Heidelberg: Wegen der Pandemie leben hier 3000 Einwohner weniger
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Von Denis Schnur
Heidelberg. Dass Corona die Gesundheitsversorgung und Wirtschaft massiv beeinträchtigt, ist offensichtlich. Doch die Pandemie hat auch tief greifende Auswirkungen auf das soziale und kulturelle Leben – die natürlich schwieriger zu beziffern sind. Die Stadtverwaltung hat es auf Antrag der Grünen versucht und eine erste Sammlung der Corona-Folgen zusammengetragen. Die RNZ stellt die wichtigsten Punkte vor:
> 2921 Einwohner weniger: Noch vor einem Jahr hätte man das für undenkbar gehalten, aber Heidelberg schrumpft derzeit. Lag die Einwohnerzahl laut Meldestatistik der Stadt im Januar bei 148.665, sank sie bis September auf 145.744 – ein Rückgang um knapp zwei Prozent. Der wichtigste Grund dafür liegt in der geringeren Auslastung des Ankunftszentrums für Geflüchtete. Hier leben aktuell rund 1000 Menschen, vor Corona waren es zwischen 1500 und 2000. Überhaupt sind es vor allem Ausländer, die fehlen: Laut Statistikamt ist die Zahl der Deutschen um 283 gesunken. Stattdessen seien es internationale Wissenschaftler und Studierende, die aktuell nicht einreisen könnten: "Das sind die Jungen, die nicht hier studieren können oder wieder zurück zu den Eltern ziehen", so Amtsleiterin Gabriela Bloem.
> 1037 Telefon-Beratungen zu häuslicher Gewalt: Als im Frühjahr das öffentliche Leben runtergefahren wurde, saßen Paare und Familien eng aufeinander. Schon damals warnten Experten: Die Fälle häuslicher Gewalt werden so zunehmen. Die Daten der Stadt legen nahe, dass diese Befürchtung wahr wurde. Denn die Nachfrage bei Beratungsstellen zu häuslicher Gewalt stieg klar an. Am deutlichsten zeigt sich das bei Telefonberatungen: Während dort 2019 insgesamt 1154 Fälle verzeichnet wurden, waren es im ersten Halbjahr 2020 schon 1037. Um die Nachfrage zu bedienen, stellte das Amt für Chancengleichheit zwar mehr Mittel zur Verfügung, aber laut Verwaltung war der Andrang so groß, "dass viele Telefonate nicht angenommen werden konnten". Ähnlich erging es dem Frauenhaus in der Stadt. Hier stieg nicht nur die Nachfrage nach Plätzen im Vergleich zum Vorjahr, gleichzeitig wurde auch die Kapazität von 20 auf 16 Plätze reduziert, um die Abstandsregelungen einzuhalten. Notaufnahmen wurden daraufhin kaum noch zugelassen, stattdessen wurden 137 Frauen während des Lockdowns in andere Einrichtungen vermittelt.
> 17 Prozent mehr Wohngeldanträge: Wie die Heidelberger die Corona-Krise finanziell spüren, ist noch nicht wirklich festzumachen. Ein Indikator dafür, wie schwierig es Teile der Bevölkerung haben, ist jedoch die Nachfrage nach Sozialleistungen. So zeigen etwa die Zahlen des Sozialamtes, dass zwischen März und Juni 17 Prozent mehr Anträge auf Wohngeld gestellt wurden als im Vorjahreszeitraum. Hier hatten Bund und Länder jedoch auch das Verfahren vereinfacht, damit Menschen wegen der Krise nicht ihre Wohnung verlieren. Bei der Grundsicherung im Alter sei dagegen im Frühjahr kein signifikanter Anstieg bemerkbar gewesen.
> Einbußen bei Kulturmachern: Dass Soloselbstständige und Kleinunternehmen unter der Krise massiv leiden, ist ebenfalls bekannt. Eine aktuelle Umfrage unter Kulturschaffenden in Heidelberg und im Land zeigt erstmals wie sehr: Demnach rechnen in Heidelberg 20 Prozent von ihnen damit, dass sie in diesem Jahr mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes einbüßen, landesweit sind es 19,2 Prozent. Rund ein Drittel geht von Einbußen zwischen 30 und 50 Prozent aus – deutlich mehr als im Landesschnitt, der bei 27,4 Prozent liegt. Einen Rückgang um weniger als 30 Prozent erwarten in Heidelberg 45,4 Prozent der Soloselbstständigen und Kleinunternehmen, im Land 51,3 Prozent.