für mehr Katzen zugesagt. Röth will dafür sorgen, dass dort die trächtigen Tiere aufgenommen werden, da es dort eine "Mutter-Kind-Station" gibt. Und laut Preißendörfer werden Ordnungs- und Veterinäramt die Tierheime in Sinsheim, Heidelberg und Wiesloch kontaktieren.