Pogromnacht-Gedenken in Heidelberg: Auf dem Alten Synagogenplatz gedachten 300 Heidelberger der Naziopfer
Von Katharina Kausche
Heidelberg. Um 2 Uhr nachts brannte die Synagoge in der Großen Mantelgasse. In ganz Heidelberg plünderten und zerstörten Nationalsozialisten Geschäfte, Häuser und Lebensräume von Juden. Die Synagoge lag am nächsten Tag in Schutt und Asche. So wie das jüdische Leben in Heidelberg. Die letzten Überbleibsel der Synagoge - Thorarollen und rituelle Gegenstände - verbrannten Heidelberger Bürger und Studenten auf dem Universitätsplatz. 80 Jahre später lassen weiße Pflastersteine den Grundriss der Synagoge nur noch erahnen, aber das jüdische Leben ist in Heidelberg wieder fest verankert. Auf dem Alten Synagogenplatz gedachten vergangenen Samstag 300 Heidelberger Bürger auf Einladung der Stadt gemeinsam den Opfern der Pogromnacht des 9. und 10. Novembers 1938.
"Dass wir heute zusammen gedenken, ist ein elementarer Bestandteil unserer lebendigen Erinnerungskultur und eine Absage an das Vergessen", stellte Oberbürgermeister Eckart Würzner in seiner Gedenkrede klar. "Wir haben schließlich etwas zu verlieren." Es sei kein Zufall, dass am 9. November gewisse Politiker Vorträge gehalten und Treffen organisiert hätten. Rechtspopulisten seien keine Seltenheit mehr. "Wir müssen auf die Straße gehen und rechtspopulistische Sprache entlarven, um unsere Demokratie zu verteidigen", appellierte er an die Heidelberger. So, wie es die rund 2000 Demonstranten vergangenen Freitag in Kirchheim getan hätten. Aber auch im Internet, denn dort würden vor allem junge Menschen mit Antisemitismus konfrontiert werden.
Vor dem Internet warnte auch der erste Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde Vadim Galperin in seiner Ansprache. Es sei ein gefährliches Instrument zur Verbreitung antijüdischer Bemerkungen. "Wenn nichts getan wird, dann ist Antisemitismus bald normal", befürchtet er. Anschläge wie in Pittsburgh gehörten zu einer neuen Welle des Hasses, die das jüdische Leben auf der ganzen Welt bedrohe: "Antisemitismus wird heutzutage mit einer anderen Rhetorik verbreitet oder als Kritik an Israel getarnt."
Nach den beiden Ansprachen lasen Studenten die Namen aller ermordeten und deportierten Heidelberger Juden vor und zündeten Kerzen an. Anna Ben-Schlomo organisiert seit einigen Jahren das Verlesen der Namen. "Antisemitismus ist wieder in der Mitte der Gesellschaft angelangt, und deshalb dürfen wir die Menschen, die gelitten haben, nicht vergessen." 441 Namen - 441 Menschen, die von den Nationalsozialisten zwischen 1938 und 1945 ausgewiesen, deportiert, ermordet und in den Tod getrieben wurden. Seit der Alte Synagogenplatz 2001 zu einer Gedenkstätte umgestaltet wurde, erinnert eine goldene Gedenktafel an ihre Leben. Neben den weißen Pflastersteinen, die den Grundriss markieren, wurden zwölf Sandsteine aufgestellt. Die Würfel symbolisieren die zwölf Stämme Israels und erinnern an die Sitzbänke der Synagoge. Ein Gedenkstein, der schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltet wurde, steht heute an der Stelle des früheren Thoraschreins.
Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin sprach zum Abschluss der Gedenkfeier einen Trostpsalm und das Kaddisch, eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Nach der öffentlichen Gedenkstunde veranstaltete die Theatergruppe der jüdischen Kultusgemeinde im Gemeindesaal im Rahmen einer Gedenkfeier eine Lesung.