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Апрель
2021

A–Z | Picknick

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Essen unter freiem Himmel hat seine Tücken. Aus der Mittagspause wurde ein Luxusevent – und 1989 schrieb ein Picknick Weltgeschichte. Unser Lexikon

A

Ausstattung Neben der karierten Tweed-Decke (nicht mehr so ohne Weiteres lieferbar) oder dem Rolls-Royce Silver Shadow (dito) ist natürlich auch der Picknick-Korb unverzichtbarer Teil eines Picknicks. Bestechend dabei ist immer wieder, mit welcher Sorgfalt eine Aussteuer im Kleinen in die Körbe gezaubert wird ( Victoria). Weingläser, Tellerchen, Schälchen, Tässchen, veritables Besteck, gestapelt und fixiert. Je nach Klassenzugehörigkeit aus Kunststoff oder Porzellan, findet sich hier alles, was in der heimatlichen Küche im Schrank steht, leicht verkleinert wieder. Wären die gleichen Teller und Gläser wirklich so viel schwerer und unpraktischer? Mit dem Gang in die gemäßigte Wildnis soll offenbar nicht auf die Annehmlichkeiten des Domizils verzichtet werden. Dabei geht es auch umgekehrt. In einer Studi-WG (nein, niemals werde ich Studierende schreiben) aus meinem Umfeld wurde jahrelang der Inhalt eines Picknick-Korbes als Hausstand benutzt. Marc Ottiker

C

Corona-Streit Wir hatten uns länger nicht gesehen. Weil wir uns mit Kindern nicht zu Hause treffen sollen und weil es ein frühlingshafter Tag war, verabredeten wir uns im Park. Wir hatten Bouletten dabei ( Gurken), Sekt und, sorry, Plastikbecher. Es sollte ein entspanntes Picknick werden. Ich erzählte, wie sehr sich mein Sohn freue, jetzt wieder in die Schule zu gehen. „Wird ja auch Zeit“, sagte meine Begleitung, „warum haben sie die Schulen nicht einfach offen gelassen?“ Zu viel Risiko, sagte ich und fand, ich klang schon wie Karl Lauterbach. Ich berief mich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft. „Welche Wissenschaft? Skepsis kommt zu wenig zu Wort.“ Glauben oder zweifeln, es ging hin und her, der Ton wurde schnell schärfer, das Picknick drohte aus dem Ruder zu laufen. Die Kinder spielten unterdessen Fußball, in ihrer ganz eigenen Welt. Maxi Leinkauf

E

Einweggrill Sie sind das Hassobjekt für Parkschützer, Ökologen und Bratwurstfans: Einweggrills beschädigen nachhaltig die Grasnarbe und funktionieren nur mäßig. Klar, wer das in der Tat praktische Utensil mit in die Natur nimmt, hat wenig Neigung, eine feuerfeste Unterlage mitzuschleppen. Also müssen Gras oder Parkbank leiden. Dem Grillgut bekommt er auch nicht, weil die Zugluft für die nötige Hitze fehlt und es aufgrund des geringen Abstands zur Kohle ungleichmäßig durchschmort. Unnötiger Müll, noch dazu aus energieintensiv hergestelltem Aluminium, sind Einweggrills außerdem. Sie bleiben meist liegen, weil der Grill noch heiß ist, dazu kommt der Abfall aus Wurstverpackung, Einweggeschirr und Weinflasche ( Ökologie). Grillen ist ein Kulturgut, das man auch so behandeln sollte. Mehrere Städte haben daher in den Parks extra Behälter aufgestellt, in denen die Asche sicher entsorgt werden kann. Wer seinen Grill wieder mitnimmt, der neigt auch dazu, seinen Müll einzusammeln – wenn man schon Verpackungen und Alufolien zum Transport verwenden muss. Dann ist die Natur gedeckt fürs nächste Picknick. Tobias Prüwer

