Nach dem Comeback ist vor dem Comeback: Erst boxte sich Stefan Raab zurück in den TV-Ring, nun startete er mit einer Streamingshow. Die Premiere im Ticker. Stefan Raab ist zurück: In "Du gewinnst hier nicht die Million" versuchte der Entertainer, mit Raab-typischen Inhalten zu glänzen. Ein bisschen Comedy, viel Wettbewerb und eine Studioband für die musikalische Begleitung. War das gut? Mit dem etwas anderen "Ticker" haben wir den Test gemacht. So viel vorab: Die Show wurde zwar strenger geheim gehalten als die geschwärzten Stellen im RKI-Bericht von Gesundheitsminister Karl Lauterbach , bewegte sich aber auf einem ähnlichen Unterhaltungslevel. Womit wir beim Sound dieses Tickers wären: irgendwo zwischen heiter bis ulkig. Hier gibt es den Raab-Check zum Nachlesen: 20.00 Uhr: Die Spannung steigt wie mancherorts die Pegelstände. Bleibt zu hoffen, dass Stefan Raab nicht zu Beginn seiner neuen Sendung in der aktuellen Nachrichtenflut untergeht. Friedrich Merz als Kanzlerkandidat, Diskussionen über die Technik von Pagern und die Frage "Was darf Satire?", weil plötzlich wieder Behindertenwitze gemacht werden. Moment mal: Schreiben wir wirklich das Jahr 2024 – oder hat uns Stefan Raab Blitzdings-mäßig in die Neunziger zurückkatapultiert? Wirkt jedenfalls so, als könnte der 57-Jährige ohne Weiteres ein paar Schenkelklopfer von früher aus seinem "TV total"-Archiv kramen. 20.05 Uhr: Stefan Raab zeigt sich in einem Interview mit RTL vorab hoch motiviert. Er sei mit 57 Jahren nicht altersmilde geworden: "Natürlich hab' ich kein Mitleid. Das Ziel ist, dass niemals einer die Million gewinnt", raunt er seinen künftigen Kontrahenten zu. 20.07 Uhr: Hoppla, die Show läuft schon. Sind wir hier bei "Upps! – Die Pannenshow"? Dann ist Dennie Klose aber ganz schön alt geworden. 20.10 Uhr: Die Sendung stand mindestens sieben Minuten zu früh freigeschaltet auf RTL+ zur Verfügung. Womöglich hat Raab am vergangenen Samstag sein Zeitkonto überstrapaziert, weil er so viele RTL-Zuschauer beim Halmich-Kampf auf die Folter gespannt hat, dass er nun einen Frühstart hinlegen musste. Ein wenig passt die kleine Streaming-Panne aber ins Bild: Schließlich scheint sich Raab so sehr auf seine Rückkehr zu freuen, dass RTL+ ihm den Gefallen tut und vorschnell für ihn die Bühne freimacht. 20.15 Uhr: Ein Herz für Raabs Unbekümmertheit, im Jahr 2024 Witze über herzförmig geformte Hände zu machen. Aber nun ja, was heißt "Witze". Sprüche vielleicht. Also so richtig lustig war es jedenfalls nicht – und Pointen suchte man ungefähr so verzweifelt, wie Raab am Samstag eine Lücke in Regina Halmichs Deckung. 20.18 Uhr: "Was ich mir rein gepfiffen habe und das war richtig geil, war Peter Maffay", kündigt Raab einen Einspieler zu der Doku des Sängers an. "Peter Maffay, einfach Legende. Da weiß man gar nicht: Wo fängt die Lederjacke an, wo hört die Haut auf?" Wir notieren: Erster ordentlicher Gag nach circa 15 Minuten. 20.20 Uhr: Raab läuft sich langsam warm. Sein Stand-up baut auf die alten Elemente, Ausschnitte des Fernsehens inhaltlich zu verzerren oder in andere Zusammenhänge zu stellen. Funktioniert gut, als es immer noch um Peter Maffay geht, Raab seine Redaktion um ein Bild des Sängers bittet und diese ihm im Hintergrund ein Foto der TV-Kultfigur Alf einblendet. 