SV Sandhausen gegen Duisburg: "Meine Stimme ist angekratzt"
Von Wolfgang Brück
Sandhausen. "Da ging was ab", schwärmte Otmar Schork. Der Sportchef des SV Sandhausen sprach vom Europa League-Spiel von Celtic Glasgow gegen RB Leipzig. 60.000 peitschten die Schotten zum 2:1-Sieg. Am Tag danach war es deutlich ruhiger. 5534 Besucher sahen das torlose Unentschieden im Zweitliga-Kellerduell zwischen Sandhausen und Duisburg. Die tausend aus dem Westen machten annähernd so viel Betrieb wie die heimischen Fans.
Zwischen Celtic-Park und Hardtwald liegen Welten. Das spiegelt sich auch in der Heimbilanz des Zweitligisten wider. Erst ein Sieg, zwei Unentschieden, aber schon drei Niederlagen: Im (Hardt)-Wald gruselt es keinem.
Auch auswärts sind die Kurpfälzer Profis fast auf sich allein gestellt. 37 Unentwegte begleiteten die Mannschaft vor zehn Tagen nach Dresden. Nichts gegen die Sandhäuser Fans, sie sind brav, tun niemanden weh und sie diskutieren trotz der schwierigen Lage erstaunlich sachlich und fachkundig in ihren Foren, doch im Abstiegskampf können sie rein zahlenmäßig und im Vergleich zu anderen Klubs keine große Hilfe sein. "Es ist schwer", weiß Schork, "eine Fan-Kultur wächst nur langsam."
Das gilt auch für die Anzahl der Punkte. Zehn sind es nach 13 Spielen. Die Hälfte davon geht auf das Konto des neuen Trainers, der seit vier Punktspielen an der Linie steht und der in der anstehenden Länderspielpause etwas entspannter arbeiten kann. Denn trotz der Nullnummer verließen die Kurpfälzer erstmals in dieser Saison einen der Abstiegsplätze.
Uwe Koschinat hob die positiven Dinge hervor. Die stürmische Schlussphase, als Sandhausen zu Chancen kam. Der gute Korbinian Vollmann traf nur die Latte (73.). Und natürlich: Es stand - zum vierten Mal in dieser Saison - die Null. Wer neun Gegentore in den letzten drei Spielen gefangen hat, weiß das zu schätzen.
Großen Anteil daran hatte der Torwart. Der Trainer lobte: "Niklas hat ein Ausrufezeichen gesetzt. Er hat uns davor bewahrt, dass wir in Rückstand gerieten." Als Niklas Lomb in diesem Sommer auf Leihbasis von Bayer Leverkusen an den Hardtwald kam, hatte er ein Handicap. Zwei Jahre, also eine kleine Ewigkeit im Fußball, war er ohne Pflichtspiel. Das mochte sich anfühlen wie für einen Computer-Spezialisten, der lange arbeitslos war, und der erst das neue Betriebssystem kennen lernen musste.
Seine Chance bekam der sympathische Kölner, der beim Bundesligisten nicht an Bernd Leno und dem ehemaligen Hoffenheimer Ramazan Öczan vorbeikam, schon nach dem zweiten Spieltag, als Marcel Schuhen beim 0:3 gegen den Hamburger SV patzte und der Neue beim 6:0 im Pokalspiel in Oberhausen einen souveränen Eindruck hinterließ.
Der 25-jährige Schlussmann ist ein unaufgeregter Vertreter seine Zunft. Ruhig und sachlich. Reaktionsschnell auf der Linie, solide im Spielaufbau. Manche sagen, er müsse lauter werden, die Kollegen hörbarer dirigieren. Niklas Lomb findet das nicht. "Merken Sie nicht, dass meine Stimmer angekratzt ist", fragt er. Es heißt, dass der Kontakt zustande gekommen ist, weil sich Jonas Boldt und Otmar Schork kennen. Boldt war mal Torwart beim FC Bammental, jetzt ist er Manager in Leverkusen. In die alte Heimat kehrt er gerne zurück, um im Eiscafe Pouli den berühmten Espresso zu schlürfen oder bei Hallenturnieren und Promi-Spielen alte Kontakte aufzufrischen.
Demnächst wird Marcel Schuhen wieder fit sein. Uwe Koschinat stellt keinem seiner Torhüter, zu denen auch der Ziegelhäuser Rick Wulle gehört, einen Freifahrschein aus. Er findet Konkurrenzkampf gut.
Er ist aber Psychologe genug, um zu wissen, dass wenn Wettbewerb auf die Spitze getrieben wird, er auch verunsichern kann. Markus Karl und Philipp Klingmann durften deshalb gegen Duisburg wieder ran, obwohl sie in Dresden keine Werbung für sich gemacht hatten.
Der Trainer sah sich bestätigt. Er sagt: "Im Abstiegskampf brauche ich erfahrene Leute."
Und optimistische. Philipp Klingmann hofft: "Bis Weihnachten haben wir das Schlimmste hinter uns." Bis zum Fest spielt Sandhausen noch in Kiel (am übernächsten Samstag), gegen Heidenheim, in Bielefeld, gegen Regensburg und Fürth. Neun bis zehn von möglichen 15 Punkten müssten rausspringen, soll die Prognose des Mönchzellers eintreffen. Wetten sollte man darauf nicht.
Eher ist man geneigt, sich der Sichtweise von Otmar Schork anzuschließen. Der 61-jährige Sportchef fürchtet: "Wir müssen davon ausgehen, dass wir bis zum letzten Spieltag strampeln müssen."
Der Trainer ist bereit. Keinen Deut weniger anspruchsvoll habe er sich die Aufgabe bei seinem neuen Arbeitgeber vorgestellt, versichert der Koblenzer, dessen Familie in Köln lebt, mit Nachdruck in der Stimme. Und ja, auch er ist überzeugt: "Wir schaffen es."