Der Ampelregierung droht neuer Streit ums Geld. Es geht um fast zehn Milliarden Euro, die der Chiphersteller Intel an Subventionen erhalten sollte. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den verschobenen Baustart der Intel-Fabrik in Magdeburg als rein unternehmerische Entscheidung bezeichnet. Diese habe mit der Konzernpolitik und "Geldbedarfen" zu tun, sagte Habeck am Rande eines Start-up-Gipfels in Berlin . "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission stehe kurz bevor. Es ändere sich nichts am Ziel, die Halbleiterproduktion in Europa zu halten beziehungsweise aufbauen zu wollen. "Denn die Strategie ist ja nicht auf ein einziges Unternehmen ausgerichtet, sondern darauf, dass wir Wirtschaftssicherheit bekommen, dass wir in diesem kritischen Industriebereich eine gewisse Kompetenz auch in Europa haben und nicht zu 100 Prozent abhängig sind von südostasiatischen Märkten", sagte Habeck. Ampel diskutiert über Intel-Milliarden Die Bundesregierung will die Intel-Ansiedlung mit knapp 10 Milliarden Euro fördern. "Wie jetzt konkret mit den reservierten Geldern zu verfahren ist, das werden wir hinter den Kulissen in der Regierung besprechen", sagte Habeck. Ähnlich äußerte sich bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) . Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb auf der Plattform X, alle nicht für Intel benötigten Mittel müssten zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es dagegen, die Intel-Gelder stünden nicht dem Kernhaushalt zur Verfügung. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), drängt darauf, die ursprünglich für Intel vorgesehenen Milliarden zu investieren, statt mit ihnen Haushaltslücken zu schließen. "Die frei werdenden Mittel für 2025 sollten in die Zukunft unseres Landes investiert werden", sagte Kellner t-online. "Unser Land braucht dringend Investitionen." Intel verschiebt Fabrikbau um zwei Jahre Die Fördermittel für Intel sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen – einem Sondertopf, über den der Bund Klimaprojekte, aber auch Ansiedlungen von wichtigen Technologien fördert. Für dieses Jahr sind im KTF für die Intel-Ansiedlung rund vier Milliarden Euro vorgesehen. "Das Geld kommt aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung national und europäisch", sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch t-online. "Es ist folgerichtig und sinnvoll, dass diese Einnahmen auch zur Finanzierung von Klimaschutz und Transformation genutzt werden." Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz, sagte t-online dagegen, sie halte es für "denkbar, einen Teil der Gelder frei für die schwierigen Haushaltsverhandlungen und damit die Zukunft des Landes zu nutzen". Die Ankündigung von Intel, den Bau der Fabrik in Magdeburg vorerst zu stoppen, sei ein Rückschlag für den Standort Deutschland. Es bleibe aber abzuwarten, wie Intel langfristig agiere. Der US-Konzern hat den Bau des Werks in Magdeburg zunächst um zwei Jahre aufgeschoben. Aus der Union kommt unterdessen Kritik an der Ampelregierung: "Der Dauerstreit zwischen Finanz- und Wirtschaftsminister schwächt längst den Standort Deutschland. Auch nach dem Intel-Desaster streiten Lindner und Habeck weiter", sagte CDU-Fraktionsvize Jens Spahn . "Die Ampel hatte der ostdeutschen Wirtschaft hier viel versprochen, jetzt steht alles wieder in Frage. Klar ist einmal mehr: Förderbescheide ersetzen keine gute Wirtschaftspolitik, es braucht bessere Bedingungen für alle Unternehmen." Intel-Absage: Enttäuschung in Magdeburg Der Digital-Branchenverband Bitkom erklärte, Deutschland müsse zum Zentrum der europäischen Chip-Industrie werden und sich auch weltweit in der Spitzengruppe positionieren. "Dieses Ziel dürfen wir trotz der aktuellen Entscheidung Intels zum Bau einer Chipfabrik in Magdeburg nicht aus den Augen verlieren", sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. "Halbleiter sind die Basistechnologie der deutschen Wirtschaft, das gilt für die Anbieter von Telekommunikationsleistungen, Cloud Computing und Künstlicher Intelligenz ebenso wie für klassische Industriezweige wie den Automobil- oder Maschinenbau." Politiker aus Sachsen-Anhalt äußern sich nach der angekündigten Verschiebung des Intel-Großprojekts enttäuscht. Die Linke hält die Ansiedlung des Konzerns für gescheitert. "Die Verschiebung ist eine Absage: Die Europastrategie von Intel hat sich erledigt", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Wulf Gallert. In der Vergangenheit habe die Landesregierung kritische Nachfragen zum Projekt "arrogant weggewischt". Sie müsse sich nun die Frage gefallen lassen, "warum sie derart blauäugig an dieses Projekt gegangen ist". "Eine heftige Nachricht für die Region", schrieb Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann auf X. "Jetzt muss sich zeigen, wie attraktiv wir als Wirtschaftsstandort sind. Im Dornröschenschlaf auf den Prinz von Intel warten, kann ja nicht die alleinige Lösung sein." Wagenknecht nennt die Verschiebung "megapeinlich" Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht fordert, die eingeplanten Subventionen für "wirklich innovative Kleinunternehmen" und Neugründungen einzusetzen. Das Geld solle zudem in Infrastruktur fließen, sagte Wagenknecht in Berlin. Die von der Bundesregierung für Intel in Aussicht gestellten zehn Milliarden Euro seien "von Anfang an äußerst fragwürdige Subventionen" gewesen. Es sei megapeinlich, dass das Projekt nicht begonnen werde, meinte die Bundesvorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht . "Das war ein Reinfall mit Ansage. Dieses Geld darf kein zweites Mal hinterhergeworfen werden." Wagenknecht kommentierte auch: "Das ist eine persönliche Pleite für den Kanzler." Region will hochwertige Halbleiter produzieren Der Leipziger Linken-Abgeordnete Sören Pellmann nannte die Intel-Entscheidung eine herbe Enttäuschung. Sie zeige auch eine "massive Abhängigkeit Deutschlands von den USA". Die zehn Milliarden Euro Steuergeld hätte die Bundesregierung aus seiner Sicht besser in den Aufbau einer eigenen Chip-Produktion investiert. Das Knowhow für die Herstellung von Halbleitern gebe es in Deutschland, sagte der Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag. Der Ostbeauftragte Carsten Schneider sagte: "Die Entscheidung von Intel zur Verschiebung ist bedauerlich und betrifft auch andere Unternehmen. Wir werden nun in Gesprächen mit Intel die weiteren Schritte zügig klären, um die Unsicherheiten zu begrenzen." Die Region um Magdeburg habe sich in einem europaweiten Wettbewerbsverfahren als stärkster Standort für die Produktion von hochwertigen Halbleitern behauptet, sagte der SPD-Politiker. Die Bundesregierung habe ihrerseits Unterstützung aus öffentlichen Mitteln "gegen viele Widerstände durchgesetzt". Die Ansiedlung bleibe ein wichtiger Impuls für Magdeburg und die Region.