Heidelberg: So wollen Forscher soziale Ängste behandeln
Von Marion Gottlob
Heidelberg. Gibt es ein Patentrezept zur Behandlung von sozialen Ängsten? Im Grunde nicht, denn jeder Mensch ist einzigartig und genauso einzigartig sind seine Ängste. Doch ein Team von Heidelberger Forschern hat einen Therapieplan zur Behandlung von sozialen Ängsten erarbeitet. Unter dem Titel "Soziale Ängste" beschreiben Jochen Schweitzer, Christina Hunger-Schoppe, Rebecca Hilzinger und Hans Lieb ein Modell, an dem sich Therapeuten, Ärzte und Sozialarbeiter orientieren können.
Sie stützen sich auf ein mehrjähriges Forschungsprojekt an der Universität Heidelberg. Die Anleitung für die Systemische Therapie bei sozialen Ängsten umfasst 15 Sitzungen mit Einzel-, Familien- und Gruppengesprächen. Neben Depressionen bilden Angststörungen die größte Gruppe therapiebedürftiger Störungen. Die sozialen Ängste sind eine eigene Gruppe. Betroffen sind unter anderem Menschen, "die sich vor anderen Menschen schämen oder vor ihnen Angst haben und sich dann zurückziehen oder im Kontakt mit anderen übermäßig leiden", heißt es.
Die Autoren geben einen Überblick zu den Erklärungsmodellen zu sozialen Ängsten. Das Heidelberger Manual konzentriert sich auf die Systemische Therapie. Es ist ein präziser Zeitplan für eine Therapie – das wirkt ein bisschen wie ein Fahrplan für Zugverbindungen. Der Plan startet mit dem telefonischen Erstkontakt und Erstgespräch. Es gibt Anregungen, wie Therapeuten mit dem Klienten sein soziales Netzwerk und therapierelevante Informationen über seine Familie erarbeiten.
Die Therapeuten suchen mit dem Klienten nach Stärken, die es zu nutzen gilt. Therapeut und Klient legen Ziele der Therapie fest. Ebenfalls gemeinsam überlegen sie, wie der Klient sich mit Hilfe von geplanten Experimenten mit seiner sozialen Angst auseinandersetzen kann. Gruppen- und Familiensitzungen können das Programm abrunden. Zum Abschluss ziehen Klient und Therapeut Bilanz und überlegen, was im Fall eines Rückfalls getan werden kann. Sozialarbeiter und Psychologen haben das Heidelberger Manual erprobt. Einige kamen ein bisschen unter Druck: "Will ich die Manual-Struktur einhalten, muss ich mich beeilen."
Gleichzeitig empfanden Projekt-Teilnehmer das Manual als hilfreich: "Ich habe mich an vieles schneller herangetraut, besonders an die Gespräche mit Partnern, Familienangehörigen und anderen wichtigen Bezugspersonen." Das Manual gab den Therapeuten zusätzliche Anregungen, wie sie die Therapie gestalten können. Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Doch wer sich mit dem Stil anfreunden kann, findet wichtige Tipps und Hinweise.
Info: Jochen Schweitzer u.a: Soziale Ängste. 176 Seiten, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 29,95 Euro.