Jubel bei den Grünen: Theresia Bauer knackt in Heidelberg ihren eigenen Rekord (Update)
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Kurz nach 20 Uhr ist es so weit: Theresia Bauer macht sich im heimischen Esszimmer ein Bier auf – und feiert ihr historisches Wahlergebnis. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits alle 114 Heidelberger Wahlbezirke ausgezählt. Und es steht fest, dass die 56-Jährige bei ihrer fünften Landtagswahl ihr Traumergebnis aus dem Jahr 2016 von 41,0 Prozent sogar noch einmal überboten hat: Am Ende bleibt der grüne Balken bei 41,7 Prozent stehen.
"Mit so etwas rechnet man nicht, natürlich hofft man es, aber diese Wahl war einfach unberechenbar", sagt sie am Telefon, kurz nachdem alle Stimmen ausgezählt sind: "Dieser Wahlkampf war sehr anspruchsvoll. Wir alle hatten kein Gefühl dafür, ob die digitalen Formate auch wirklich funktionieren." Und dann war da natürlich auch noch der Unsicherheitsfaktor Corona-Pandemie. Bauer und ihr Team konnten an den Infoständen in den vergangenen Tagen deutlich spüren, dass die Bevölkerung gestresst ist.
Was Theresia Bauer gerade in dieser Situation besonders freut: dass der Stimmenanteil der rechtspopulistischen AfD geschrumpft ist. "In Heidelberg wurde sie sogar halbiert. Und das in einer Zeit, die nicht gerade von Heiterkeit und Sonnenschein geprägt ist." Das zeige ihr, wie stark die Demokratie hierzulande doch sei.
Den Abend verbrachte Bauer vor zwei Rechnern – auf dem einen verfolgte sie die aktuelle Auszählung, auf dem anderen feierte sie mit ihren Parteifreunden in digitalen Formaten. Noch um 18 Uhr war von Partystimmung aber wenig zu spüren. Prompt bekam Bauer von ihrem Sohn eine SMS: "Was guckt Ihr denn so?" Als sie später darauf angesprochen wird, sagt Bauer: "Ich glaube, das ist ganz banal. Am Anfang haben uns die Umfragen zwischen 33 und 35 Prozent im Land prognostiziert. Wenn man dann dahinter zurückbleibt, muss man das erst einmal wegstecken."
Bauer möchte sich am Abend noch nicht auf mögliche Koalitionspartner festlegen. "Wir werden jetzt mit allen demokratischen Kräften reden und schauen, mit wem wir am besten unsere Ziele umsetzen können." Das Abschneiden der CDU bezeichnet die Ministerin als "Drama": "Ich glaube nicht mehr, dass man da von einer Volkspartei reden kann." Vieles sei für die Union zusammengekommen – die schlechte Performance der Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann und die Masken-Affäre.
Dass sie nun weiter als einzige Abgeordnete die Interessen Heidelbergs in Stuttgart vertreten muss und keiner ihrer Konkurrenten es geschafft hat, nimmt Bauer hin: "Ich freue mich jetzt erst einmal über unseren Zuwachs und werde mich mit starker Stimme einsetzen."
Für ihren Erfolg macht die Ministerin auch ihr Wahlkampf-Team verantwortlich. "Wir haben einen grandiosen Wahlkampf gemacht, waren viel unterwegs", lobte sie ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der gemeinsamen Zoom-Konferenz. Die Grünen seien präsenter gewesen als die anderen Parteien.
Und am Ende dieses ganz anderen Wahlkampfes glaubt Bauer auch, dass es sinnvoll ist, an digitalen Formaten festzuhalten. "Dadurch ist es uns gelungen, aus der Blase unserer eigenen Klientel rauszukommen." Bis zur Bundestagswahl werde dann aber hoffentlich vieles wieder normaler: "Bis dahin sind wir alle geimpft."
Keine Chance gegen den Bundestrend
CDU-Kandidatin Boto hatte ihr schlechtes Ergebnis erwartet
(rie) Im Gegensatz zu den meisten anderen Parteien hatte die Heidelberger CDU eine digitale Wahlparty gar nicht erst geplant – aber es gab dann ja auch nichts zu feiern. "Das hatte ich leider so erwartet", sagte Kandidatin Anja Boto am Telefon über ihr Ergebnis. Sie holte 15,3 Prozent, 3,9 Prozent weniger als 2016 die CDU-Kandidatin Nicole Marmé – damit lag Boto ganz im Landestrend ihrer Partei.
"Gegen den Bundestrend kam die CDU im Land und auch hier in Heidelberg nicht an", so Boto. Vieles in der Bundespolitik sei einfach nicht gut gelaufen: "Die Corona-Regeln sind nicht immer nachvollziehbar und auch bei den Wirtschaftshilfen ist einiges schief gelaufen." Und natürlich habe auch die Maskenaffäre um Nikolas Löbel nicht geholfen. "Das hat mich wirklich erschüttert", sagt die 46-Jährige. "Denn ich bin angetreten als jemand, der wirklich Politik für die Menschen machen will – und nicht nur das eigene Ego befriedigen."
