Migrationsbeirat Heidelberg: Die Räte werden künftig berufen und nicht mehr gewählt
Von Denis Schnur
Heidelberg. Der Ausländer- und Migrationsrat (AMR) ist tot, es lebe der Migrationsbeirat! Da das Gremium, das den Gemeinderat in Migrations- und Integrationsfragen beraten soll, seit Monaten nicht arbeitsfähig ist, soll es komplett umgestaltet werden. Die Pläne dazu präsentierte Integrationsbürgermeister Wolfgang Erichson vergangene Woche im Ausschuss für Soziales und Chancengleichheit. Sie sehen vor allem vor, dass die Mitglieder künftig berufen und nicht gewählt werden. Diese Reform wollte Erichson schon 2016 durchsetzen, scheiterte damals aber am Widerstand des Gemeinderates. Ein Kompromiss sah stattdessen vor: Wenn es der AMR nicht schafft, bei den Neuwahlen im Januar 2019 eine Beteiligung von zehn Prozent zu erreichen, wird er künftig berufen. Das Ziel war ohnehin hoch gesteckt, doch es kam nicht zur Neuwahl.
Denn der Rat ist seit einem Jahr faktisch arbeitsunfähig. Nach dem Interkulturellen Fest im Sommer 2017 kam es zum Streit zwischen Mitgliedern und dem Vorsitzenden Michael AlliMadi. Seitdem boykottieren sich beide Seiten gegenseitig. AlliMadi, der auch schon immer wieder heftig mit Bürgermeister Erichson aneinander geraten war, verweigert seinen Rücktritt hartnäckig. Inhaltlich hat das Gremium seit Herbst 2017 nicht mehr gearbeitet. Darauf hat der Gemeinderat im Mai 2018 reagiert und sich für eine Berufung der Mitglieder ausgesprochen.
Damit ändert sich auch der Charakter des Gremiums: Sah sich der bisherige AMR als demokratisch legitimierte Interessenvertretung der Heidelberger mit Migrationshintergrund, wird er mit dem Migrationsbeirat - so der neue Name - durch ein Sachverständigengremium ersetzt. Die künftig bis zu 15 ordentlichen Mitglieder sollen zwar einen repräsentativen Querschnitt der in Heidelberg lebenden Migranten abbilden. Im Mittelpunkt steht jedoch ihre Expertise in Themenbereichen wie Sprachförderung, Kultur, Sport, Stadtentwicklung oder Interkulturalität. Bewerber müssen zudem seit mindestens sechs Monaten in Heidelberg leben, Migrationserfahrung haben und gut Deutsch sprechen. Im Gegensatz zum AMR können in den Beirat auch deutsche Staatsbürger berufen werden - etwa eingebürgerte Zuwanderer.
Während fast alle Gemeinderäte die Notwendigkeit sehen, den Migrationsrat zu reformieren, sorgte die geplante Kandidatenauswahl für Überraschung im Ausschuss: Erichson will eine Sitzung des Beirates simulieren. Die Bewerber werden dabei von einer Berufungskommission unter Leitung der ehemaligen AMR-Vorsitzenden Margret Dotter und Mehmet Kiliç beobachtet. "Wir haben ein Format gesucht, bei dem wir die Menschen in echt erleben können", begründet Erichson den unkonventionellen Vorschlag. Schließlich sei der AMR an der mangelhaften Interaktion der Mitglieder gescheitert. "Das ist ein Versuch, den wir gerne starten würden."
"Das wirkt ein bisschen wie ein Assessment-Center", wunderte sich Stadträtin Judith Marggraf von der Grün-Alternativen Liste - nicht als Einzige: Beate Deckwart-Boller (Grüne) hat etwa ebenfalls ein Problem damit, eine fiktive Sitzung einzuberufen. "Ich habe Angst, dass das die Leute abschreckt. Es handelt sich ja um ein Ehrenamt."
Da jedoch von den Gemeinderäten keine Alternativvorschläge für eine sinnvolle Kandidatenauswahl kamen, wurde der Vorschlag Erichsons schließlich einstimmig - bei zwei Enthaltungen von Hilde Stolz (Bunte Linke) und Sahra Mirow (Linke) - angenommen. "Ich glaube, wir müssen das jetzt einfach mal so versuchen", erklärte Karl Emer (SPD), "ich hoffe, dass der Gordische Knoten damit endlich entwirrt wird." Und auch die CDU-Fraktion steht hinter den Plänen: "Wir wollen dem eine Chance geben", so Matthias Kutsch.
Stimmt am 22. November auch der Gemeinderat für das Reformkonzept, startet im Januar die Suche nach Bewerbern. Die fiktive Sitzung könnte im Mai stattfinden, der Gemeinderat im Juli die Kandidaten berufen. Die konstituierende Sitzung für das neue Gremium ist für Oktober 2019 vorgesehen.