Aufregung in Neckargemünd: Schrecksekunde mit Schreckschusspistolen
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Mit einem oder gar zwei Revolvern zum Arzt zu gehen, ist keine gute Idee - auch wenn es sich um Schreckschusswaffen handelt. Genau das tat gestern Vormittag ein Mann in Neckargemünd. Die Folge: ein Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften.
Polizisten mit Maschinenpistolen positionierten sich in der Bahnhofstraße, die gesperrt wurde. Schnell machten erste Gerüchte die Runde, dass es in dem Ärztehaus gegenüber vom Bahnhof zu einer Geiselnahme gekommen sei. Dies stellte sich glücklicherweise als falsch heraus. Weil die Lage aber zunächst völlig unklar war, herrschte in Neckargemünd etwa eine Stunde lang helle Aufregung. Dann gab es endgültig Entwarnung.
Ab 10.20 Uhr rasten am Mittwoch mehrere Polizeiwagen und Rettungswagen zu dem Ärztehaus in der Bahnhofstraße. Kurz zuvor hatte der Mann mehrere Praxen in dem Haus betreten. "Er hat niemanden bedroht, sondern war ganz friedlich", erzählt eine Angestellte gegenüber der RNZ. Schließlich entschied sich der Mann für Dr. Heinrich Weiger, bei dem er zuvor nicht Patient war. Bei ihm wollte er sich wegen einer nicht näher bekannten Krankheit behandeln lassen.
"Es war ein Mensch, den ich im Nachhinein nicht für aggressiv halte", betont der 67-jährige Allgemeinmediziner, der bereits seit dem Jahr 1984 seine Praxis in dem Gebäude hat. "Es war wohl Zufall, dass er zu uns kam." Als Angestellte eine der Waffen am Gürtel des Mannes entdeckten, riefen sie die Polizei. "Die Praxis wurde in aller Stille geräumt", berichtet Weiger. "Das lief vollkommen emotionslos und ohne Panik ab, weil wir für solche Fälle Notfallpläne haben und die Mitarbeiter geschult sind." Fünf Angestellte und etwa acht Patienten ließen den Mann in der Praxis zurück. Die Polizei hatte leichtes Spiel und konnte ihn festnehmen.
Aber warum hatte der Mann zwei Schreckschussrevolver dabei? Zunächst ging die Polizei davon aus, dass er geistig verwirrt sei. Dies wurde nach der Vernehmung des Mannes korrigiert. Es gebe "keine Hinweise auf eine Eigen- oder Fremdgefährdung", teilte Polizeisprecher Christoph Kunkel mit. Zunächst sei deutlich geworden, dass der Mann tatsächlich wegen einer körperlichen Krankheit zum Arzt wollte. Außerdem besitze er einen sogenannten kleinen Waffenschein und dürfe deshalb die Schreckschusswaffen tragen. Diese soll er auch rechtmäßig besessen haben.
"Es hatte alles seine Richtigkeit", so Kunkel. Deshalb kam der Mann am Nachmittag wieder auf freien Fuß. Die Schreckschusswaffen wurden einbehalten, nachdem der Mann sie freiwillig abgegeben hatte. Die Polizei regte bei der Waffenbehörde des Landratsamtes eine Prüfung an, ob der Mann zum Tragen der Waffen geeignet ist. Alter und Wohnort des Mannes wollte die Polizei nicht bekannt geben, weil keine Straftat vorlag.
Dr. Weiger machte am Mittwochnachmittag wieder Hausbesuche. Akut erkrankte Patienten hatte er nach der Evakuierung an Kollegen verwiesen. Seine Praxis war nachmittags ohnehin geschlossen. Am Donnerstag will er sie wieder öffnen. "Krankheiten nehmen auf so einen Vorfall keine Rücksicht", sagt Weiger mit Augenzwinkern. Auf den Schreck so kurz vor Weihnachten hätte er aber gerne verzichtet ...