ARD, ZDF und Co. haben so viel Geld eingenommen wie nie zuvor. Astronomische Summen geistern durch die Medien. Bei der Aufregung gibt es jedoch ein Problem. Da ist sie wieder: die Grundsatzdiskussion. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört abgeschafft" ist seit Dienstagmittag vielerorts zu hören. Hintergrund ist ein Bericht des Beitragsservice. Im Kern liefert dieser zwei Botschaften: Die Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag sind im vergangenen Jahr erneut gestiegen – und ebendiese 9,02 Milliarden Euro in Summe sind ein neuer Rekordwert. Da schrillen sofort die Alarmglocken. ARD und ZDF in Kombination mit neun Milliarden Euro: Das ist ein gefundenes Fressen für die üblichen Verdächtigen unter den Kritikern des Systems. Dabei geraten allerdings mehrere Ebenen durcheinander, die den Blick auf das Wesentliche – den dringend nötigen Reformbedarf bei den Öffentlich-Rechtlichen – trüben. Denn die Meldung taugt nicht zum Draufhauen, im Gegenteil: Die Mehreinnahmen für den ÖRR sind eher ein Grund zum Aufatmen. 900.000 mehr Zahler machen 405 Millionen Euro Überschuss Aber dafür bedarf es eines ausgeruhten Blicks auf die Fakten: In Deutschland zahlen Haushalte, Organisationen und Firmen den Rundfunkbeitrag. Er liegt bei monatlich 18,36 Euro. Ein bundesweiter Meldedatenabgleich hat nun ermittelt, dass die Zahl der gemeldeten Wohnungen um gut 900.000 auf insgesamt 40,7 Millionen angestiegen ist. Das ist der Grund für den Anstieg um 5,3 Prozent der Einnahmen: 900.000 Haushalte mehr als 2022 zahlten die 18,36 Euro – und deshalb regnete es für ARD, ZDF und Co. eine Rekordsumme. Das kann man unverhältnismäßig finden. Man kann es sogar unanständig finden, wenn man überzeugt ist, der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehöre reformiert (oder gar abgeschafft, siehe oben). Die neun Milliarden Euro liefern dafür den Trigger, der den Aufschrei auslöst. Zumal die Höhe des Rundfunkbeitrags und ganz allgemein die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aktuell intensiver denn je diskutiert wird. In solch einer hitzigen Gemengelage ist die Neun-Milliarden-Rekordsumme der Funke, der die Stimmung explodieren lässt. Was dabei vergessen wird: Die Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag dürfen ARD und ZDF gar nicht ausgeben. Die rund 405 Millionen Euro Überschuss waren nicht Teil des Finanzierungsplans für 2023, sie sind nun mehr oder weniger überraschend als Bonus hinzugekommen – und sie sind das dringend nötige Geld, das die Anstalten für ihre Rücklagen brauchen. Die Millionen werden also zurückgelegt und die Tatsache, dass immer mehr Haushalte den Rundfunk finanzieren, könnte dazu führen, dass der Beitrag in Zukunft weniger steigt. Doch diese Lesart war in den vergangenen Tagen kaum zu finden. Stattdessen der Tenor: Diese raffgierigen ÖRR-Fuzzis bekommen einfach nicht genug. Die Erhöhung auf 18,94 ist der eigentliche Aufreger Womit wir beim eigentlichen Grund der Empörung angelangt sind: der monatlichen Belastung jedes Einzelnen. Für die Beitragszahler dürfte es am Ende zweitrangig sein, ob der Geldspeicher der Öffentlich-Rechtlichen nun 8,57 Milliarden Euro wie 2022 oder 9,02 Milliarden Euro wie 2023 umfasst. Sie interessiert nur, wie viel monatlich von ihrem Konto abgebucht wird – und wenn das immer mehr wird, schwindet die Akzeptanz. Deshalb kommentierte t-online zum Beschluss der jüngsten Beitragserhöhung im Februar 2024 bereits: "Ein letzter Warnschuss – für Rundfunk und Politik" . Denn die rechnerischen Winkelzüge und das Kleingedruckte am Grund des gigantischen Geldspeichers interessieren am Ende wenig, wenn immer nur hängen bleibt: ARD und ZDF brauchen mehr Geld. Dass es so nicht weitergehen kann, ist schon ermüdend oft beschrieben worden. Ländervergleiche wurden gezogen, in denen das deutsche Rundfunksystem mit seinen Milliardensummen ganz oben rangiert, Reformvorschläge mit Einsparungspotenzialen bei der Vielzahl an Rundfunkangeboten wurden zuhauf formuliert. Der Zweck heiligt die Mittel, das kann für den ÖRR kein gangbarer Weg sein. Selbstverständlich brauchen wir erstklassige, unabhängige Programmangebote von ARD, ZDF und Co. Aber für diesen Zweck können nicht in jeder Beitragsperiode wieder die Finanzmittel in die Höhe geschraubt werden – Inflation hin oder her. Wohin soll das führen, wenn doch die Menschen in diesem Land angesichts der Krisen dieser Welt ohnehin jeden Euro dreimal umdrehen müssen? Die Rundfunkanstalten müssen dringend ihre Kosten in den Griff bekommen. Die schwindelerregenden Summen, die für Pensionen ehemaliger Beschäftigter draufgehen, reißen Jahr für Jahr größere Löcher in die Budgets der Sender. Allein beim Bayerischen Rundfunk (BR) liegen die Rückstellungen für Pensionen mittlerweile bei knapp 1,7 Milliarden Euro. Wie soll da noch Geld für gutes Programm übrig bleiben? Die Politik ist am Zug Der Etat für ARD und ZDF wird von einer unabhängigen Kommission festgelegt. Zuletzt errechnete diese, dass der Rundfunkbeitrag ab 2025 auf monatlich 18,94 Euro steigen müsse, damit die Anstalten ihren Auftrag erfüllen können. "Nur" 18,94 Euro, weil in diese Berechnung unter anderem schon die nun öffentlich gewordenen Mehreinnahmen von rund 405 Millionen Euro aus dem Jahr 2023 einfließen konnten. Wer den Beitragsteufelskreis des dauerhaften Anstiegs durchbrechen will, darf nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschimpfen, er muss an die Politik appellieren. Denn diese formuliert den Auftrag für ARD und ZDF – und genau daran richtet sich der Finanzbedarf aus. Der Blick zurück auf eine Rekordsumme im Jahr 2023 verschleiert also die Sicht auf das, worum es eigentlich geht: eine klar ausgearbeitete Zukunftsvision eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich ohne teuren Schnickschnack auf seinen Wesenskern konzentriert, den Grundversorgungsauftrag. Teilen Sie Ihre Meinung Wie bewerten Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de . Bitte nutzen Sie den Betreff "ÖRR" und begründen Sie.