Olympia 2024: Wie reinigt man eigentlich einen Fluss?
Für die Olympischen Spiele 2024 musste die Stadt Paris es schaffen, ihren Fluss, die Seine, zu reinigen. Denn einige Disziplinen finden traditionell in offenen Gewässern statt. Doch wie genau reinigt man einen so großen Fluss?
Mit dem Versprechen "Saving the Seine" hat die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor sieben Jahren das Rennen um die Olympischen Spiele gewonnen und den Bürger:innen ihrer Stadt versprochen, die Seine so zu säubern, dass die Freischwimmdisziplinen darin stattfinden können. Seitdem hat die Stadt Paris über 1,4 Milliarden Euro in das Projekt investiert.
Aber wie genau reinigt man eigentlich einen so großen Fluss? Warum war die Seine überhaupt so verdreckt? Und kann ein sauberer Fluss die Lebensqualität einer Stadt bereichern?
Das Problem der Wasserverschmutzung in der Pariser Seine
Das Kanalsystem, das direkt mit der Seine verbunden ist, ist fast 250 Jahre alt. Damals lebten rund 1 Millionen Menschen in der Stadt. Heute zählt die Stadt elf mal so viele Einwohner:innen. Aufgrund des überdurchschnittlich hohen und schnellen Wachstums konnten viele Haushalte nicht an das Kanalsystem angeschlossen werden – bis heute. Zudem ist das alte Kanalsystem nicht auf die heute häufigeren Extremwetterbedingungen ausgelegt – eine zusätzliche Herausforderung für die Stadt.
"Bei starken Unwettern wurde das ganze Wasser schon immer direkt in den Fluss geleitet", erklärt Emmanuel Olivard, Chef-Kanalarbeiter in Paris, gegenüber ARD. Abwasser aus Haushalten und der Industrie wurden gemeinsam mit dem Regenwasser über das gleiche Kanalsystem abgeleitet. Die Folge: Bei starken Regenfällen war das unterirdische System schnell überfordert, was dazu führte, dass die Kanäle überliefen. Das ungeklärte Abwasser floss, inklusive Fäkalien, Chemikalien und anderen Verschmutzungen, in die Seine. So kontaminiertes Wasser birgt die Gefahr für Schwimmer, sich mit Magen-Darm-Erkrankungen, Haut- oder Atemwegsinfektionen zu infizieren.
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Das 1,4 Milliarden Euro Projekt: So wird die Seine gereinigt
Da die Freischwimmwettkämpfe der Olympischen Spiele in der Seine stattfinden sollen, musste die Stadt nun Maßnahmen ergreifen, um den Fluss zu säubern. Unter anderem betreibt sie nun mehrere Kläranlagen. Dort wird das Wasser in mehreren Schritten gereinigt: Grobe Feststoffe werden entfernt, Sand und Schlick setzen sich ab, Mikroorganismen bauen Verunreinigungen ab, und schließlich wird das Wasser desinfiziert, um Keime abzutöten.
Durch Neubauten und bei Renovierungsprojekten wurde ein modernes Kanalsystem installiert, das Regen- und Brauchwasser getrennt führt, um die Belastung der Kläranlagen zu reduzieren. Besonders wichtig war der Anschluss von Haushalten und Booten an die Kanalisation. Das soll die direkte Einleitung von Abwasser in die Seine erheblich reduzieren. Die Stadt unterstützte Hauseigentümer finanziell, um die Kosten für den Anschluss an die Kanalisation zu senken.
Das Projekt ist bahnbrechend, doch obwohl Paris bereits 1,4 Milliarden Euro für die Säuberung der Seine investiert hat, ist die Austragung der Schwimmwettkämpfe nicht gesichert. Denn die tiefergreifenden Abwasser-Probleme haben die Maßnahmen nicht gänzlich gelöst.