Boto kritisiert außerdem das Wahlrecht. "Wir brauchen ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht, da hätte ich mehr Stimmen bekommen." Viele Menschen – auch aus anderen Parteien – hätten ihr rückgemeldet, dass sie wählbar sei, "aber die CDU als Gesamtpartei eben nicht mehr". Boto, die seit über 20 Jahren als Controllerin bei Airbus arbeitet, findet grundsätzlich: "Mir fehlen in der Politik oft der Blick aufs Ganze, das strategische Denken, die Konsequenz im Handeln und auch das konstruktive Suchen nach Lösungen im Team." Überparteiliche Zusammenarbeit komme zu kurz. So habe sie die anderen Heidelberger Kandidierenden im Wahlkampf – mit Ausnahme des AfD-Kandidaten – sehr schätzen gelernt: "Wir respektieren uns und planen, weiter an bestimmten Projekten zusammenzuarbeiten."
Weiter zusammenarbeiten – das sollten, wenn es nach Boto geht, auch die Grünen und die CDU im Land. "Sie ergänzen sich doch gut." Den Grünen fehle mit ihren Visionen oft der Blick für die Konsequenzen ihrer Ideen und fürs praktische Umsetzen – im Land und in Heidelberg. "Dafür braucht es die CDU als Partner." Ihrer eigenen Partei schreibt sie dann aber noch ins Stammbuch: "Wir brauchen wieder mehr Ecken und Kanten – und müssen uns erneuern."
"Ich hatte gehofft, dass meine Arbeit mehr Effekt hat"
Daniel Al-Kayal holt 12,7 Prozent - Er ist enttäuscht
(ani) 17.59 Uhr, Daniel Al-Kayal nimmt einen letzten Schluck Bier, bevor die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmert. "Ich bin extrem aufgeregt", sagt er. Immerhin freuen sich schließlich die Genossen bei der digitalen Wahlparty der SPD gegen 18 Uhr: Laut ersten Hochrechnungen liegen sie im Land mit über elf Prozent vor AfD und FDP. "Darüber freue ich mich", sagt Al-Kayal.
Gut 20 SPDler haben sich virtuell an diesem Wahlabend zusammengeschaltet. Landtagskandidat Al-Kayal sitzt in seinem Wohnzimmer, hinter ihm prangt ein SPD-Aufsteller. Mit Spannung werden hier die Heidelberger Ergebnisse erwartet. Und die sind zunächst vielversprechend: Als die ersten Wahlbezirke ausgezählt sind, scheint es noch, als könne sich Al-Kayal sogar gegen die CDU-Spitzenkandidatin Anja Boto durchsetzen. Doch mit fortschreitender Auszählung steht fest: Die SPD liegt in Heidelberg mit 12,7 Prozent hinter der CDU, die 15,3 Prozent erreicht. Mit dem Einzug in den Landtag – darauf hatten alle doch bis zum Schluss gehofft – wird es für den 26-Jährigen nichts. Die Enttäuschung ist ihm gegen 20 Uhr, als alle Wahlbezirke ausgezählt sind, anzuhören. "Ich habe gehofft, dass meine Arbeit der letzten Monaten mehr Effekt hat", so Al-Kayal. Seiner Meinung nach könnte es auch am hohen Briefwahlanteil gelegen haben, dass die SPD auf den letzten Metern nicht noch mehr Stimmen holen konnte. "Viele, die schon vor vier Wochen gewählt haben, haben ihre Wahl vielleicht später bereut", so Al-Kayal. Da nutze auch Wahlkampf nichts mehr.
Jetzt hofft der Politikwissenschaftsstudent, dass "wenigstens die CDU aus der Landesregierung zu bekommen ist". Was bei der nächsten Landtagswahl 2026 ansteht? "Das wird man sehen."
"Der Landestrend ist in Heidelberg nicht angekommen"
Benjamin Brandstetter (FDP) ist trotz Verlusten zuversichtlich
(dns) Still ist es bei der digitalen Wahlparty der Heidelberger FDP, als um 18 Uhr die ersten Prognosen eingeblendet werden. Erst nach einigen Minuten ergreift Kandidat Benjamin Brandstetter das Wort: "Das ist ein super Ergebnis – auch wenn man das jetzt hier im Digitalen nicht so transportieren kann", freut er sich über das vorhergesagte Landesergebnis von 11,5 Prozent. "Da können wir uns alle auf die Schulter klopfen", dankt er den 15 Mitstreitern, die sich zugeschaltet haben.
