"Ein Absturz droht nicht": Wie die Wirtschaft Einschränkungen weiter aushalten kann
Von Gernot Heller, RNZ Berlin
Berlin. Einen Lockdown, dessen Ende nicht absehbar ist, hält Clemens Fuest. Präsident des Ifo-Instituts in München, aus wirtschaftlicher Sicht für sehr schädlich, wie er im RNZ-Interview erklärt.
Bund und Länder werden heute vermutlich den Corona-Lockdown verlängern. Was bedeutet das für die erhoffte wirtschaftliche Erholung im laufenden Jahr nach dem Absturz 2020? Droht erneut ein Absturz in die Rezession?
Ein wirtschaftlicher Absturz droht meines Erachtens nicht, solange die Unternehmen mit hoher Wertschöpfung, vor allem die Industrie, weiter produzieren können. Wenn große Teile des Einzelhandels für längere Zeit geschlossen bleiben, wird allerdings auch die Nachfrage nach Industriegütern abnehmen. Der Online-Handel allein kann das nicht kompensieren. Die Verlängerung des Lockdowns würde die wirtschaftliche Erholung weiter verzögern.
Würden Sie dafür plädieren, bei den Beschränkungen mit Blick auf Ausgangssperren und Auflagen in der Arbeitswelt noch weitere Verschärfungen vorzunehmen, um die Infektionszahl dauerhaft zu drücken?
Meines Erachtens hat die Beschleunigung der Impfungen und die Verbesserung der Schutzmaßnahmen durch mehr FFP2-Masken und bessere Lüftungen Priorität. Wirtschaftlich wäre es sehr schädlich, wenn wir einen Lockdown haben, bei dem kein Ende absehbar ist, weil die Infektionslage sich nicht bessert. Wir müssen den Lockdown so gestalten, dass die Neuinfektionszahlen weiter sinken. Ob dafür weitere Verschärfungen nötig sind, hängt letztlich von medizinischen und virologischen Erwägungen ab.
Wie lange kann die deutsche Wirtschaft noch ohne dauerhafte Schäden massive Einschränkungen verkraften?
Mit staatlichen Hilfen kann die deutsche Wirtschaft die Einschränkungen durchaus noch einige Zeit aushalten, aber die Kosten steigen natürlich. Das schlägt sich in Form wachsender Staatsschulden nieder, die nach der Krise bedient werden müssen. Langfristig ist außerdem gravierend, dass durch ausfallenden Unterricht die Ausbildung vieler junger Menschen leidet.
Verfolgt die Politik nach Ihrer Auffassung den richtigen Kurs im Umgang mit der Corona-Krise und Maßnahmen zur Abfederung von deren Folgen?
Im Prinzip ja, allerdings ist es jetzt dringend notwendig, die Impfungen zu beschleunigen. Derzeit sind die Impfungen die einzige Hoffnung darauf, dass die Krise bald überwunden wird.
Hätten Sie eine Verlängerung der Mehrwertsteuer-Senkung für richtig gehalten, um der Nachfrage Impulse zu geben?
Die Wirtschaft hat derzeit nicht das Problem, dass die Konsumenten nicht einkaufen, weil die Güter zu teuer sind. Viele Menschen haben Ersparnisse gebildet und würden das Geld gerne für Reisen, Wintersport oder Restaurantbesuche ausgeben, aber wegen der Schließungen geht das nicht. Die Mehrwertsteuersenkung war ein teures und nicht sehr zielgenaues Instrument, ihre Wirkung war nach den vorliegenden Informationen bescheiden. Es ist gut, dass sie ausläuft.
Mit Blick auf die Renten-Finanzen gibt es eine Debatte über ein späteres oder flexibleres Renteneintrittsalter. Halten sie solche Schritte für nötig?
Man muss bedenken, dass ein höheres Renteneintrittsalter im Vergleich zu geringeren Rentensteigerungen Menschen mit niedrigerer Lebenserwartung härter trifft. Die wachsenden Rentenlasten sollten deshalb nicht allein durch längeres Arbeiten aufgefangen werden, aber das Renteneintrittsalter sollte auf jeden Fall mit der Lebenserwartung steigen. Flexibilität ist auch wichtig, entlastet die Rentenkassen aber nicht unbedingt.