Gravel-Tourenbericht aus den Bayerischen Alpen: Königlich geschottert
Mal nicht auf dem Mountainbike, aber trotzdem im Gelände unterwegs: Geschichte(n) mit dem Gravelbike auf den Spuren König Ludwigs haben Ines Thoma, Max Schumann und Hermann Meyer erfahren. Ihr 3-Tage-Gravelride mit Übernachtungen führt ab Füssen durch die Bilderbuchlandschaft des Ostallgäus zum Starnberger See. Hier ihr Bericht und die Infos zur Tour!
Unsere Bikes liegen am Straßenrand, wir hocken am Boden. Das Wasser läuft von unseren dünnen Regenjacken an den Beinen entlang von oben in unsere Schuhe und an anderen Stellen wieder hinaus. Unseren Blicken sieht man die vergangenen Höhenmeter an, es wird kalt. Gemütlich ist definitiv anders. Ist das das Ende der Königsetappe? Ich blicke zu Ines, sie hat das Funkeln in ihren Augen nicht verloren und setzt auf ein schnelles Ende des Wolkenbruchs. Unsere Allgäuer Frohnatur behält Recht, das Gewitter zieht an uns vorbei und der Regen hört auf. Nach ca. 15 Minuten geht es weiter. Der Weg bleibt steil und schnell wird uns wieder warm. Nach der nächsten Kurve erblicken wir das Königshaus am Schachen, den Höhepunkt unserer Tour.
Von Schloss Neuschwanstein werden wir in drei Tagen mit unseren Gravelbikes auf den Spuren König Ludwigs über Schloss Linderhof und das Königshaus am Schachen bis nach Berg am Starnberger See radeln. Eine Reise mit wenig Gepäck, dafür vollgepackt mit der Geschichte König Ludwigs II., dem König der Bayern.
Auch ohne Touristen aus den USA und Asien herrscht rege Betriebsamkeit in Füssen rund um das Märchenschloss des Königs. Anstatt uns mit Selfiesticks auf die Suche nach dem perfekten Fotospot zu begeben, kontrollieren wir noch einmal unser Gepäck. Viel ist es nicht, leicht und schnell wollen wir unterwegs sein. Wir sind startklar und rollen nach kurzem Sightseeing los.
Geschichtsstunde die Erste: Das spektakulärste und berühmteste Schloss des Königs wurde ab dem Jahr 1869 erbaut und lockt jährlich über 1,5 Mio. Besucher an. Leider lebte Ludwig vor seinem Tod nur wenige Monate im Rohbau und die Baukosten explodierten. Selbst bis heute ist nur ein Bruchteil der Zimmer ausgebaut und das Schloss wird wohl immer „unvollendet bleiben.“
Schnell verlassen wir die Straße und genießen die feinen Schotterwege entlang des Lechufers. Als erstes Zwischenziel auf unserer heutigen Etappe erreichen wir die Wieskirche. Die Kirche aus dem 17. Jahrhundert zählt zum Weltkulturerbe, für uns eine willkommene Gelegenheit Kultur mit einer kurzen Pause zu verbinden. Weiter geht’s Richtung Naturpark Ammergauer Alpen, immer wechselt die Strecke von breiten schnellen Forststraßen zu schmaleren Wald- und Wiesenpfaden. Dann folgen wir dem Ammer-Amper Radweg mit kurzem Spaghettieis-Stopp in Oberammergau. Bei strahlendem Sonnenschein und malerischen Wegen merken wir die letzten Höhenmeter bis Schloss Linderhof gar nicht. Wir haben Glück, es ist schon recht spät und wir sind fast alleine, während wir unsere Räder durch die Schlossanlage schieben.
Geschichtsstunde die Zweite: Das kunstvolle Schloss Linderhof ist das einzige seiner Schlösser, das Ludwig selbst zu Lebzeiten vollenden konnte. Ab 1869 ließ er das ehemalige Forsthäuschen seines Vaters, Maximilian II., umbauen, erweitern und mit einer gigantischen Parkanlage in Anlehnung an die Schloss- und Gartenanlage in Versailles umrahmen.
Mit Blick auf die Südseite des Schlosses lassen wir die schräg stehende Abendsonne auf uns scheinen und freuen uns auf die letzten Kilometer bis nach Ettal. Leicht bergab schlängelt sich unser Weg durch Wälder und Wiesen und mit diesem Flowfeuerwerk endet unser Tag.
Der nächste Tag beginnt früh. Auf der alten Schotterstraße von Ettal nach Oberau werden wir durch den losen Untergrund der steilen Abfahrt wach gerüttelt, gemütlicher wäre doch die normale Straße gewesen. Unten angekommen treffen wir Jan. Er ist Gravelleur mit Leidenschaft und war begeistert, als er von unserer Tour erfahren hatte. Leider konnte er sich nur einen Tag frei nehmen und begleitet uns heute bei der Königsetappe unserer Reise. Wir graveln los Richtung Norden, nach Eschenlohe und fahren durch das Eschenlainetal Richtung Walchensee. Gemütlich bahnt sich die Eschenlaine unten durch das Tal ihren Weg. Unser Weg ist deutlich weniger gemütlich. Drei steile Stiche mit losem Untergrund und vielen Steinen treiben uns die ersten Schweißtropfen des Tages auf die Stirn und fordern unsere Fahrtechnik. Dann folgt die Abfahrt Richtung Walchensee und am Ufer angekommen lassen wir den Blick in die Ferne schweifen.
