Gehrig-Twins Blog – Stone King Rally: Aller guten Dinge sind drei – der große Rennbericht
Die dritte und letzte Stone King Rally ist bereits Geschichte und hat auch in diesem Jahr Enduro-Fans aus aller Welt begeistert. Über sechs Tage hinweg führten herausfordernde Trails durch die beeindruckende Landschaft der Alpen und des Apennin-Gebirges, von Frankreich bis nach Italien. Ob Adrenalin pur auf den rasanten Abfahrten oder die emotionale Herausforderung der täglichen Etappen – hier erfahrt ihr alles über die Stone King Rally 2024. Viel Spaß beim Lesen!
Tag 1: Arvieux – Pontechianale
51,8 km / 980 hm up/ 3660 hm down – Text von Anita
Heute geht es los! Wir starten bei bestem Wetter in Arvieux, Frankreich, inmitten des Queyras Nationalparks. Die erste Abfahrt können wir wegen des vielen übrig gebliebenen Schnees nicht racen. Dennoch werden wir zum Auftakt auf den Col d’Izoard geshuttelt, wo wir mit einem bombastischen ersten Trail zum Einfahren ohne Timing beglückt werden. Flow pur!
Mein Ziel für den Tag: ohne Stress in den Racemode zu finden und anzukommen. Letztes Jahr hatte ich mich schon am ersten Tag hart auf die Schnauze gelegt, das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Die zweite Abfahrt ist auch schon die längste des Tages und führt uns über einen alpinen, offenen Trail, der noch einige Schneefelder hat. Highspeed geht es über 600 Höhenmeter ins Tal. Unsere Route führt uns heute schon nach Italien über den Col d’Agnel, welcher bis vor ein paar Tagen noch wegen Schnee geschlossen war, welch Glück, wurde gerade rechtzeitig geöffnet. Das Wetter schlägt um und die letzte Abfahrt bringen wir in dickem Nebel hinter uns. Der Trail ist kein Juwel doch der einzige Weg in dieses Tal, mit triefend nassen Schuhen kommen wir in Pontechianale ein, die viel zuvor bewältigten Bachübergänge lassen grüßen. Der erste Tag ist schon geschafft und Caro steht zuoberst im Klassement.
Tag 2: Pontechianale – Prazzo
56,3 km / 1200 hm up / 3980 hm down – Text von Caro
Pontechianale geht als das regenreichste Camp in der Stone King Rally Geschichte ein. In keinem anderen Camp habe ich die Sonne so wenig gesehen wie in Pontechianale. Ich bin gespannt, was für Stages uns an diesem Tag erwarten. Normalerweise brilliere ich in dieser Region nicht zu sehr und mein Ziel für den Tag ist es, möglichst nicht zu viel einzukassieren. Die erste Abfahrt nimmt mir aber die Angst und ich kann es auf der langen, steilen Waldabfahrt schon richtig laufen lassen. Beim Start der nächsten Abfahrt, die auf einer Ridgeline startet, habe ich ein richtiges Grinsen im Gesicht. Was für eine Abfahrt!
Richtig schnell wird Richtung Tal gedonnert, für Steinfelder, die man noch nie zuvor im Leben gesehen hat, wird kaum abgebremst, der Blick ist schon bei der nächsten Kurve, wo ich innerhalb von Bruchteilen entscheiden muss, welche Linie gefahren wird. Puh, dieses „Blindracing“ fordert einem einiges ab, aber das Schöne dabei ist, dass ich mich nicht an Linien erinnern muss, welche ich fahren sollte, sondern jede Passage neu ist und ich im Moment entscheiden muss, was wohl am besten ist.
Die letzten beiden Stages sind ein Fund von Ash. Er hatte auf einer Karte gesehen, dass es in einer Gegend alte Hausruinen gibt, jedoch keinen offiziellen Weg, der dahin führt. Das konnte er nicht glauben und hat mit viel Glück und Handarbeit ermöglicht, einen jahrhundertealten Trail wieder freizulegen und für die Menschen zugänglich zu machen. Das ist der Stone King Rally Spirit! Ein Blick auf die Resultattafel zeigt mir, dass ich zwar die Tagesschnellste war, Tanja Naber mir aber immer noch dicht auf den Fersen liegt. Nicht mal 2 Sekunden trennen uns nach zwei Tagen racen.
