Abwasser-Streit in Neckargemünd: Anwohner der Kümmelbachstraße fordern Anschluss an Kanalisation
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Es gibt Dinge, die hält man heutzutage nicht mehr für möglich. Dass zwar am Stadtrand, aber mitten im bebauten Gebiet gelegene Grundstücke und Häuser bis heute nicht an die Kanalisation angeschlossen sind, gehört definitiv dazu. Doch genau dies ist in der Neckargemünder Weststadt der Fall. Hier gibt es nach wie vor einige Grundstücke mit Gruben für das Abwasser. "Die Stadt hat es bis heute nicht geschafft, hier einen Kanal zu verlegen", kritisiert Anwohner Hans Back. "Dabei wurde meinem Vater schon 1960 gesagt, dass der Kanal liegt, wenn das Haus fertig gebaut ist." 58 Jahre und vier Bürgermeister später sei noch immer nichts passiert.
Nun formieren sich die Anwohner der Kümmelbachstraße und pochen auf den Bau des Kanals. Denn sie wollen diesen Zustand nicht mehr hinnehmen und sich von der Stadt nicht mehr unter Druck setzen lassen. Diese hatte vor Kurzem die sofortige Leerung der Gruben wegen Geruchsbelästigungen durch Überläufe in den nahen Kümmelbach gefordert.
Dass sie ihre Gruben nicht regelmäßig leeren, stimme nicht, widersprechen die Anwohner der Kümmelbachstraße und legen Belege über Leerungen im Jahres- und zuletzt im Halbjahresrhythmus vor. Kosten jedes Mal: zwischen 400 und 600 Euro, je nach Größe der Grube. "Damit zahlen wir mehr als doppelt so viel wie Hauseigentümer, die an die Kanalisation angeschlossen sind", sagt Anwohnerin Martina Martinello. Die Belege über die Leerungen wurden auch immer bei der Stadt eingereicht.
Der vorläufige "Höhepunkt" habe sich am Gründonnerstag ereignet, erzählen die Anwohner: Ein Vertreter der Stadt habe Briefe mit der Aufforderung zugestellt, die Gruben "sofort" zu leeren. "Und das kurz vor Ostern - wie sollte das gehen?", fragt Back. Als Begründung wurden Beschwerden über "sehr starke Geruchsbelästigungen" angeführt von Anwohnern, die direkt am Kümmelbach wohnen. Es sei davon auszugehen, heißt es in dem Schreiben der Stadt, dass die Belästigungen durch überlaufende Gruben entstehen. Zudem hieß es, dass die Gruben über ein Jahr nicht geleert worden seien - was nachweislich nicht stimme. Schon am Mittwoch nach Ostern sei der Mann von der Stadt wieder gekommen und habe mit einer Anzeige gedroht, falls die Leerung nicht erfolge. "Wir werden genötigt", sagt Hans Back. "Es kann nicht sein, dass wir uns immer rechtfertigen müssen", meint auch Anwohner Hermann Streib.
Besonders auf die Palme brachte die Anwohner eine Aussage von Bürgermeister Frank Volk. Dieser hatte unlängst im Gemeinderat angekündigt, dass die Stadt "Nachweise über monatliche Leerungen" sehen wolle. "Da fühlt man sich verraten", sagt Martina Martinello.
Immer wieder, erzählt Anwohner Hans Back, habe er bei der Stadt wegen des Kanals nachgefragt. Immer wieder sei Geld im Haushalt eingeplant gewesen, doch immer wieder sei das Vorhaben im Sande verlaufen. Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Da die Kümmelbachstraße etwas tiefer liegt, müsse der neue, etwa 70 Meter lange Kanal über ein kleines Hebewerk an den Rest der Kanalisation angeschlossen werden. Anwohner Hermann Streib, der früher selbst im Gemeinderat saß, schätzt die Kosten für die Stadt auf rund 100.000 Euro.
Auch auf die Anwohner kommen Kosten zu, wenn der Kanal gelegt wird: Die Anschlussgebühr beträgt 5,11 Euro je anrechenbarem Quadratmeter. "Wir sollten informiert werden, damit wir Geld zur Seite legen können", fordert Hans Back. "Bis heute ist das nicht passiert." Immerhin stehen die Chancen auf eine Realisierung gut: Die Stadt hat sich den Bau des Kanals für dieses Jahr vorgenommen und die Anwohner haben erste Aktivitäten beobachtet: Es wurden Probebohrungen in der Straße durchgeführt.
Abschließend formuliert Anwohner Uwe Haring das, was alle umtreibt: Dass sich auch Stadträte über die Geruchsbelästigungen beschwerten, sei "unglaublich". Diese könnten schließlich entscheiden, dass der Kanal gebaut wird. "Das Ganze nimmt uns emotional mit", sagt Haring. "Die Stadt ist in der Pflicht und wir wollen ja auch angeschlossen werden." Alleine schon aus Umweltschutzgründen. Überhaupt fühlen sich die Anwohner hier am Stadtrand vernachlässigt: "Das fängt schon damit an, dass die Kehrmaschine erst nach Beschwerden bei uns vorbeifährt", erzählt Hans Back. "Wir werden im Stich gelassen."