Verbrenner-Aus ab 2035 – mit einem Schlupfloch: Laut Regelung soll der Einsatz sogenannter E-Fuels überprüft werden. Sind sie eine Alternative? Die EU hat sich darauf geeinigt, dass die sogenannten Flottengrenzwerte für Autos bis 2035 auf null sinken sollen. Diese Werte geben Autoherstellern vor, wie viel CO2 ihre produzierten Fahrzeuge im Betrieb ausstoßen dürfen. Neue Benzin- und Diesel-Autos, die Klimagase ausstoßen, dürfen also ab 2035 nicht mehr verkauft werden. Ursula von der Leyen verspricht, im Fall ihrer Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels zu unternehmen. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten, heißt es in den politischen Leitlinien der CDU-Politikerin für die kommenden fünf Jahre. Was Sie über E-Fuels wissen müssen. Was sind E-Fuels Eine Weile schon schöpfen Traditionalisten in Sachen Antrieb Hoffnung, dass der Verbrennungsmotor doch noch als Sieger aus dem Wettbewerb der Konzepte hervorgehen könnte. Das Zauberwort heißt "E-Fuels". Das sind synthetische Treibstoffe, die mithilfe von Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid produziert werden können. Können normale Benziner und Diesel E-Fuels tanken? Eine von der ADAC-Stiftung geförderte Studie der Technischen Universität Darmstadt hat ergeben, dass herkömmliche Autos und Motorräder mit Verbrennungsmotoren fossilfreien Kraftstoff tanken können, ohne dass die Motoren oder deren Software angepasst werden müssten. Untersucht wurde der Kraftstoff Eco100Pro, der als 100 Prozent nicht-fossil zertifiziert ist. Die Wissenschaftler kamen am Motorenprüfstand, auf der Rennstrecke beim ADAC XC Cup wie auch bei ihrer Testreihe mit einem Serienauto im Straßenverkehr zum selben Ergebnis: "Keine Einbußen bei Leistung und Drehmoment gegenüber dem Superbenzin von der Tankstelle. Kein höherer Kraftstoffverbrauch. Keine technische Gefahr für den Verbrennungsmotor", heißt es. Argumente für E-Fuels Da bei ihrer Verbrennung nur das CO2 freigesetzt wird, das bei der Produktion aus der Atmosphäre entnommen wird, sind sie weitgehend klimaneutral. Ein weiteres Argument für E-Fuels: Bestehende Transportwege und Tankstellen lassen sich weiter nutzen. Auch Autohersteller und Zulieferer könnten ihre in vielen Jahrzehnten aufgebaute Expertise in Sachen Verbrennungsmotor weiter nutzen und verfeinern. "Grausige Energiebilanz" – Argumente gegen E-Fuels Jedoch: "Die Energiebilanz von E-Fuels ist grausig", sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer , Leiter des Duisburger Instituts "Center Automotive Research" zu t-online. Das liegt daran, dass die synthetischen Treibstoffe das Ergebnis eines mehrfachen Umwandlungsprozesses sind: Zunächst wird dabei mithilfe von Elektrizität Wasserstoff erzeugt (der mithilfe einer Brennstoffzelle auch Autos antreiben könnte). Dieser Wasserstoff wird dann in einem weiteren Arbeitsgang in synthetisches Benzin oder synthetischen Diesel verwandelt – und diese Treibstoffe werden dann am Ende in einem Verbrennungsmotor in Vortrieb umgewandelt. Strom steckt in der Produktion statt im Auto Bei jedem dieser Schritte entstehen Verluste, sodass bei der Verwendung von E-Fuels nur noch 10 bis 15 Prozent der aufgewendeten Energie für die Fortbewegung genutzt werden können. Der Rest verschwindet im Produktionsprozess. Würde man den Strom direkt in einem E-Auto verfahren, statt ihn in die Produktion von E-Fuels zu stecken, so würde man etwa fünfmal so viele Kilometer schaffen. Für Dudenhöffer ist dieser Unterschied so gravierend, dass der Aufbau einer E-Auto-Infrastruktur auf Dauer ökologischer und wirtschaftlicher wäre als E-Fuels und Verbrennungsmotoren. Eine aktuelle Studie lässt ebenfalls den Schluss zu, dass E-Fuels kaum klimafreundlicher sind als Verbrenner . Wie hoch sind die CO2-Emissionen? Über ihre gesamte Lebensdauer betrachtet, führen mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge im Vergleich zu herkömmlichen Benzin- oder Dieselfahrzeugen nur zu minimalen Einsparungen an CO2-Emissionen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die von der Expertenrunde "Transport and Environment" (T&E) im Sommer 2022 veröffentlicht wurde. In der Studie wurden die Emissionen eines kompletten Lebenszyklus von Autos berechnet, die im Jahr 2030 gekauft werden, inklusive Herstellung und Betrieb. Die Emissionen würden im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen nur um fünf Prozent sinken. Der ADAC hingegen hat nur die Emissionen von E-Fuels an sich berechnet. Er geht von mindestens 77 Prozent weniger CO2-Emissionen aus, die bei der Herstellung und dem Transport des Treibstoffs anfallen. "Wird weitgehend erneuerbare Energie