Bauern können die Früchte ihres Protests ernten: Auf EU-Ebene werden nun endgültig Maßnahmen beschlossen, die sie entlasten sollen. Das könnte nicht nur Auswirkungen auf Bauern haben. Die EU-Staaten wollen heute endgültig weitere Lockerungen für Landwirte beschließen. Nach großen und auch gewaltsamen Bauernprotesten in mehreren europäischen Ländern hatten sich die EU-Institutionen unter anderem darauf verständigt, dass lockerere Umweltauflagen ermöglicht und kleinere Betriebe von Kontrollen befreit werden sollen. Die EU-Kommission unter Leitung von Ursula von der Leyen hatte die entsprechenden Änderungen vorgeschlagen, das EU-Parlament segnete sie vor knapp drei Wochen ab. In einem Sonderausschuss Landwirtschaft hatten sich die EU-Staaten bereits am Mittwoch für die Änderungen ausgesprochen, die Entscheidung muss jetzt nur noch auf Ministerebene abgesegnet werden, bevor die neuen Regeln in Kraft treten können. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung am Mittwoch enthalten. Die Maßnahmen sind nicht unumstritten. Zwar haben sich Politikerinnen und Politiker parteiübergreifend dafür ausgesprochen, dass Landwirte entlastet werden müssen. Denn viele Höfe in Deutschland kämpfen um ihr Überleben - zwischen den Jahren 2020 und 2023 gaben allein in Deutschland 7800 Landwirte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ihre Betriebe auf. Kritiker befürchten mit Blick auf die konkreten EU-Erleichterungen aber, dass sich diese negativ auf die Umwelt auswirken könnten. Zumindest Verbraucher werden von den neuen Regeln vermutlich zunächst wenig mitbekommen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) geht nicht davon aus, dass sich die Lebensmittelpreise groß verändern. Diese hingen vor allem von weltweiten Erntemengen ab. Sebastian Lakner, Agrarprofessor der Uni Rostock , sieht das ähnlich. Die Kosten für die Agrarrohstoffe seien oft nur ein kleiner Teil der Lebensmittelkosten. "Das heißt, selbst wenn Weizenpreise steigen würden, wäre dies im Endprodukt kaum merkbar", sagte Lakner. Weniger Umweltauflagen für Bauern Im Kern geht es bei den Änderungen etwa um die Lockerung von Umweltstandards, an die sich Bauern eigentlich halten müssen, um von den milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. Mehrere dieser Standards können künftig aufgeweicht werden, bei der Umsetzung haben die EU-Staaten aber viel Spielraum. Dabei geht es etwa darum, dass weniger Flächen für die Schonung der Böden brach liegen müssen. Die EU-Staaten sollen zudem Ausnahmen von Umweltanforderungen erlassen könne, wenn "im Falle unvorhergesehener klimatischer Bedingungen" Landwirte die Regeln nicht einhalten können. Zudem ist vorgesehen, kleine Betriebe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen zu befreien. Lakner sieht diese Änderungen als Rückschritt. Brachen seien für die Biodiversität wichtig, Empfehlungen aus der Wissenschaft seien ignoriert worden. Auch der Verzicht auf Kontrollen sei problematisch, dadurch könne man nicht damit rechnen, dass Umweltregeln eingehalten würden. "Mit diesen Änderungen verliert die EU-Kommission jede umweltpolitische Glaubwürdigkeit", sagte Lakner. Der Deutsche Bauernverband (DBV) teilte mit, dass Landwirte auch unabhängig von der EU-Agrarpolitik zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft stünden. Der Verband dringt darauf, dass Deutschland seine nationalen Regeln ändert, damit sich umweltfreundliche Maßnahmen von Landwirten - dazu zählen etwa Blühstreifen für Bienen und andere Tiere - mehr lohnen. Auch die FDP-Agrarpolitikerin Carina Conrad pocht auf bessere Anreize für Landwirte. "Effiziente Umweltpolitik funktioniert nicht durch pauschale Flächenstilllegung", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Die Bundesregierung hatte den Lockerungen auf EU-Ebene wegen Bedenken mit Blick auf den Umweltschutz nicht zugestimmt. "Nach der regierungsinternen Diskussion, hat sich Deutschland letztlich enthalten, weil die Vorschläge der EU-Kommission eine pauschale Absenkung der Schutzstandards bedeuten", teilte das von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Bauernvertreter: Dringend benötigte Erleichterung "Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeuten die beschlossenen Änderungen in erster Linie eine dringend erforderliche erste Erleichterung", teilte DBV-Präsident Joachim Ruckwied mit. Die Bundesregierung sei nun gefordert, den EU-Vorschlag eins zu eins umzusetzen. Weitere Entlastungen müssten von einer neuen EU-Kommission jedoch konsequent fortgesetzt werden. Im Sommer wird nach der EU-Wahl auch die EU-Kommission neu besetzt. Conrad spricht von einem "direkten ökonomischen Vorteil", den Betriebe hätten, wenn sie künftig weniger Flächen brach liegen lassen müssten. Lakner rechnet mit geringfügigen Erleichterungen für Betriebe. "An den Hauptursachen von Bürokratie in der Landwirtschaft, nämlich den Melde- und Dokumentationspflichten in der Tierhaltung, ändert sich dagegen nichts", sagte er der dpa. Umweltprobleme verschwänden durch die Erleichterungen nicht, sodass damit zu rechnen sei, dass ähnliche oder strengere Umweltregeln kurz- oder mittelfristig zurückkommen würden.
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