G

Gurken An der richtigen Picknick-Kost scheiden sich die Geister! Gurken oder nicht Gurken, das ist hier die Frage. Das klassische ostdeutsche Picknick MUSS Bemmen (vulgo: Butterbrote) beinhalten, dazu Bouletten (sächsisch: Bäfffstäkk) und gekochte Eier. So hart müssen sie sein, dass ein sich anbahnender Familienstreit (Corona-Streit) durch Ei-auf-den-Kopf-Schlagen gelöst werden kann. Distinguierter – auch kosmopolitischer – ist das Picknick mit Drei-Varianten-Hummus (Miso-Erbse, Chili und Artischocke), hübsch angerichtet mit Fladenbrot in Dreiecksform und Grillgemüse, das in der Tupperware leider immer so matschig wird. Alternative? Discounter-Kartoffelsalat, das Kilo für 1,99! Marlen Hobrack

K

Klassismus Seit Jahrhunderten essen Landarbeiter*innen in der Erntezeit auf dem Boden hockend. Das ist Mittagspause, nicht Picknick. Ob es nun die Briten oder die Franzosen waren, die Picknicken zum Freizeitevent machten, ist umstritten. Klar ist, es war der Adel, der begann, im Sommer das Dinieren aus hochherrschaftlichen Gemäuern nach draußen zu verlegen ( Victoria). Selbstredend nicht auf den Acker, sondern distinktionsbewusst in den Park oder auf malerische Wiesen. Zelebriert wird das heute noch, aber zum Picknick beim Tennis in Wimbledon oder Pferderennen von Ascot rollt man nicht mit der Kutsche an, sondern im Rolls-Royce. Martina Mescher

M

Manet Mit seinem Picknick-Gemälde Das Frühstück im Grünen (1863) kämpfte Édouard Manet gegen die Verlogenheit einer Kunstszene an, die in antiker Mythologie schwelgte, von der Gegenwart aber nichts wissen wollte. Er wiederholte fast ganz genau eine Figurengruppe aus Raffaels Kupferstich Urteil des Paris (1510/20), mit dem Unterschied freilich, dass bei Raffael zwei Männer und eine Frau nackt sind, bei Manet nur die Frau, die außerdem gar nicht ideal, sondern ganz irdisch ausschaut. Die Bildungsbürger waren empört! Aber Manet war nicht der Einzige, die Impressionisten beriefen sich auf ihn. Als Romancier schrieb Émile Zola so nackt, wie Manet malte. Das Picknick-Gemälde spielt eine Hauptrolle in seinem Roman „Das Werk“ (1886). Später wurde es oft persifliert, zum Beispiel 1979 auf dem Cover eines Albums von Lowell George, wo Manets Figuren im Vordergrund durch Marlene Dietrich und Fidel Castro ersetzt sind. Michael Jäger

Ö

Ökologie In einer Folge der Serie Mad Men geht das Ehepaar Draper mit den Kindern picknicken. Es ist eine Szene voller Idyll, aber auch von so erheblicher Belanglosigkeit, dass sich der Zuschauer durchaus fragt, welchen Zweck sie hat. Bis zum Schluss. Als die Familie packt und sich mit dem Auto aus dem Bild entfernt, bleibt die Kamera stehen und zeigt den hinterlassenen Müll ( Einweggrill). Die Serie spielt in den 1960ern, es ist also durchaus denkbar, dass das ökologische Bewusstsein der Menschen in dieser Zeit noch nicht so ausgeprägt war wie gegenwärtig. Es war mal normal, seinen Abfall überall liegen zu lassen. Und Dinge sind nie gut, weil sie normal sind oder weil sie jahre-, manchmal jahrhundertelang so gemacht worden sind, wie sie eben gemacht worden sind. Dass es keinerlei Erklärung, keinen Dialog, keinen Kamera-Zoom oder sonstigen visuellen Hinweis gibt und uns die Szene trotzdem auffällt, ja sogar stört, das kann als großer Fortschritt betrachtet werden. Konstantin Nowotny

P

Paneuropäisch Eigentlich sollte es am 19. August 1989 ein Picknick von Ungarn und Österreichern werden. Otto von Habsburg, der Sohn des letzten Kaisers, hatte sich das mit ungarischen Oppositionellen ausgedacht. Für drei Stunden wurde der morsche Stacheldrahtzaun nahe der Stadt Sopron von den Ungarn geöffnet, Speckbraten, Bratwürste, Wein und Bier standen auf dem Buffet. Es kursierten Flugblätter, die zum Picknick einluden, mit einer Taube, die den Stacheldraht durchbricht. Plötzlich tauchten Hunderte DDR-Bürger auf, die von dem Picknick Wind bekommen hatten. Sie stürmten nicht das Buffet, sondern das unerwartete Loch im „Eisernen Vorhang“ Richtung Österreich. Das „Paneuropäische Picknick“ wurde ein Stück Weltgeschichte. Maxi Leinkauf

