Meine Meinung: Zidanes Analyse zeugt von Realitätsverlust
Der Ball ist rund und das Spiel geht 90 Minuten. Sepp Herbergers berühmter Spruch verliert nie an Aktualität, auch nicht bei Real Madrid. Denn wie gegen Valencia (1:4) sah Zinédine Zidanes Matchplan auch gegen Villarreal (1:1) anfangs gut aus. Toni Kroos ließ sich zu Beginn tief fallen und stopfte den „Sechser-Raum“, wo Gerard Moreno für gewöhnlich für Gefahr sorgt, dazu kamen immer wieder präzise Spielverlagerungen, die das System der sich langsam verschiebenden Gelben störten und Tempowechsel, an denen sich die Hausherren müde liefen. So weit, so gut, verdiente 1:0-Halbzeitführung. Doch nach dem Seitenwechsel fand auch Unai Emery in die Partie, welche Zidanes Mannen aus den Händen glitt. Das 1:1 war irgendwann fällig und am Ende auch ein verdientes, fast schon aus Real-Sicht schmeichelhaftes Ergebnis. Nicht so mit Zidane.
Seine Pressekonferenz werde ich so schnell nicht vergessen.
„Mit dem Punkt können wir nicht so viel anfangen“, sagte er. Okay, logisch irgendwo.
„Meine Spieler haben einen hohen Aufwand betrieben und die Kontrolle über das Spiel gehabt.“ Das kann man auch anders sehen.
Aber das Unglaubliche ging erst danach über seine „french lips“: „Deshalb tut es mir für sie leid, dass dem Gegner eine Aktion gereicht hat, um auszugleichen und wir jetzt nur mit einem Punkt nach Hause fahren. Wir hätten aufgrund unserer Leistung, vor allem in der ersten Halbzeit, drei Punkte verdient gehabt.“
Eine Aktion reichte zum Ausgleich? Hat Zidane etwa die Schüsse von Moreno und Dani Parejo vergessen? Die gab es in den Minuten 59 und 70 und sind für Spieler ihres Kalibers durchaus als „100-Prozentige“ zu bezeichnen. Die Schüsse gingen daneben, so fällt auch Zidanes Fazit aus. Vor dem Elfmeter hätte Villarreal bereits 2:1 führen können, da hatten Zidanes Mannen immer noch nur einen Schuss aufs Tor zu verzeichnen – glücklicherweise nutzte Mariano den in der 2. Minute. In den 88 Minuten danach konnten die Königlichen Sergio Asenjo nicht mehr ernsthaft prüfen. Stattdessen vergab Take Kubo sogar noch eine Top-Chane. Wie kann „Zizou“ da behaupten, einen Sieg hätte man „verdient gehabt“? „Es sind auf jeden Fall zwei verlorene Punkte, nicht ein gewonnener“, so der 48-Jährige.
Bei derart schockierenden Worten muss man schon das Wort Realitätsverlust nutzen. Denn es zeigt auch die fehlende Art von Selbstreflexion, die Zidane schon länger vorgeworfen wird. Dass er auf Pressekonferenzen ungern Klartext redet und weder Spieler noch Schiedsrichter oder Gegner kritisiert, mag irgendwo Strategie und auch seine friedfertige Art und Gemüt sein. Aber diese Form von Ignoranz und Arroganz ist einer der Gründe für Real Madrids Krise – nur sechs ihrer zwölf Saisonspiele haben die Blancos gewonnen. Warum? Weil Zidane seine Mannschaft seit seiner Rückkehr nicht weiterentwickeln konnte, weil es keinen Plan B gegen tiefstehende Gegner gibt, weil er oft auf alte Lieblinge statt neue Spieler setzt und weil er scheinbar nicht nur kritikresistent ist (siehe auch: Zidane in der Analyse), sondern sich die Welt auch so macht, widdewidde wie sie ihm gefällt. Ob Herberger oder Lindgren: Zidane scheint mit seinen Worten in einer anderen, eigenen Welt zu leben, wo Spiele vermutlich nur 45 Minuten dauern.