Zeit für eine Abkühlung haben wir nicht, so langsam ziehen Wolken über das Wettersteingebirge und wir haben noch große oder besser hohe Ziele vor uns. Wir erhöhen das Tempo und kurbeln durch Wallgau, vorbei am Barm- und Geroldsee, zwei weiteren wunderschönen Badeseen in der Zugspitzregion. In Klais füllen wir ein letztes Mal unsere Flaschen auf, bevor es nun fast kontinuierlich 1.000 hm bergauf geht. Bis Schloss Elmau fühlt sich die Steigung eher nach Gegenwind an. Nun baut sich vor uns das Wettersteingebirge auf, ein beeindruckender Anblick, es wird ernst. Schnell kommen wir an die Grenze unserer Übersetzungen, den Rettungsring für später aufzuheben ist mit den Gravelübersetzungen keine Option.
Bis zur Wettersteinalm rollt es dennoch ganz gut. Hier wäre die Möglichkeit einzukehren oder die Bikes liegen zu lassen und über einen schönen Wanderweg zu Fuß zum Königshaus zu wandern. Beides wahrscheinlich sinnvollere Varianten. Wir wollen aber herausfinden, ob der Anstieg auch mit Gravelbikes zu schaffen ist und fahren weiter. Ein Blick zum Himmel lässt uns allerdings zweifeln, ob wir noch trocken oben ankommen werden. Jetzt wird es richtig steil, besonders in den engen Kehren sind wir gefordert. Eigentlich würden wir gerne im Stehen fahren, aber dann rutschen die Reifen durch. Also bleiben wir sitzen, verspannen uns im Rad und meistern Kehre um Kehre. Nach der Hälfte des Anstiegs öffnen sich die Himmelsschleusen, wir lassen die Bikes auf dem Weg und suchen Schutz unter ein paar dicht bewachsenen Bäumen. Nach ca. 15 Minuten hört der Wolkenbruch auf und wir setzen unsere Tour fort. Als wir das erste Mal den Blick auf das Königshaus am Schachen richten können, lichten sich die Wolken. Ein letzter kurzer Anstieg und wir haben das Ziel erreicht. Jetzt wird uns klar, warum König Ludwig den Platz für sein Königshaus wählte. Nicht umsonst sagt man über ihn, dass er den Blick für das Schöne und Besondere hatte. Unser Blick schweift über das Reintal zur Zugspitze und von der Alpspitze über die Ammergauer Alpen bis ins Alpenvorland.
Geschichtsstunde, die Dritte: Im hölzernen Königshaus am Schachen wollte Ludwig das Hochgebirge genießen, natürlich ohne Verzicht auf Komfort und Extravaganz. Die Inneneinrichtung ist orientalisch und es diente ihm als Ferienhaus und Räumlichkeit für Geburtstagsfeiern.
Unsere Mägen knurren und wir freuen uns über Spinat- und Käsespätzle im Gästehaus am Schachen, alleine dafür hat sich der Anstieg gelohnt. Gut gestärkt geht es in die Abfahrt, mit dem MTB mit Sicherheit sehr spaßig, mit den Gravelbikes erfordert die Abfahrt jedoch viel Konzentration. Ab der Wettersteinalm rollen wir entspannt wieder Richtung Klais. Erneut setzt Regen ein. Nass bis auf die Haut erhöhen wir das Tempo und nehmen Fahrt auf Richtung Isar. Am Fluss entlang geht es bis kurz hinter Lenggries. Auch hier sind noch einige fiese Höhenmeter versteckt. Ein letzter Blick zurück Richtung Wettersteingebirge entschädigt jedoch für diese letzten Anstrengungen des Tages.
Im Biergarten beim Altwirt in Lenggries beenden wir unsere Königsetappe und fühlen uns zufriedenstellend belastet. Genau der richtige Augenblick um neue Pläne für künftige Touren zu schmieden, nach dem olympischen Gravel-Gedanken „höher, schneller, weiter“. Für Jan geht es zurück mit dem Zug nach München und für uns nach einer „Regenerationshalben“ ab ins Bett. Den letzten Tag unserer Tour lassen wir gemütlich angehen. Ein ausgiebiges Frühstück und los geht’s. Wir packen unsere Taschen ans Rad und starten Richtung Berg am Starnberger See. Die letzte Etappe ist eine Genussgraveltour vom Feinsten. Viele Singletrails, Forststraßen und Ortsschildsprints später fahren wir den finalen Ortsschildsprint aus. Max wird damit Sprinterkönig unserer königlichen Graveltour. Nach drei abwechslungsreichen Tagen im Sattel erreichen wir den Starnberger See, an der Stelle an der auch König Ludwig am 13. Juni 1886 seine letzte Reise angetreten hat.
Geschichtsstunde, die Vierte: Offiziell ertrank der König am 13.06.1886 nahe des Orts Berg im See, doch kaum ein anderer Tod ist von so vielen Ungereimtheiten und Mythen umrankt. Der Schuldenberg des bauwütigen Königs war auf über 8 Mio. Reichsmark angewachsen und der König galt in vielen Kreisen als „verrückt“. Ob der Tod nun ein Unfall war, Selbstmord oder Mord, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.