Im Laufe des Abends zeigt sich, dass die FDP zwar landesweit zulegen kann, in Heidelberg dagegen sogar von 8,1 auf 7,0 Prozent sank. "Der Landestrend ist in Heidelberg nicht angekommen", sagt Brandstetter dazu am Telefon zur RNZ. Das sei aber in anderen Universitätsstädten wie Freiburg ähnlich. "Dafür, dass die Grünen hier sehr stabil sind, ist das ein solides Ergebnis", findet der Student. "Es ist natürlich nicht das, worauf ich gehofft hatte, aber darauf kann man aufbauen."
Obwohl die FDP-Fraktion im Landtag nun wachsen wird, wird der 24-jährige Heidelberger dort nicht einziehen. Damit hat er jedoch auch nicht wirklich gerechnet: "Ich muss mir erst mal ein neues Hobby suchen", sagt er bei der Wahlparty schon vor den ersten Prognosen. In Richtung seines Parteikollegen Dennis Nusser, der im Herbst zur Bundestagswahl antritt, verspricht er jedoch: "Ich werde bei deinem Wahlkampf nahtlos weitermachen."
Und auch am Telefon betont er, dass er sich weiter aktiv in der FDP engagieren werde. "Das war jetzt meine erste Solokandidatur – und es hat Spaß gemacht." Deswegen schließe er nicht aus, dass er sich bei künftigen Wahlen erneut aufstellen lassen werde.
Es geht aufwärts für die Linke
Kandidatin Sahra Mirow: "Guten Wahlkampf gemacht"
(ani) Mit dem Einzug in den Landtag wird es zwar wieder nichts – dennoch ist die Stimmung bei der Linken-Spitzenkandidatin und Landesvorsitzenden Sahra Mirow am Sonntagabend "verhalten gut". "Wir haben in der besonderen Pandemie-Situation einen guten Wahlkampf auf die Beine gestellt und uns im Land leicht verbessern können", berichtet Mirow, die den Wahltag in Stuttgart verbrachte. Die Linke im Land steigerte ihr Ergebnis leicht. Man nehme einen Aufwärtstrend wahr, befand Mirow. Auf diesen wolle man nun aufbauen – "für ein sehr gutes, ein starkes Ergebnis bei der Bundestagswahl".
Dennoch: Aufgrund der Pandemie habe in diesem Wahlkampf der direkte Austausch gefehlt – gerade von diesem lebe aber linke Politik. Auch so erklärt es sich Mirow, dass der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde erneut scheiterte. Als Landtagskandidatin im Wahlkreis Heidelberg freut sich Mirow aber über "ein starkes Wahlkreisergebnis" und die "Zustimmung der Wählerinnen und Wähler". Immerhin 8,45 Prozent erreichte die Linke in der Stadt – und damit sogar gut zwei Prozentpunkte mehr als bei der letzten Landtagswahl 2016. Als deutliches Signal "gegen rassistische Hetze" wertet Mirow zudem auch das schlechte Abschneiden der AfD in Heidelberg.
Update: Sonntag, 14. März 2021, 22 Uhr
Grüne aktuell noch stärker als 2016
Heidelberg. (rie) In Heidelberg zeichnet sich ab, dass die Grünen im Vergleich zur Landtagswahl 2016 noch einmal zulegen können. Aktuell liegen sie bei 41 Prozent, nachdem 69 von 70 Urnen- und 34 von 44 Briefwahlbezirken ausgezählt wurden Die CDU liegt aktuell bei 14,9 Prozent (2016: 19,2), die SPD bei 12,84 (2016: 12,13), die FDP bei 7,0 (2016: 8,05) und die Linke bei 8,6 (2016: 6,1). Die AfD halbiert ihgr Ergebnis aktuell von 10,9 im Jahr 2016 auf nun 5,67. Allerdings kann sich durch die Auszählung der restlichen Briefwahlbezirke noch einiges ändern.
Heidelberg. (hob) Vorsichtiger Jubel bei den Heidelberger Grünen. Als die erste Hochrechnung um 18 Uhr über die Bildschirme flimmert, sind die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer mit ihrer Abgeordneten und Ministerin Theresia Bauer in einer Zoom-Konferenz versammelt. "Wir sollten noch ein bisschen vorsichtig sein", sagt Bauer in einer ersten Reaktion: "Es sieht aber gut aus. Wir sind mit Abstand die stärkste Kraft in Baden-Württemberg – mit wachsendem Abstand."
Auch wenn noch keine Ergebnisse aus ihrem Wahlkreis Heidelberg veröffentlicht sind, dankt Bauer all ihren Wahlhelfern: "Wir haben einen grandiosen Wahlkampf gemacht, waren viel unterwegs." Die Grünen seien präsenter gewesen als die anderen Parteien. Positiv bewertet die Ministerin auch, dass die AfD leicht verloren hat. "Sie hat aus dieser schwierigen Situation keinen Honig saugen können." Moritz Damm berichtete, dass die Grünen 50.000 Flyer verteilt hätten. Wenn man sie nebeneinander lege, ergebe das eine Strecke von 7,4 Kilometern.