Tag 3: Prazzo – Demonte
45 km / 1370 hm up/ 3820 hm down (verkürzt) – Text von Anita
Auf diesen Tag hatte ich mich besonders gefreut, denn das Val Maira hat Wahnsinns-Singletrails und Aussichten zu bieten. Doch der Regen prasselt schon beim Frühstück um 7:00 Uhr auf die Zeltstadt. Wir hoffen auf einen Wetterumschwung, damit wir dennoch ins Gebirge können. Wegen Sicherheitsbedenken wird daraus jedoch leider nichts. Es bleibt nichts anderes übrig, als uns auf dem Talweg mit Shuttle nach Demonte/Vinadio aufzumachen. Dort sieht es gar nicht mehr so garstig aus und wir racen zwei Abfahrten, davon eine zweimal.
Eine schöne Rutschpartie hat sich aus dem Dauerregen ergeben, doch ich habe echt Spaß im Schlamm. Die Trails in Vinadio sind mit viel Liebe vom lokalen Bikeclub gebaut worden und ebendieser steht an den Strecken und macht ordentlich Stimmung. Das Dorf hat für uns einen Empfang im eindrücklichen Fort vorbereitet und trotz der nassen Füße nippen wir genüsslich an unserem Aperol Spritz. Auf dem Resultatblatt finde ich mich auf Platz zwei, Caro hat mir aber schon wieder 20 Sekunden abgeknöpft. Im Overall habe ich fast eine Minute Rückstand auf Caro und liege nur auf Platz 4.
Tag 4: Demonte – Tende
39,8 km / 730 hm up / 2890 hm down – Text von Caro
Wie jeden Morgen bei der Stone King Rally weckt mich mein Wecker um 6:15 Uhr. Die Halsschmerzen, welche sich am Vortag schon bemerkbar machten, sind stärker geworden. Kein Wunder bei dem Wetter und ständig in nassen Kleidern rumhocken. Ich habe ein Halswehspray dabei und gönne mir ein Neocitran zum Frühstück, dann kommt das schon wieder! Die Vorfreude auf den Tag ist nicht nur deswegen etwas getrübt, nein, zu allem dazu regnet es bereits am Morgen in Strömen. Die erste Stage des Tages wird mit ihren zahlreichen engen und steilen Wiesenswitchbacks zur absoluten Rutschpartie und konzentriertes, kalkuliertes Fahren ist ein Muss.
Zum Glück lege ich mich nur fast in die Botanik und bleibe auf dem Rad! Im Dorf unten an der Stage angekommen, gönnt man sich normalerweise das erste Gelato um 9 Uhr, heute ist Gelato aber nicht so hoch im Kurs. Ich setze auf Brioche, Tee, Kaffee und einen Gang in die Apotheke, um mir noch ein paar Ibuprofen und Halstabletten zu holen. Bei den folgenden Stages gelangen wir in richtig cooles Gelände, Singletrails von der feinsten Sorte, mit einem immer französischer werdenden Flair, desto näher wir nach Tende ins Dorf gelangen.
Dort angekommen, ist nicht mehr so gut Kirschen essen mit mir. Ich merke, wie meine Körpertemperatur immer höher wird und lege mich in der Hoffnung auf Besserung mit sehr viel Ibuprofen und allerhand sonstigen Pülverchen ganz früh in mein Zelt. Ich konnte heute zwar nicht mit dem Tagessieg brillieren, jedoch bin ich immer noch in Führung des Overalls mit mehr als 30 Sekunden Vorsprung.
Tag 5: Tende – Molini di Triora
52 km / 1630 hm up / 3940 hm down – Text von Anita
Ich blinzle aus meinem Zelt und bin hocherfreut, dass mir die Sonne entgegenlacht. Heute steht ein langer Tag auf dem Bike an. Wir starten mit einer kurzen Etappe, die uns erst über einen flowigen Balkontrail und weiter unten mit vielen Switchbacks zurück zum Camp führt. Am Start wird gewitzelt und Doktor Brice meint als Briefing: ganz einfacher Trail, liegt nichts im Weg. Seine Aussage stimmt nur teilweise, mit der Feuchtigkeit ist es recht unberechenbar und für 8 Uhr ganz schön schnell.
