Dielheim-Wiesloch: Mit wandernden Wölfen ist zu rechnen
Von Sebastian Lerche
Region Wiesloch. Wölfe? Bei uns, in der dicht besiedelten Metropolregion? Das klingt unwahrscheinlich, und doch hat das baden-württembergische Umweltministerium den Naturraum Odenwald zum "Fördergebiet Wolfsprävention" erklärt und auf einer Karte ein Gebiet umrissen, das auch Wiesloch und Dielheim mitsamt Ortsteilen umfasst. Hier werden jetzt Schutzmaßnahmen gegen den Wolf bezuschusst.
Nach Sichtungen unter anderem auch in Sinsheim-Rohrbach und Mudau steht für das Ministerium fest, dass sich in Walldürn ein Wolfsrüde dauerhaft niedergelassen hat. Davon ausgehend wurde das Fördergebiet gemäß der typischen Größe eines Wolfs-Territoriums abgemessen, jetzt umfasst es 94 Städte und Gemeinden und eine Fläche von 2630 Quadratkilometern. Begrenzt wird es in unserer Region durch die offensichtliche Barrieren Autobahn A6 im Süden und Bundesstraße B3 im Westen.
"Es gibt in Deutschland seit einem Jahrhundert keine dokumentierten Wolfsangriffe auf Menschen", betont die Pressestelle des Umweltministeriums. Wölfe seien scheu, gingen Menschen generell aus dem Weg, deshalb gebe es für die hiesigen Bürgerinnen und Bürger "keinen Grund, das persönliche Verhalten radikal zu ändern".
Überdies, erklärt das Ministerium weiter, seien aktuell nur drei sesshafte Einzeltiere in ganz Baden-Württemberg nachgewiesen worden: im Nord- und Südschwarzwald sowie eben im Odenwald. Wenn die Menschen es den Wölfen gleichtun, sich fernhalten, sie nicht bedrängen und auch auf keinen Fall füttern, ist laut Ministerium von keiner Gefährdung des Menschen durch den Wolf auszugehen.
Info: Nähere Infos auf der Internet-Seite des Umweltministeriums https://um.baden-wuerttemberg.de.
Manche Nutztiere aber, Schafe oder Ziegen beispielsweise, aber auch Fohlen, fallen durchaus ins Beuteschema der Tiere. Daher wird jetzt im neuen Präventionsgebiet der "wolfsabweisende" Schutz gefördert. Dazu zählen beispielsweise Zäune, aber auch Herdenschutzhunde.
Wölfe sind nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union europaweit streng geschützt. Auch wenn Walldürn und Odenwald weit weg scheinen und auch wenn unsere Region so dicht besiedelt und betriebsam wirkt, dass sich kein Rudel freiwillig hier niederlässt: Mit wandernden Wölfen ist laut Umweltministerium zu rechnen. Die Tiere können 60 bis 70 Kilometer am Tag zurücklegen, beispielsweise junge Rüden, die ihres Rudels verwiesen werden, um auf eigenen Füßen zu stehen.
Onno von der Emde aus Unterhof ist einer der Nutztierhalter, die sich schon länger Gedanken um den Wolf machen. Zwar glaube er nicht, dass einer hier in der Region sesshaft werde, aber dass ein wanderndes Tier vorbeikomme und Schafe reiße, das könne nicht ausgeschlossen werden. Von der Emde hält seit 2007 Schafe, aktuell sind es 80. Hauptberuflich ist er bei der SAP, aber bei der Pflege einer Streuobstwiese kam er auf die Idee, die "umweltfreundlichen wolligen Rasenmäher" einzusetzen, das bereitet ihm und vor allem den Kindern seither große Freude. Jetzt sind er und seine Herde im Auftrag von Regierungspräsidium, Kommunen oder Privatleuten als Landschaftspfleger in Naturschutzgebieten, auf größeren Flächen mit Solaranlagen oder auch auf ehemaligen Militärarealen aktiv.
