Weinheim/Ramat Gan: "Die Menschen sind fix und fertig"
Von Philipp Weber
Weinheim. Würde man den Namen von Weinheims Schwesterstadt in Israel ins Deutsche übersetzen, hieße sie "Gartenhöhe". Doch aktuell ist Ramat Gan kein Idyll, sondern ein Ort des Leids. Die Partnerstadt in unmittelbarer Nachbarschaft der Metropole Tel Aviv wird derzeit von Raketenangriffen der radikalislamischen Terrororganisation Hamas heimgesucht. Eines der Geschosse hat am Samstag den Raketenschutzschild der israelischen Armee durchbrochen und ist in einem bewohnten Gebiet explodiert. Für einen dort lebenden Mann kam jede Hilfe zu spät.
Albrecht Lohrbächer, ehemaliger evangelischer Schuldekan sowie Gründungsmitglied und Vorstand des Freundeskreises Weinheim-Ramat Gan, steht mit Bewohnern der israelischen Stadt in Kontakt. Ihm wurde berichtet, dass es sich bei dem Todesopfer um einen 55 Jahre alten Mann handle. Dieser habe als Alleinstehender in einem kleinen Apartment gewohnt. Nach Angaben israelischer Medien hatte er eine Behinderung. Als der Raketen-Alarm losging, habe es der 55-Jährige nicht mehr in den Schutzraum geschafft. Einsatzkräfte fanden ihn leblos am Boden liegend. Wiederbelebungsversuche scheiterten. "Die Menschen in Ramat Gan sind mittlerweile fix und fertig", fasst Lohrbächer die Stimmung vor Ort zusammen.
Für ihn zählen jetzt keine wohlfeilen Ratschläge zur Nahostpolitik, sondern die unbedingte Solidarität mit den Menschen in der Schwesterstadt – und mit Mitbürgern jüdischen Glaubens hierzulande. So sprach Lohrbächer am Sonntagnachmittag zu über 200 Demonstranten, die im Ehrenhof des Mannheimer Schlosses gegen Antisemitismus und Hass protestierten.
"Die Sicherheit Israels ist Teil unserer Grundüberzeugung"
In Bezug auf Ramat Gan tritt Lohrbächer entschieden dafür ein, die Leiden der dortigen Zivilbevölkerung vorbehaltlos anzuerkennen. Einer seiner Kontaktpersonen vor Ort ist Moshe Meron. Der 95-Jährige war Erster Bürgermeister der Stadt Ramat Gan. Er gilt bis heute als graue Eminenz der dortigen Lokalpolitik und ist einer der Architekten der 1999 vollzogenen Städte-Verschwisterung mit Weinheim. Für einen derart betagten Menschen bedeutet es eine Strapaze, mehrmals am Tag vom zweiten Stock aus in den Schutzraum fliehen zu müssen.
Die Menschen in Ramat Gan wissen das Mitgefühl ihrer Weinheimer Freunde durchaus zu schätzen: "Nach dem Raketen-Angriff am Samstag hat Hanna Tsur, die Leiterin eines gemischten Chors in Ramat Gan, kurz nach meiner Nachfrage hier angerufen", berichtet Lohrbächer. Sie hat sich für die Anteilnahme bedankt und betont, dass alle Mitglieder ihres Chores zumindest körperlich wohlauf sind: "Sie unterstrich auch, wie sehr sie sich in Ramat Gan über Anteilnahme freuen."
Wenige Stunden bevor Lohrbächer am Sonntag in Mannheim auftrat, protestierten seine Freunde vom Bündnis "Weinheim bleibt bunt" im Schlosspark für Solidarität mit Covid-Kranken, Heilenden und Pflegenden. Am Ende der Kundgebung betonte Landtagsabgeordneter Uli Sckerl, dass das bunte Weinheim an der Seite Israels steht.
"Die Sicherheit Israels ist ein Teil unserer Grundüberzeugung, so wie die Werte des Grundgesetzes", so der Abgeordnete. Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Deutschland nehme man nicht hin.