Bye-bye Bayern: Warum Hansi Flick weg aus München will (Update)
Von Maik Rosner
München. Nicht einmal einen Monat lang trainierte Hansi Flick den FC Bayern, als sich Jupp Heynckes mit einer Empfehlung zu Wort meldete. Der Verein besitze nun "die große Chance, über einen längeren Zeitraum einen Trainer zu haben, der eine Epoche prägen kann", schrieb der erste Triple-Gewinner der Klubgeschichte im Herbst 2019. Flick, damals gerade als Nachfolger des beurlaubten Niko Kovac interimsmäßig ins Amt gerutscht, sei "prädestiniert für die Aufgabe als Cheftrainer des FC Bayern und der ideale Mann für diese Position" sowie "ein Juwel", das gefördert werden müsse, befand Heynckes.
Die Worte von Heynckes waren schon deshalb bemerkenswert, weil er den FC Bayern insgesamt vier Mal trainiert hatte und das Innenleben des Vereins seines Freundes Uli Hoeneß wie kein Zweiter kennt. Heynckes weiß um die Strukturen und Hierarchien, auch um das Lagerdenken beim FC Bayern mit Hoeneß auf der einen und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auf der anderen Seite. Flick traute er mit seinen fachlichen Qualitäten sowie mit seiner freundlichen Art offenbar zu, den Verein seiner Wortbedeutung zuzuführen, also zu vereinen.
Spätestens seit Samstag weiß man: Das ist nicht gelungen, ganz im Gegenteil. Einen solch eskalierten Hauskrach wie den mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic hat der auch an Disputen reiche FC Bayern alias FC Hollywood selten erlebt. Flick will nur noch weg, schon in diesem Sommer, trotz seines Vertrages bis 2023, wie er nach dem 3:2-Sieg in Wolfsburg verkündete. Informiert hatte er die Vereinsführung darüber nach eigenen Angaben bereits in den Tagen zuvor. Der Mannschaft teilte er seinen Wunsch direkt nach dem Schlusspfiff in der Kabine mit, ehe er ihn öffentlich machte. Doch abgestimmt mit dem Klub war sein mediales Vorgehen nicht. "Der FC Bayern missbilligt die nun erfolgte einseitige Kommunikation durch Hansi Flick und wird die Gespräche wie vereinbart nach dem Spiel in Mainz fortsetzen", teilte der Verein am Sonntagnachmittag mit.
Dass Flick die Chefetage auf eigene Faust überrumpelte, wirft weitere Fragen auf. In jedem Fall heißt es nun bald Ende statt Ära beim FC Bayern, denn zwingen können die Münchner den Trainer kaum, seinen Vertrag zu erfüllen. Verlieren könnten sie zudem noch Flicks Assistenten Miroslav Klose. Dessen Vertrag läuft im Sommer ohnehin aus, und schon länger gibt es zwischen dem Weltmeister von 2014 und Salihamidzic Reibereien. "Für mich persönlich ist das überhaupt kein Problem, dass der Verein noch nicht mit mir gesprochen hat. Was mich wirklich nachdenklich macht, ist aber wie hier gerade miteinander kommuniziert wird", sagte Klose.
Das Publikum fragt sich derweil, wie es überhaupt zu dem dem völlig aus dem Ruder laufenden Hauskrach kommen konnte beim deutschen Branchenführer. Zumal nach dem erfolgreichsten Jahr der Vereinsgeschichte mit dem zweiten Triple nach 2013 und insgesamt sechs Titeln.
Flicks Vorstoß in Wolfsburg kam inhaltlich nicht mehr überraschend, nur zeitlich. Seinen Wunsch auszusteigen legte spätestens sein mehr als vierminütiger Monolog am vergangenen Dienstag nahe, als er nach dem Viertelfinal-Aus in der Champions League bei Paris Saint-Germain über die Unterstützung seiner Familie bei jedweder Entscheidung gesprochen hatte. Erwähnt hatte er dabei auch erstmals seine mögliche Nachfolge von Bundestrainer Joachim Löw nach der EM im Sommer. Dass er seine Entscheidung nun der Mannschaft und dann der Öffentlichkeit mitteilte, begründete er vielsagend mit dem "Flurfunk" beim FC Bayern.
