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Neues Grundsatzprogramm: Bürgerräte, Hartz IV beenden, Schiene stärken – so wollen die Grünen in Zukunft Politik machen (und regieren)

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Parteitags-Feeling mit Stimmengewirr, hitzigen Debatten und Jubel kam bei den Grünen nicht auf. Beschlüsse fassten die mehr als 800 Delegierten in der sterilen Atmosphäre einer Online-Tagung. Neue Leitplanken für die Partei kamen trotzdem zustande.

Auf ihrem ersten digitalen Bundesparteitag haben die Grünen ein neues Grundsatzprogramm beschlossen. Mit dem vierten Programm ihrer 40-jährigen Geschichte tritt die Partei für konsequenten Klimaschutz und ökologisches Wirtschaften, aber auch für mehr soziale Gerechtigkeit ein. Zehn Monate vor der Bundestagswahl bekräftigte die Parteiführung um Annalena Baerbock und Robert Habeck ihren Machtanspruch. Dafür wollen die Grünen künftig breitere Wählerschichten ansprechen. Das Grundsatzprogramm mit dem Titel "Zu achten und zu schützen – Veränderung schafft Halt" soll für die kommenden 15 bis 20 Jahre gültig bleiben.

Grüne wollen Hartz IV überwinden

Als Zugeständnis an Klimaaktivisten bekennen sich die Grünen klarer zur 1,5-Grad-Grenze beim Anstieg der Erderwärmung. Es sei notwendig, "auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen", steht nun in dem Grundsatzprogramm. Im Entwurf des Parteivorstands hatte es ursprünglich geheißen, gemäß dem Pariser Klimaabkommen solle die Erderhitzung "auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden".

PAID STERN 2019_23 Robert Habeck

Im Grundsatzprogramm bekräftigen die Grünen zudem die Forderung nach 100 Prozent erneuerbaren Energien, verbunden mit dem Ausstieg aus allen fossilen Ressourcen. Die Landwirtschaft soll ökologisch umgebaut werden, im öffentlichen Verkehr soll die Schiene gestärkt sowie mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger geschaffen werden.

Auch eine Kontroverse über die Gentechnik wurde beigelegt: Die Grünen sehen deren Einsatz in der Landwirtschaft skeptisch, erteilen ihr aber auch keine komplette Absage. Habeck sagte auf dem Parteitag, die alte Gentechnik habe ihre Versprechen nicht eingelöst, allerdings sollte die Forschung zu neuen Verfahren in diesem Bereich nicht ausgeschlossen werden.

Das Hartz-IV-System soll durch eine Garantiesicherung, die bei Bedürftigkeit ohne Vorbedingungen gewährt wird, überwunden werden. Langfristig wollen die Grünen die Sozialleistungen zusammenfassen und in das Steuersystem integrieren. Gegen den Willen der Parteiführung sprachen sich die Delegierten perspektivisch für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, das allen Mitgliedern der Gesellschaft individuell und ohne Bedürftigkeitsprüfung zusteht.

Bundesweite Volksentscheide schaffen es nicht ins Grundsatzprogramm

Denkbar knapp scheiterten die Befürworter bundesweiter Volksabstimmungen auf dem Parteitag. Der unter anderem von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner vorgestellte Antrag erhielt 46,36 Prozent der Delegiertenstimmen. Der Vorschlag des Bundesvorstands, statt bundesweiten Volksentscheiden Bürgerräte zu etablieren, setzte sich knapp mit 51,48 Prozent durch. Habeck hatte zuvor gemahnt: "Volksentscheide werden polarisieren." Sie würden nicht den gesellschaftlichen Dialog befördern, sondern die Spaltung der Gesellschaft. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin sagte mit Blick auf die Bedrängung von Bundestagsabgeordneten durch Gäste der AfD, es gehe mehr denn je darum, die parlamentarische Demokratie zu stärken.

Das ins Grundsatzprogramm aufgenommene Modell der Bürgerräte sieht vor, dass bei ausgewählten Themen die Alltagsexpertise von Bürgern in die Gesetzgebung einfließt. Dafür sollen Bürger per Los ausgewählt werden.

Auch Anträge zur Absenkung des Wahlalters auf unter 16 Jahre setzten sich auf dem Parteitag nicht durch. Beschlossen wurde der Vorschlag des Bundesvorstands, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken.

In der Bildungspolitik wollen die Grünen, dass Schulen und Kitas kostenlos werden, außerdem Lernmittel für Lernende und Lehrende, einschließlich digitaler Endgeräte, benötigter Software und Internetzugang. Endgeräte können zum Beispiel Tablets oder Laptops sein. Außerdem soll es einen nicht zurückzuzahlenden staatlichen Bildungszuschuss geben, der von Eltern, Alter und Leistungen unabhängig ist.

Die Grünen betonen die Rolle der Polizei zum Schutz von Sicherheit und Grundrechten, unterstreichen aber auch: "Sie braucht eine diskriminierungssensible Aus- und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt und auf dem Land – sowie unabhängige Polizeibeauftragte." 

Die Partei will sich für eine "sozial-ökologische Marktwirtschaft" stark machen. Dazu gehört für die Partei eine Orientierung am Gemeinwohl. Wachstum, Effizienz, Wettbewerb und Innovation sind keine Ziele in sich sondern "Mittel zum Zweck". "Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, die mit Wachstumszwängen einhergehende Übernutzung natürlicher Ressourcen und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft schon." 




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