Muhammad Iqbal: Heidelbergs berühmter, unbekannter Poet
Von Joris Ufer
Heidelberg. Dichter, Philosoph und politischer Vordenker: Muhammad Iqbal war hochgebildet und gilt als geistiger Vater Pakistans. 1907 studierte er in Heidelberg Philosophie und Literatur. Anlässlich Iqbals 143. Geburtstag veranstaltete "Heidelberg in Bewegung" (HiB) am Montagabend eine Gesprächsrunde, die pandemiebedingt digital stattfinden musste. Moderiert vom pakistanischstämmigen Stadtrat Waseem Butt, gingen die Teilnehmer einem Gelehrten nach, den in Heidelberg nur wenige kennen – obwohl ein Abschnitt des Neckarufers in Bergheim nach ihm benannt ist.
"Mein Aufenthalt in Heidelberg war ein wundervoller Traum", schrieb Muhammad Iqbal in Erinnerung an seine Studienzeit am Neckar. Hier lernte der Gelehrte die Werke von Goethe, Nietzsche und Heine kennen, die seine schöpferische Arbeit nachhaltig prägen sollten. Als Stadtrat Butt die Veranstaltung eröffnet, hebt er hervor: "Auch ich fühle mich mit Muhammad Iqbal verbunden, denn ich gehöre dem gleichen Stamm an." Zudem kämen sie beide aus der pakistanischen Stadt Sialkot. Ebenfalls mit dabei sind an diesem Abend der Enkel des Denkers, Iqbal Salahuddin, der in Bonn ansässige Dichter Atif Tauqeer und die Kulturamtsleiterin Andrea Edel. Die Stadt unterstützte die Ausrichtung der Veranstaltung.
Geboren wurde Muhammad Iqbal am 9. November 1877 in Sialkot, in der Provinz Punjab. Zu diesem Zeitpunkt stand die Region schon seit fast 30 Jahren unter britischer Herrschaft. Iqbal wuchs mit dieser Fremdherrschaft auf. Nachdem er zuerst in Lahore, im heutigen Pakistan, einen Abschluss in Philosophie gemacht hatte, begab er sich 1905 für einen mehrjährigen Studienaufenthalt nach Cambridge. 1907 reiste er auch nach Deutschland und verbrachte drei Monate in Heidelberg, wo er in dieser kurzen Zeit Deutsch lernte. Seine Sprachlehrerin Emma Wagenast brachte ihm die Klassiker der deutschen Literatur und Philosophie nahe. Zahlreiche Briefe bezeugen die lebenslange Freundschaft der beiden. Am Iqbal-Ufer in Bergheim steht heute ein Gedenkstein mit seinem Gedicht "Gruss an den Neckar".
Weil viele Zuschauer des Livestreams von Pakistan aus zuschauen, wird bei der Veranstaltung auf Deutsch, Englisch und Urdu, der Muttersprache des Poeten, gesprochen. Im Gespräch mit Iqbal Salahuddin geht es um das reichhaltige Schaffen seines Großvaters und um die heutige Lage Pakistans. "Die Quelle seines Denkens und seiner Ideen war der Koran", erklärt er. "Aber seine Philosophie erregte eine Menge Widerstand in den religiösen Kreisen. Der Unterschied war, dass Iqbals Lehre nicht konventionell war, sondern modern und sich entwickelnd." Der Gelehrte habe eine Philosophie schaffen wollen, die für alle Menschen unabhängig ihres Glaubens Gültigkeit besitzen könne.
Die Veranstaltung endet mit dem Dichter Atif Tauqeer, der noch einmal die Bedeutung des Denkers hervorhebt. "Wir müssen verstehen, dass Iqbal selbst eine wundervolle Metapher von Transformation ist", stellt er fest. So habe dessen erste Schaffensperiode viel von seiner Heimat und deren Kultur gehandelt, während er in der zweiten – in die auch seine Zeit in Heidelberg fiele – unglaubliche Liebesgedichte verfasste. Abschließend liest Tauqeer noch ein Gedicht des Poeten vor, zuerst auf Urdu, dann auf Englisch. Es geht um das Verhältnis von Herz und Verstand. Während des Vortrags leuchten Atif Tauqeers Augen und ein breites Lächeln liegt auf seinem Gesicht. Iqbal starb im Jahr 1938 – elf Jahre vor der Staatsgründung Pakistans. Aber auch 82 Jahre nach seinem Tod hat sein Werk nichts von seiner Faszination eingebüßt.