Rhein-Neckar-Kreis: Weniger mähen und neue Bäume für die Artenvielfalt
Von Paul Pflästerer
Rhein-Neckar. Seit über einem halben Jahr ist Hannah Schuler im Dienst der Artenvielfalt. Die Aufgabe der Umweltingenieurin und Biodiversitätsmanagerin des Rhein-Neckar-Kreises ist es, Naturprojekte auf den kreiseigenen Grundstücken voranzubringen, Pflegekonzepte für Bäume sowie Grünflächen zu erstellen und die Menschen für diese Themen zu sensibilisieren. Bei der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Wirtschaft in der Wieslocher Kreissporthalle war es an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Warum braucht es eigentlich eine Biodiversitätsmanagerin? Auch im Landkreis sind die Auswirkungen des Klimawandels deutlich wahrnehmbar. Viele Bäume und Pflanzen können sich den verändernden klimatischen Bedingungen nicht anpassen und sterben ab. Mit "Nachpflanzaktionen" sollen im Kreis künftig überall dort, wo abgestorbene Bäume standen, regionale und widerstandsfähige Laubbäume gesetzt werden.
"In den letzten drei Jahren sind zum Beispiel an der Martinsschule in Ladenburg einige Bäume kaputtgegangen. Diese werden im Herbst ersetzt", sagte Schuler. Absterbende Bäume und die fortschreitende Flächenversiegelung sorgen zudem dafür, dass sich der Lebensraum von Wildtieren sukzessive verringert. Gepflanzt werden sollen deshalb Bäume, die durch ihre Blüte und ihre Früchte als Nahrungsgrundlage von Insekten und Vögeln dienen. Hierbei nimmt die Teilhabe einen wichtigen Stellenwert ein: "Gemeinsam mit den Lehrern bauen die Schüler der Martinsschule ein Insektenhotel", berichtet die Biodiversitätsmanagerin.
Zum Wohl der Tiere werden in Pilotprojekten die Pflegekonzepte für Grünflächen überarbeitet. Wo früher noch rigoros zum Kahlschnitt angesetzt wurde, soll es in Zukunft wilder zugehen dürfen. Für den Pächter der Freifläche nordöstlich der GRN-Klinik in Sinsheim heißt das konkret: Beim jährlichen Mähen soll ein Streifen stehengelassen werden. Nach drei Jahren prüft Schuler, welche Auswirkungen diese Maßnahme hatte. "Weniger Mähen bedeutet mehr Habitate für Insekten und Kleinsäugetiere", fasste Schuler zusammen.
Zudem werden auch Mitarbeiter des Straßenbauamts und Hausmeister im Kreis geschult, "welche großen Effekte mit einfachen Maßnahmen erzielt werden können". Als Beispiel nannte Schuler einen Fuß- und Radweg in Ladenburg, wo am Rand lediglich ein kleiner Streifen zum Asphalt hin gemäht wird. Auch im Winter müsse nicht immer "alles gemäht und zurückgeschnitten werden". Es geht um die Sensibilisierung für ein neues "Schön", sagte Schuler. Begleitend werden Erklärtafeln aufgestellt, um Passanten zu vermitteln, dass das überhaupt nichts mit "Verwahrlosung" zu tun habe.
Michael Till (CDU) wünschte sich die Pilotprojekte auch in anderen Städten und Gemeinden des Kreises. Jochen Schwarz von den Grünen hob die große Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitwirkung an entsprechenden Projekten hervor und forderte, diese weiterhin mit einzubinden. Hinsichtlich der jährlichen Kosten für Konzeptionierung, Planung und Projekte in Höhe von 240.000 Euro sagte er:"Die notwendigen Finanzmittel sollten nicht auf Kosten des Klimaschutzhaushaltes gehen. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass man nur eines haben kann – Klimaschutz oder Artenvielfalt. Wir brauchen beides, und das dringender denn je."
Landrat Stefan Dallinger stellte klar, das Budget könne aufgestockt werden: "Das eine geht auch nicht zulasten des anderen". Andrea Schröder-Ritzrau (SPD) meinte: "25 Prozent der Arten sind vom Aussterben bedroht. Biodiversitätsprojekte im Kreis sind für uns ein Muss." Auch von FDP, Freien Wählern und der Linken gab es Lob für das Projekt.