Es ist ein Schnitt, der vielerorts Wunden hinterlässt. Öffentlich als besonders beschädigt gilt Salihamidzic, mit dem Flick fast während seiner gesamten Amtszeit seit November 2019 um Kompetenzen und Kaderfragen gerungen hat. Zuletzt war der Disput immer mehr eskaliert. Beigetragen hatte dazu der Umgang mit Innenverteidiger Jérôme Boateng, bei Flick ein unangefochtener Stammspieler. Gegen dessen Rückkehr in die Nationalelf sprach sich zunächst Ehrenpräsident Hoeneß, zugleich Mentor von Salihamidzic, öffentlich aus. Der Sportvorstand soll Boateng zudem nur wenige Stunden vorm Hinspiel gegen Paris mitgeteilt haben, dass man sich von ihm im Sommer trennen werde. Direkt vorm Anpfiff machte Salihamidzic die Entscheidung öffentlich, was ihm auch intern Kritik eingebracht haben soll. Beschädigt ist zudem der Verein, weil dieser den Konflikt von Flick und Salihamidzic nicht eindämmen konnte. Allerdings hat auch Flicks Ruf in den ganzen Turbulenzen gelitten. Der freiwerdende Job als Bundestrainer reizt ihn so sehr, dass ihm der Disput als vermeintlicher Hauptgrund für seinen Trennungswunsch womöglich ganz recht kommt. "Ich lass mir im Moment erstmal alles offen, weil es da auch noch keine Gespräche gab", sagte Flick über eine Rückkehr zum DFB. Spekuliert wird bereits, dass Klose dort als sein Assistent fungieren könne. Flick, Löws Co zwischen 2006 und 2014, gilt als Wunschkandidat des DFB. Mit dessen Direktor Oliver Bierhoff ist Flick freundschaftlich verbunden.
Spannend wird zu beobachten sein, wie sie beim FC Bayern auf Flicks Wunsch reagieren. Der Trainer ahnt, dass ein harter Poker bevorstehen könnte. Doch das hinderte ihn auch schon als DFB-Sportdirektor nicht, vorzeitig hinzuschmeißen. Als er danach Geschäftsführer Sport bei der TSG Hoffenheim war, trennte man sich ebenfalls wegen Kompetenzfragen vorzeitig, nach nur acht Monaten. In München gilt derweil als fraglich, ob Flicks erster Nachfolgekandidat Julian Nagelsmann überhaupt mit einer hohen Ablösesumme von RB Leipzig loszueisen wäre. Es könnte ein sehr spannender Sommer werden.
Update: Sonntag, 18. April 2021, 21.43 Uhr
Hansi Flick will München verlassen
München. (dpa) Trainer Hansi Flick will den FC Bayern München zum Saisonende verlassen. Das kündigte der Coach des deutschen Rekordmeisters am Samstag nach dem 3:2 (3:1) in der Fußball-Bundesliga beim VfL Wolfsburg an. "Ich habe dem Verein gesagt, dass ich am Ende der Saison den Vertrag auflösen möchte", sagte Flick dem NDR. "Ich habe nur den Wunsch geäußert. Denn ich weiß auch, dass ich noch einen Vertrag habe. Mir war wichtig, dass die Mannschaft das von mir erfährt, denn es ging schon einiges an Flurfunk herum", sagte Flick auf der Pressekonferenz. Der 56-Jährige hat beim FC Bayern noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2023.
Er gilt als aussichtsreicher Kandidat auf die Nachfolge von Joachim Löw als Bundestrainer. Die Zukunft sei "überhaupt nicht klar", sagte Flick am Samstag bei Sky. Es habe noch kein Gespräch gegeben, was die deutsche Nationalmannschaft betrifft. "Natürlich ist der DFB eine Option, die jeder Trainer überlegen muss", sagte Flick.
Zuletzt hatte er nach dem Viertelfinal-Aus in der Champions League gegen Paris Saint-Germain lange über seine Zukunft gesprochen und sich überraschend auch zu den Debatten um den Bundestrainer-Posten geäußert. Die Bayern hatten aber immer wieder signalisiert, dass sie Flick eigentlich nicht ziehen lassen wollen.
"Mir war es wichtig, dass die Mannschaft das von mir erfährt. Ich bin begeistert von dieser Mannschaft und diesem Team. Danke und Kompliment an den Verein, dass es für mich die Gelegenheit gab, so eine Mannschaft zu trainieren", sagte Flick. Über die Gründe für seinen Wechselwunsch sagte er: "Das sind Dinge, die ich intern mit dem Verein besprochen habe." Vor allem mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic hatte es in dieser Saison wiederholt Differenzen gegeben.