für die Produktion eingesetzt, werden die CO2-Emissionen sogar um bis zu 92 Prozent reduziert", teilte die ADAC-Stiftung mit. Skeptiker merken jedoch an, dass man den grünen Wind-, Solar- oder Biostrom zur H2-Gewinnung für viele andere Zwecke der Energiewende braucht. Was ist sauberer: E-Autos oder E-Fuels? Ein Elektrofahrzeug, das nur mit einer Batterie und Elektromotoren angetrieben wird, würde über seinen Lebenszyklus 78 Prozent weniger Emissionen verursachen als ein Verbrenner, heißt es in der T&E-Studie. Berechnungsgrundlage für den CO2-Abdruck bei Herstellung und Betrieb der Batterieautos war der durchschnittlichen EU-Strommix, der für 2030 vorhergesagt wird. Auch ein Fahrzeug, das mit reinem E-Fuel betrieben wird, der mit erneuerbarem Strom hergestellt wird, würde über seinen Lebenszyklus mehr emittieren als das Elektroauto , zeigt die Analyse. Ein Elektrofahrzeug wäre 53 Prozent sauberer als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen. Dies sei vor allem auf Verluste in der E-Fuel-Herstellung und den ineffizienten Verbrennungsmotor zurückzuführen. Zudem seien E-Autos effizienter: Ein batterieelektrischer Volkswagen ID.3 kommt der Analyse zufolge mit derselben Menge erneuerbarer Energie fünfmal weiter als ein VW Golf, der mit E-Fuel betrieben wird. Ein BMW i4 könnte den Berechnungen zufolge sechsmal weiter fahren als ein 4er-BMW mit Verbrennungsmotor. Neue Produktionsanlagen für E-Fuels Bei Porsche sieht man die Sache differenzierter. Gerade hat man in Chile eine Produktionsanlage für E-Fuels eröffnet. In der Pilotphase ist eine E-Fuels-Produktion in Chile von rund 130.000 Litern pro Jahr vorgesehen. Bis Mitte des Jahrzehnts soll die Produktion auf voraussichtlich rund 55 Millionen Liter pro Jahr steigen. Rund zwei Jahre später soll die Kapazität 550 Millionen Liter betragen. In Baden-Württemberg soll eine der bundesweit größten Anlagen zur Produktion dieser regenerativ hergestellten, synthetischen Kraftstoffe entstehen. Das ist das Ergebnis des Projektes "reFuels – Kraftstoffe neu denken", das in Karlsruhe vorgestellt wurde. Eine Herausforderung ist auch hier der Mangel an notwendigem Strom aus umweltfreundlicher Gewinnung. Die Vorprodukte sollen der höheren Effizienz wegen in Ländern mit mehr Sonne und Wind wie Chile, Südspanien und Marokko hergestellt werden. Die eigentliche Produktion soll in heimischen Raffinerien stattfinden. T&E stellte aber fest, dass mit den von der Industrie selbst prognostizierten verfügbaren Mengen im Jahr 2035 nur fünf von dann 287 Millionen Autos in der EU vollständig mit E-Fuels betrieben werden könnten. Preis: E-Fuels als teurere Alternative? Sicher ist jedenfalls, dass der Preis eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es darum geht, ob E-Fuels zu einer Alternative für fossile Treibstoffe und Elektromobilität werden können. Auch da sind die Experten skeptisch. Peter Kasten vom Freiburger Öko-Institut etwa hat an mehreren Studien zu E-Fuels mitgearbeitet. Er geht davon aus, dass die Preise für die synthetischen Kraftstoffe dauerhaft um 25 bis 80 Prozent über denen für Benzin und Diesel aus Erdöl bleiben werden. Auch der ADAC erwähnt in seiner Auswertung, dass der hohe Preis aktuell noch den Fortschritt trübe. Gut fürs Klima, schlecht für die Staatskasse Porsche schätzt dagegen, dass E-Fuels umso schneller preislich konkurrenzfähig werden, je mehr sich konventionelle Kraftstoffe in Zukunft verteuern – zum Beispiel durch regulatorische Maßnahmen wie Energiesteuern oder CO2-Bepreisung. Allerdings würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass der Staat die synthetischen Kraftstoffe niedriger besteuern müsste als konventionelles Benzin oder konventionellen Diesel. Er müsste also auf Geld verzichten. Und: Strom zum Laden von Elektroautos dürfte wegen der Wirkungsgrad-Thematik ohnehin auf Dauer günstiger kommen, als E-Fuel zu produzieren. Vorsprung für Batterien Unter anderem VW , BMW und Ford haben für die kommenden Jahre sogenannte Feststoffbatterien angekündigt, die deutlich mehr Strom aufnehmen können und außerdem recyclingfähig und weniger brandgefährlich sein sollen. Würde es so kommen, würde es für E-Fuels als Treibstoff für Neuwagen noch schwerer werden – zumindest in Gegenden, in denen die Infrastruktur für Elektroautos existiert. Eine Existenzberechtigung könnten E-Fuels aber in Europa oder den USA trotzdem haben. Potenzial sehen die Experten da, wo Transportkapazitäten und Reichweiten so groß sein müssen, dass sie mit Akkus nicht zu erreichen sind: bei Flugzeugen, Ozeanschiffen und eventuell bei schweren Lkw. Ob dies allerdings so umgesetzt wird, ist noch ungewiss.