Sollte es zu stark regnen, und so wieder zu viel Abwasser in die Seine gelangen, könnte der olympische Wasserqualitätsstandard möglicherweise nicht mehr erfüllt werden. Beispielsweise der Triathlon würde so nicht stattfinden können, und die Athlet:innen müssten sich mit einem "Duathlon" zufriedengeben, so teilten es die Pariser Behörden mit.
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In der Isar kann man meist bedenkenlos schwimmen
Doch das Problem der Verschmutzung ist kein französisches. In Deutschland sind nur acht Prozent der Flüsse laut Umweltbehörde in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Einer dieser vermeintlich sauberen Flüsse ist die Isar, die ebenfalls durch eine Metropole fließt. In München können die Menschen bedenkenlos in dem Fluss schwimmen.Vor allem im Sommer ist die Isar einer der wichtigsten Anlaufpunkte für Münchener:innen. Sie treffen sich am Fluss, gehen schwimmen oder surfen oder lassen sich mit der leichten Strömung treiben. Allerdings hat die Isar ein ähnliches Problem, wie die Seine. Sie muss dauerhaft gereinigt werden, damit die Badenden bedenkenlos darin schwimmen können.
Hartmut Keitel ist Gründer des Vereins "Deine Isar" und kümmert sich seit Jahren um ihre Instandhaltung. Er schreibt auf seiner Website, die Isar sei mittlerweile dank moderner Klärtechniken ein sauberer Fluss, der meistens Badewasserqualität habe. Gegenüber dem stern erklärt er eine ähnliche Reinigungsmethode, wie sie nun auch bei der Seine angewandt wird. Er sagt: "Das Abwasser durchläuft Systeme, die durch UV-Licht die Kolibakterien abtöten. So kann verhindert werden, dass durch zufälliges Schlucken des Flusswassers zu Magen-Darm-Erkrankungen kommt."
Ähnlich wie bei der Seine in Paris, gibt es aber auch in München ein grundlegendes Problem: Die Sauberkeit der Isar bei starken Regenfällen zu erhalten. Hartmut Keitel erklärt: "Die Kläranlagen am Oberlauf haben nur eine begrenzte Kapazität." Wenn zu viel Wasser durch extreme Regenfälle in die Flusssysteme gelange, müsse das überschüssige Wasser an den Klär- und Säuberungssystemen vorbeigeleitet werden. Das Wasser kann demnach nicht mehr richtig gefiltert und gesäubert werden und es kann, so Keitel, zu einer Störung der Wasserqualität kommen.
In Basel schwimmt man im Rhein zur Arbeit
Ein anderes Beispiel für die positive Säuberung eines Flusses ist der Rhein. Als eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt galt der Fluss in den fünfziger Jahren als die "größte Kloake Europas". Sämtliche Behörden und Industrie versuchten verschiedene Maßnahmen in die Wege zu leiten, die zur Verbesserung der Wasserqualität beitragen sollten. Mit Erfolg. Inzwischen gelangt kaum noch ungereinigtes Abwasser in den Rhein. Eine Reihe von Überwachungsstationen überprüfen die Wasserqualität ständig.
In Basel nutzt man den sauberen Rhein besonders gerne. Mit einem sogenannten Wickelfisch (einem wasserdichten Sack) ausgestattet, schälen sich unter anderem Geschäftsmänner und -frauen am Rhein aus ihren Anzügen, verstauen die teuren Outfits in den Wickelfischen und lassen sich mit der Strömung treiben, genießen das Panorama und steigen wieder aus dem Fluss heraus, wenn sie ihr Ziel erreicht haben. Sie schwimmen zur Arbeit.
Sowohl in München als auch in Basel hat man es geschafft, die Flüsse der Stadt in das alltägliche Leben zu integrieren. Die Säuberungsmaßnahmen haben langfristig funktioniert. Ob die Seine über die Olympischen Spiele hinaus gepflegt werden soll, ist noch offen. Falls die Maßnahmen jedoch in Paris greifen sollten, könnte die Seine sich ebenfalls als schwimmbarer Fluss etablieren.