Derzeit überbieten sich Regierung und Opposition in Vorschlägen zum Thema Migration. Ein Experte hält vieles davon für unausgereift. Nur in einem Punkt sieht er Besserung. Der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus hat der Deutung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) widersprochen, die Ampel-Maßnahmen hätten zu einer Reduzierung der Asyl-Anträge geführt. "Ich sehe keine Trendwende", sagte Knaus dem "Tagesspiegel". "2023 haben wir einen neuen Höhepunkt bei Asylanträgen in Europa erlebt, nun geht die Zahl wieder zurück, aber 20.000 Asylanträge im August sind historisch hohe Zahlen." Es gebe jedoch Maßnahmen der Ampel, die Wirkung gezeigt hätten. "Die Asylanträge aus Georgien sind massiv zurückgegangen, seit Deutschland Georgien endlich als sicheren Herkunftsstaat erklärt hat. Hier hat die Ampel effektiv gehandelt", sagt Knaus. Wolle man im großen Stil die Zahlen senken, brauche es eine andere Maßnahme, findet Knaus. "Die bei weitem wichtigste Frage für Deutschland bleibt die Kooperation mit der Türkei . Seit März 2020 gibt es das EU-Türkei-Abkommen nur noch auf dem Papier", kritisiert Knaus, der als Erfinder des Abkommens gilt, das 2016 verhandelt worden war. Knaus: Merz-Plan hätte vor Gericht keinen Bestand Andere Vorschläge, wie den Plan von CDU-Chef Friedrich Merz , an der Grenze Flüchtlinge abzuweisen, sieht Knaus dagegen sehr kritisch: "Es wäre europarechtlich problematisch und politisch unklug, würden wir versuchen an Deutschlands Grenze alle Asylsuchenden in Nachbarstaaten zurückschicken – ohne deren Kooperation jegliche Kontrolle dieser Grenzen praktisch gar nicht möglich wäre", sagte er. Trotz der Diskussionen in der Politik sei in den vergangenen Jahren beim Thema Asyl kaum etwas passiert, sagte Knaus kürzlich auch in einem Interview des "Deutschlandfunk Kultur". So sei die Zahl der Asylanträge in den vergangenen sechs Jahren – außer im letzten Jahr – stets gestiegen. Man hat offensichtlich viel diskutiert, man hat wenig erreicht, und jetzt erreicht man den Punkt, wo manche Vorschläge in den Raum werfen wie: 'Wir schließen einfach die deutsche Binnengrenze zu Österreich , Schweiz und Tschechien', die total unrealistisch sind." Knaus bezog sich mit seiner Kritik unter anderem auf den Beitrag des CDU-Chefs in der Debatte. Seine Kritik wiederholte der Migrationsforscher nun auch gegenüber dem "Tagesspiegel". Knaus ist sich sicher, dass Merz’ Plan, eine nationale Notlage auszurufen, vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand hätte. "Wenn man etwas macht, von dem man erwarten muss, dass es vom Europäischen Gerichtshof wieder gestoppt wird, kommt man in eine Situation, die sich die AfD wünscht. Denn dann haben wir hier auf einmal Dexit-Debatten", prognostiziert Knaus. Auch GdP-Vorsitzender fordert Rechtssicherheit Der 54-Jährige gibt sich auch überzeugt, dass eine Zurückweisung von Migranten an den Grenzen praktisch nicht umsetzbar sei. Das sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) anders. Sie zeigte sich offen für den Vorschlag. "Sollte es so geregelt werden können, dass unseren Kolleginnen und Kollegen, welche die Maßnahmen dann vollziehen müssten, im Nachgang keinerlei rechtliche Probleme entstehen, wäre es eine Maßnahme, welche durchaus zu unterstützen wäre", sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der Zeitung "Rheinischen Post". Roßkopf verwies allerdings ebenso wie Knaus auf eine "heftige juristische Diskussion" über die Forderungen der Union und erklärte, Rechtssicherheit sei eine Grundvoraussetzung für die Beamtinnen und Beamten, "aber immer unter dem Gesichtspunkt, dass die Bundespolizei schon jetzt am Limit arbeitet und eine weitere Belastung auf Dauer nicht zu verkraften wäre". Neben der Polizei fordern auch die Kommunen, in der Debatte stärker gehört zu werden. Es sei zwar richtig, die Anstrengungen zu verstärken, dass Menschen ohne Bleiberecht in ihre Heimatländer zurückkehrten, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger der "Rheinischen Post". Der Verband begrüßt die diskutierten Vorschläge zur Begrenzung der Zuwanderung, er kritisiert aber den Ausschluss der Kommunen aus den laufenden Gesprächen zwischen Regierung und Opposition. "Die umsetzende Ebene müsse mit am Tisch sitzen, wenn Entscheidungen über Migration und Sicherheit getroffen werden."