T

Tanzen Das traditionelle Labor-Day-Picknick ist in dem Film Picnic (1955) ein zentraler Handlungsort und wird in fast dokumentarischem Ausmaß vom Regisseur Joshua Logan gezeigt. Die Story ist einfach, Draufgänger Hal (William Holden), meist oberkörperfrei, sucht in einer Kleinstadt in Kansas Arbeit und bringt die örtliche Damenwelt um den Verstand, darunter auch Schönheitskönigin Madge (Kim Novak). Das Verlangen zwischen den beiden Charakteren mündet am Abend des Picknicks in einem laternenbehangenen Pavillon in eine der erotischsten Tanzszenen der Filmgeschichte. Dass Holden panische Angst vor diesem Auftritt hatte und erst mit einer 8.000-Dollar-Wette umgestimmt werden konnte, sieht man den fesselnden Blickwechseln von ihm und Novak nicht an. Susann Massute

U

Untergang Eine Picknicktafel: Teller, Tasse und Besteck stehen auf vereistem Boden. Die Installation Das egoistische Picknick des Berliner Künstlers Olaf Nicolai befindet sich auf einer Eisscholle in der schwedischen Arktis und ist Teil der Ausstellung Goodbye, World. Wenn es taut, dann versinkt das Picknick im Meer. Indem sie eine Ausstellung an einem Ort realisieren, der unmittelbar bedroht ist, wollen die Macher auf die Unumkehrbarkeit der Klimakrise hinweisen – verursacht vom westlichen Lebensstil. Allerdings liegt die Schau dann als Zivilisationsmüll auf dem Grund. Und ist somit Teil des Problems, das sie eigentlich anprangert. Ein charmantes Dilemma, auch der Kunst. Elke Allenstein

V

Victoria Während die Iren unter einer Hungersnot litten, sich Proletarier im Manchester-Kapitalismus vor der Arbeit nicht retten konnten und der Imperialismus die Welt aufteilte, speiste die Klasse der Gewinner gern im Grünen. Queen Victoria pflegte diese Leidenschaft. Während ihr Gatte auf Jagd durch die schottischen Highlands pirschte, tischte sie im Park des Balmoral Castle für seine Rückkehr auf. Das gehörte zur Waidmannstradition, Victoria machte daraus eine Luxusangelegenheit. Die Untertanen taten es ihr nach. Alles, was heute noch zum zünftigen Picknick dazugehört, wurde damals ersonnen. Auch der aus Weide geflochtene Korb, in dem Decke, Geschirr und Besteck verstaut wurden, stammt aus dieser Zeit. Für die Wohlhabenden gab es Dosenproviant mit Wild in Aspik, Rentierzunge und Schildkrötensuppe.Ein Abglanz dieses Luxus existiert beim alljährlichen Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Dort kommen beim „Viktorianischen Picknick“ Hunderte exzentrisch Kostümierte zusammen – und feiern sich selbst. Tobias Prüwer

Z

Zigarrenzirkel Dass uns dieses Jahr die Manschetten nicht abgefroren sind, ist auch das Einzige, was uns erspart geblieben ist. Mit meinem Freund Mangold treffen wir uns seit Jahren in bewährter Runde und rauchen in gastronomisch betriebenen Kellern jeden Samstag unsere Zigarren. Ein Picknick der besonderen Art, denn auch wir haben unser Körbchen (➝ Ausstattung) mit Anschneider, Hölzern, Reisehumidor und Reservegas fürs Jetfeuerzeug (nie den Finger vorhalten, ob es an ist. 900 Grad!). Doch seit dem Winter treffen wir uns bibbernd an Wendehämmern und ziehen zitternd an den Zigarren. Genuss geht anders. Nun scheint die Sonne und ein Freund schreibt: Lasst uns in meinem Innenhof rauchen und Kaffee schlürfen. Wir packen die Sachen und radeln los. Die Freude auf Vergangenes ist so viel größer als zuvor. Verknappung schafft Begehr. Jan C. Behmann

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