#MeinGrundfürZuversicht: Joanna Peprah: "Ich frage mich, ob es hier in 20 Jahren noch sicher für meine Kinder ist"
Joanna Peprah ist Tochter einer deutsch-tschechischen Mutter und eines ghanaischen Vaters. Sie lebt in Köln. Der Rechtsruck in Deutschland bereitet ihr Sorgen. Deshalb engagiert sie sich.
Frau Peprah, was war der Auslöser für Sie, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Es gab keinen einzelnen Moment, an dem ich dachte: "Jetzt muss ich etwas machen.“ Ich war ständig auf der Suche nach diversen und afro-diasporischen Geschichten. Wenn wir uns zum Beispiel unsere Schulliteratur ansehen, fällt der eurozentrische und ethnozentrische Blick auf die Welt auf.
Wie hat sich die Suche nach diesen Antworten entwickelt?
In Gesprächen mit meinem Vater habe ich viel über die Lebensrealitäten der Ghanaer in den 80er Jahren in Deutschland erfahren. Meine Oma sprach vor ihrem Tod oft über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, über die Reichsprogromnacht, wie der Krieg ihre Kindheit zerstörte, und über afroamerikanische GIs. Trotz tiefgründiger Gespräche mit Familienmitgliedern blieben meine Fragen nach dem afro-deutschen Leben in Deutschland teilweise unbeantwortet. Eines Tages sprach mich in der Bahn eine Person an und erzählte mir von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V. (ISD). So kam ich über Umwege zu meinem Ehrenamt in diesem Verein. Zur Person Joanna Peprah
Was genau macht die ISD?
Die ISD-Bund sitzt in Berlin. Es gibt Lokalgruppen in verschiedenen Städten, darunter auch Köln. Der Schwerpunkt liegt auf den Interessen Schwarzer Menschen in Deutschland. In Köln kümmere ich mich zum Beispiel um Social Media und die Organisation und Durchführung von verschiedenen Events, meist in Kooperation mit anderen Vereinen und der Stadt Köln. Ich halte das Miteinander und die Synergieeffekte für sehr wichtig.
Sie sind auch in der Initiative "N-Wort stoppen" tätig. Können Sie dazu etwas erzählen?
Die Initiative besteht aus Aktivisten aus Köln, Bonn und Wuppertal. 2018 wurde in einer Landtagsdebatte in Mecklenburg-Vorpommern das N-Wort von verschiedenen Plenarmitgliedern gerufen. Daraufhin gab es einen Ordnungsruf, der von allen akzeptiert wurde, außer von einem AfD-Politiker, der vor dem Landesverfassungsgericht klagte. Der Skandal begann, als das Gericht behauptete, es komme auf den Kontext an und legitimierte somit das N-Wort. Wir als Betroffene von Anti-Schwarzem Rassismus und viele andere Organisationen und Politiker:innen sahen das anders. Also organisierten wir Demonstrationen und andere Aktionsformen, um darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Wort eine rassistische Beleidigung ist. Mittlerweile haben uns 24 Städte Recht gegeben und das N-Wort als rassistisch anerkannt.
Wo ist das N-Wort heute noch zu hören?
In meiner Beobachtung zeigt sich, dass die Bezeichnung mit dem N-Wort oft eine Kombination aus Klassismus und Rassismus ist. Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen müssen sich oft mehr gefallen lassen, insgesamt mehr aushalten und haben weniger Möglichkeiten, den Arbeitsplatz zu wechseln, wenn sie von Rassismus betroffen sind. Ein hoher sozialer Status schützt nicht vor rassistischen Beleidigung z.B wie das N-Wort, gibt der betroffenen Person aber im besten Fall mehr Handlungsspielraum.
Haben Sie das Gefühl, dass sich das Bewusstsein für das N-Wort und dessen Benutzung bei jüngeren Menschen ändert?
Es gibt eine positive Veränderung bei jüngeren Menschen und ein größeres Bewusstsein, aber es bleibt ein gesellschaftliches Problem. Wir benötigen weiterhin Workshops zum Thema rassismussensibler Sprache, die den Umgang und den Kontext von rassistischer Sprache erklären. Unser Ziel als Initiative ist es, in politischen und professionellen Kontexten Bewusstsein zu schaffen.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation in Deutschland, insbesondere nach den Europawahlen?
