Rhein-Neckar Löwen: Pokal-Aus mit Applaus
Von Daniel Hund
Berlin. Verschachtelte enge Gänge, viele Türen und ein nummeriertes Schild nach dem anderen. In den Katakomben der Max-Schmeling-Halle ist es nicht einfach, den Durchblick zu behalten. Kennt man sich nicht aus, ist sie ein Irrgarten. Verlaufen wird hier leicht gemacht. Auch der eine oder andere Spieler der Rhein-Neckar Löwen lief am späten Dienstagabend im Kreis. Orientierungslos, planlos, aber vor allem eins: enttäuscht.
Andy Schmid zum Beispiel. Der wollte einfach nur alleine sein. Nicht reden, bloß nicht nochmal mit diesem Handball-Drama in der Hauptstadt, das da gerade mal ein paar Minuten beendet war, konfrontiert werden. 35:37 nach Verlängerung hieß es nach 70 umkämpften Minuten für die Berliner Füchse. Also für die Mannschaft, die eigentlich 60 Minuten lang nur hinterher lief, quasi schon raus war.
Erklärungen finden für solch einen Spielverlauf? Ganz schwer! Beim 29:25 rund sieben Minuten vor der Schluss-Sirene sah alles noch so gut aus für die Löwen. Die neuerliche Teilnahme am Final Four in Hamburg war zum Greifen nah. Und dann passierte etwas, was am Dienstag häufig passierte: Die Löwen kassierten prompt eine Zwei-Minuten-Strafe. Unruhe kam auf, keine Sicherheit.
"Wir sind jetzt sicher keine schlechten Verlierer", schüttelte Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Gelben, im Kabinengang ungläubig den Kopf: "Aber wenn du hier eine normale aggressive Abwehr stellst und kassierst eine Zeitstrafe nach der anderen, dann ist das schwierig."
Insgesamt hagelte es acht Zwei-Minuten-Strafen gegen die Löwen. "So viele hatten wir fast in der ganzen Saison noch nicht", war auch Trainer Nikolaj Jacobsen nicht damit einverstanden, "das war heute ein entscheidender Faktor."
Kurzum: Das Magdeburger Schiedsrichter-Gespann Tönnies/Schulze machte nicht die glücklichste Figur im Fuchsbau. Besonders bei Jesper Nielsen und Alexander Petersson, die jeweils nach der dritten Zeitstrafe mit der Roten Karte bestraft wurden, bewies das Duo wenig Fingerspitzengefühl. Kleinliche Regelauslegung trifft es wohl ganz gut.
Trotzdem darf die Pleite nicht an den Unparteiischen allein fest gemacht werden, sondern auch an einer Schlussphase, in der ein wenig der Killerinstinkt gefehlt hat. Zu früh wurde in den Verwaltungsmodus geschaltet. Ansonsten war das Gastspiel in Berlin - auch wenn es paradox klingt - ein klarer Schritt nach vorne: Schmid überragend, Jerry Tollbring beeindruckend, Mads Mensah Larsen furchteinflößend. "Alle", holte Jacobsen tief Luft, "alle waren richtig gut. Es war unsere beste Saisonleistung, gerade das macht es ja so bitter."
Wird diese Leistung konserviert, werden die Löwen-Fans in dieser Saison noch viel Freude an ihrer Mannschaft haben. Doch insgesamt kommt das Hoch wohl zu spät, denn die erste Saison ohne Titel seit langem scheint vorprogrammiert zu sein. In der Liga ist der Rückstand schon zu groß, im Pokal hieß es raus mit Applaus und ein Champions-League-Coup käme bei der finanzstarken Konkurrenz fast schon einem Sechser im Lotto gleich.
Wie auch immer, es muss weitergehen - und das tut es in Riesen-Schritten: Schon am Donnerstag ab 19 Uhr steht in der Mannheimer SAP Arena das Derby gegen den TVB Stuttgart an. Genau der richtige Gegner, um sich all den Hauptstadt-Frust von der Seele zu ballern.