Nun geht es zum längsten Uphill des Tages, 1.000 hm am Stück; für die meisten zu steil zum Fahren und wir schieben gemütlich den Berg hoch. Oben angekommen, fühle ich mich echt fit. Die letzte Stage auf französischem Boden ist für mich der Inbegriff eines „Provence Trails“: zuerst im Wald, schnell und viele Spitzkehren und weiter unten steinig und mit einigen technischen Herausforderungen, bei denen es gilt, blitzschnelle Entscheidungen zu treffen. Wow, was für ein Trail, ich fühle mich endlich so richtig angekommen – genau mein Ding!
Der folgende lange Shuttle über einen Pass ist eine willkommene Verschnaufpause für uns, nicht aber für die Shuttle-Fahrer. Die ewig lange Kiesstraße, praktisch ohne Ausweichmöglichkeit, verlangt volle Konzentration. Eine echt krasse Logistik, die hinter so einem Event steht.
Nun sind wir direkt an der Grenze nach Italien, über einen langen holprigen Trail gelangen wir zum Refugio Avellana hoch über Molini. Als nächste Stage steht Belenda an, die vielen kurzen Anstiege darin schenken richtig ein. Caro ist richtig am Leiden, das Fieber von gestern und die hohe Belastung von heute sind eine schlechte Kombination. Ich versuche, sie etwas aufzubauen, doch sie hockt gerade echt im Loch. Die letzte Abfahrt des Tages ist wohl die Krönung der Stone King Rally 2024 – Rocca di Mea!
Wir starten auf einem Bergkamm, highspeed und alpin geht der Trail über in den Wald, wo höchste Konzentration gefordert ist. Zeitweise ist der Trail gerade so breit wie ein Blatt Papier, die Geschwindigkeit, die ich drauf habe, ist eigentlich viel zu hoch. Ich attackiere, wo ich kann, und bin im Ziel angekommen absolut geflasht. Noch besser macht es der Tagesabschluss im Dorf von Molini – bei Spritz, Pizza und Sonnenschein werden Geschichten ausgetauscht. Den Tag konnte ich mit über 20 Sekunden Vorsprung gewinnen und liege nun an zweiter Stelle hinter Caro mit 44 Sekunden Rückstand im Overall.
Tag 6: Molini di Triora – Bordighera
31,8 km / 380 hm up / 2790 hm down – Text von Caro
Ein letztes Mal schäle ich mich morgens viel zu früh für mein Befinden aus dem Zelt. Der letzte Renntag der Stone King Rally steht an! Mein körperliches Befinden hat sich seit Tag 4 in Tende zum Glück etwas verbessert, so richtig bäumig fühle ich mich aber noch immer nicht. Mein Ziel des Tages ist es, meinen Lead von 44 Sekunden irgendwie bis zum Ziel am Meer zu bringen! Anita ist über die letzten Tage immer schneller geworden und rückt immer näher auf.
Wenn es etwas gibt, was ihr besonders liegt, sind es steinige, technische Trails, genauso wie sie heute auf dem Tagesprogramm stehen. Vor allem die zweite und längste Stage des Tages wird darüber entscheiden, wer als Siegerin der Rally hervorgehen wird. Ich fahre die Stage eher zurückhaltend, aber ohne massive Fehler. Ein großer Stein fällt mir vom Herzen, denn auf dieser Stage hätte ich es mir ziemlich gut verspielen können.
Wie mir Sven Martin vorgerechnet hat, habe ich pro Stage 10 Sekunden zum „Verschenken“, um meinen Lead zu halten. Auf den letzten beiden Stages lasse ich nichts mehr anbrennen und fahre sauber und zielstrebig Richtung Meer. Da Anita einen super Tag auf dem Bike hatte und sich ziemlich sicher war, dass sie viel Zeit auf mich aufgeholt hatte, bin ich mir der Sache plötzlich nicht mehr ganz so sicher. Die Auslesung des Timing-Chips wird die Wahrheit sprechen. Das Resultatblatt hat klar gezeigt, dass mein Vorsprung über den Tag so richtig schön dahingeschmolzen ist – 5 Sekunden waren es am Ende, mit denen ich das 6 Tage dauernde Rennen gewinnen konnte.
Eine Zwillingsschwester zu haben, die einem das Leben schwer macht, ist schon nicht immer einfach, haha!
Endergebnisse
Frauen
- Carolin Gehrig
- Anita Gehrig
- Amy Morrison
- Tanja Naber
- Sophie Riva
Männer
- Marco Osborne
- Romain Paulhan
- Glen Macarthur
- Innes Graham
- John Richardson
Seid ihr schon einmal die Stone King Rallye oder Trans Provence mitgefahren?