Das Ergebnis der Europawahlen war leider abzusehen. Wir haben mit der ISD auf den Rechtsruck aufmerksam gemacht und waren daher nicht überrascht. Wir haben uns eher gefragt, wie schlimm es wirklich wird. Dabei spielen die Medien eine tragende Rolle, wie sie über marginalisierte Gruppen berichten. Historisch gesehen suchen Menschen in Krisenzeiten nach Sündenböcken, meist Migranten, Menschen mit internationaler Familiengeschichte oder Geflüchtete. Das ist traurig, weil die Gesellschaft von diesen Gruppen massiv profitiert hat und weiterhin profitiert. Ohne Menschen mit Migrationsgeschichte würde die deutsche Wirtschaft nicht funktionieren.
Wie ist das mit Vorfällen wie in Grevesmühlen, macht Ihnen das Angst?
Ja, ich bin mir sehr bewusst, was aktuell passiert, dies ist leider kein Einzelfall von rechter Gewalt. Es gab in der Vergangenheit schon viele Übergriffe von Rechten auf Schwarze, Minderheiten und PoC. Ich verwende das Wort Angst nicht, weil Angst uns nicht weiterbringt. Wir benötigen die kurzweilige Schockstarre der Mehrheitsgesellschaft nicht, wir benötigen euren Antirassismus und eine klare Brandmauer gegenüber rechts von den demokratischen Parteien. Was uns weiterbringt, ist lösungsorientiertes Handeln in all seinen Facetten, zum Beispiel Aktivismus und Engagement.
Rechte Gewalt gab es in der Vergangeheit immer wieder. Zum Beispiel in Rostock-Lichtenhagen oder beim Brandanschlag in Mölln. Ist es jetzt anders?
Es ist anders. Social Media hat eine ganz andere Vernetzung, Reichweite und Kultur geschaffen. Es gibt eine größere Sichtbarkeit für marginalisierte Gruppen, aber auch einen Rechtsruck in den sozialen Medien. Social Media ist kein neutraler Ort. Beide Seiten, die ohne Social Media weniger sichtbar wären, sind dort sehr laut. Das führt zu einer Verschärfung der Diskurse.
Denken Sie darüber nach auszuwandern?
Das ist eine große Diskussion in der Schwarzen Community. Ich habe auch darüber nachgedacht, vor allem wegen meiner Kinder. Ich frage mich, ob es für sie hier in 20 Jahren noch sicher ist. Europa hat immer Phasen von Auswanderung und Migration erlebt. Ich kann mir vorstellen, hier zu bleiben, aber ich kann nicht sagen, ob es für meine Kinder sicher ist. Wir müssen realistisch sein und erkennen, dass sich die Situation immer wieder verändern kann. Die Zeit wird zeigen, ob Deutschland aus seiner Vergangenheit gelernt hat.
Was denken Sie muss sich ändern, um den Rechtsruck noch zu stoppen?
Meiner Meinung nach braucht es mehr soziale Sicherheit, Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Wenn Menschen weniger Angst haben, ihre Existenz zu verlieren, sind sie weniger anfällig für populistische und rechte Parolen. Ebenso wird eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Weißsein benötigt und zeitgleich eine klare politische Haltung gegen Rechts von den demokratischen Parteien.
Und wie kann das Ehrenamt dabei helfen?
Ehrenamt kann viel bewirken. Es geht nicht nur darum, klassische Strukturen zu unterstützen, wie bei großen, bekannten Organisationen. Es kann auch bedeuten, im Ehrenamt neue Angebote zu schaffen, besonders für marginalisierte Gruppen, die bisher zu wenige spezifische Angebote haben, von und für sie. Es inspiriert andere Menschen, sich ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren. Es ist ein demokratischer Akt, weil jeder seinen Teil beitragen kann, um unsere Gesellschaft für alle zu verbessern. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen: Ehrenamt kann definitiv zur Verbesserung der Gesellschaft und zur Bekämpfung von Rassismus beitragen.
Wenn Sie sich für die Arbeit der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) interessiern, dann finden Sie diese auf der Website. Zur Aktion "N-Wort stoppen" finden sie hier alle nötigen Informationen.