Wölfe und intensive Landwirtschaft mit Nutztierhaltung hält Onno von der Emde für unvereinbar. Und Fördermittel für Schutzmaßnahmen mitsamt Entschädigungen bei Wolfsrissen sind für ihn "keine langfristige Lösung". Früher oder später müsse man den Bestand – ähnlich wie bei anderen Wildtieren – aktiv kontrollieren, sprich: die Wölfe bejagen. Man dürfe nicht zulassen, dass sie sich unkontrolliert ausbreiteten. Hier in der Metropolregion seien Konflikte absehbar, da müsse frühzeitig entschieden und geregelt werden, wo man den Wolf haben wolle und wo nicht. "Wir dürfen nicht wie Kleinkinder sehenden Auges ins Unglück laufen."
Ähnlich sieht es Walter Geiger von der gleichnamigen Schäferei in Bad Wimpfen, der seit über 40 Jahren aktiv ist. "Da haben wir ein riesengroßes Problem." Seine Herde lässt er in einem großen Gebiet grasen, auch im Raum Wiesloch, etwa bei Frauenweiler und im Naturschutzgebiet Hochholz-Kapellenbruch. Da die Herde regelmäßig weiterreise, gestalte sich der Transport des Zauns als schwierig: Viel mehr noch, wenn er extra hoch und "wolfssicher" sei, so Geiger. Wenn ein Wolf vorbeikommen sollte, selbst ohne zu viel Interesse an seinen Schafen zu zeigen, könne er die Herde aufschrecken und schon die Gräben im Hochholz-Kapellenbruch könnten für Schafe in Panik zur Gefahr werden. "Es heißt: ,Der gute Hirte’, ich muss gut auf meine Herde achtgeben", betont Walter Geiger. Daher ist er dafür, den Wolf bejagen zu lassen.
"Wir beobachten, wir sind aber nicht aktiv eingebunden", erklärt Stefan Werner aus Rettigheim, Leiter des Hegerings Wiesloch, für die Jägerschaft. Mal abgesehen davon, dass die Tiere streng geschützt seien, kämen sie in den jagdrechtlichen Regelungen überhaupt nicht vor. Das hält Werner nicht für optimal: Er plädiert für eine klare Regelung, "und wenn ganzjährig Schonzeit ist". Aber detailliert darlegen sollte das Land schon, wie die Jägerschaft mit ihrem breiten Aufgabenspektrum, das den Erhalt eines artenreichen Wildbestands, aber auch ein Auge auf die Intaktheit der Natur umfasst, mit dem Wolf umgehen sollte.
"Wölfe finden doch eine überreich gedeckte Tafel vor", blickt Christoph Aly, Vorsitzender des Wieslocher Naturschutzbunds, auf den Bestand an Rehen oder Wildschweinen in der Metropolregion. Wölfe seien nicht auf Nutztiere wie Schafe angewiesen. Alys Auffassung nach hat der Wolf "eine tiefe Abneigung gegenüber dem Menschen", daher werde er derart dicht besiedelte Gebiete wie das hiesige eher meiden. Die Zahl der Nutztier-Risse durch Wölfe im Land sei "verschwindend gering", so Aly, und Begegnungen zwischen Mensch und Wolf hält er "für ausgeschlossen".
"Der Wolf hat als einst heimische Art das Recht, sich hier wieder anzusiedeln, und wir haben nicht das Recht, ihn zu vertreiben": Nach EU-Recht sei der Wolf streng geschützt. Ganz bedingungslos verficht Christoph Aly das aber auch nicht. Wenn die Beutegreifer sich nicht nur an Wildschwein, Reh oder anderes Wild hielten oder wenn sie gar zur Gefahr für Menschen würden, müsse man reagieren. "Da findet zur Not auch ein Abschuss meine Unterstützung."
Aly hält aber für richtig, dass das Land diese Entscheidung nicht der Jägerschaft überlässt, sondern stattdessen eigens ein "Wildtiermanagement" ins Leben gerufen hat – mit einer Stelle auch im Landratsamt Rhein-Neckar. "Da geht es um alle Wildtiere, die nicht bejagt werden dürfen, für die aber eine Kontrolle notwendig ist." Dies ebenso wie die Fördermittel und Entschädigungen im Zusammenhang mit Wölfen zeigt für Aly: "Die Landesregierung nimmt die Sicherheit von Mensch und Tier enorm ernst."