20.25 Uhr: Der einstige ProSieben-Großmeister, jetzt auf seiner neuen RTL+-Bühne, prustet herzhaft los. Eine Gottesdienst-Übertragung im ZDF findet er zum Brüllen komisch, weil seine Band Heavytones – ja genau, die von ProSieben – die passende musikalische Untermalung liefert. Glatt ein wenig putzig, dieser in Gelächter ausbrechende, gerade frisch aus der TV-Rente zurückgekehrte Moderator. Man kann sich vorstellen, wie er das auch im zurückliegenden Jahrzehnt gemacht hat. Ein feixender Stefan vor dem heimischen Fernsehgerät – mit Chipsflecken auf dem hellblauen Hemd und ein wenig schlechter ausgeleuchtet. 20.30 Uhr: Bilanz nach rund 25 Minuten: Hier läuft "TV total" auf RTL+. Verkehrte Welt. Wer jetzt auf ProSieben schaltet und Sebastian Pufpaff sieht: Nicht den Notarzt rufen. Es ist alles in Ordnung mit Ihnen. Das stimmt so. Ein Duell zweier "TV total"-Shows, eine linear auf ProSieben, eine per Video-on-Demand auf RTL+, ist Teil der neuen, deutschen Fernseh-Streaming-Realität. 20.35 Uhr: Bald bei ProSieben zu sehen: Eine DSDS-Coverversion mit Steven Gätjen als super-fiesen Oberjuroren. Sendungstitel: "Du gewinnst hier nicht die Castingshow". Alles ganz neu, alles "fresh", wie Stefan Raab sagen würde. 20.37 Uhr: Zugegeben, ich habe mich eben selbst beim Blick in den Kalender erwischt. Es stimmt wirklich: Es ist gar nicht 2004, es ist 20 Jahre später. Positiv daran: Stefan Raab hat sich wirklich gut gehalten. Der Haken: Dieser verflixte Zeitgeist, er könnte ein wenig an Raab vorbeigezogen sein … aber nur so eine Vermutung. Zwinkersmiley. 20.40 Uhr: Da ist er wieder: Der Mann, der sich mit spitzbübisch verzogener Grimasse und leicht höhnischem Grinsen über andere lustig macht. Herrlich – wenn es die Richtigen trifft. Oder wie Humortheoretiker heute sagen würden: Wenn er nach oben tritt. Also auf Leute, die noch mehr Kohle verdienen als er. "Wir werden den Weichzeichner für Dieter Bohlen streichen", kündigt er als "neuer RTL-Chef" an und pointiert: "Das bringt zwei, drei Millionen Euro – pro Show." 20.43 Uhr: Schluss, Aus, Ende: "TV total" geht ohne Überleitung in einen neuen Showteil über. Jetzt sitzen dort fünf Menschen an einem Buzzer. Wirkt ein wenig wie "Wer wird Millionär?" für Arme – dabei ist das doch hier RTL+ (PLUS). Egal: Logik und RTL, das war noch nie eine Liebesbeziehung. Also zurück zur fehlenden Überleitung: Hier läuft jetzt eine Quizshow. 20.48 Uhr: Der 31 Jahre alte Oliver Buse, eine Servicekraft aus Karlsruhe, tritt als Erstes gegen Stefan Raab an. Beide sitzen sich dabei an dem Late-Night-Tisch mitten im Studio gegenüber, hinter ihnen ein Flachbildschirm, auf dem die Antworten aufgelöst werden. Quizshow-Charme der Kategorie "Fliesentisch". Du weißt schon, Stefan, dieser alte Asi-TV-Gag aus dem vorletzten Jahrzehnt. 20.52 Uhr: Elton kommt! Vielleicht ist das ein gutes Zeichen – und die Show nimmt jetzt Fahrt auf. Aber was ist das schon für ein Hoffnungsschimmer, wenn Elton derjenige ist, der die Sendung endlich zum Laufen bringen soll? Einer mit sehr, sehr stark gedimmtem Lichtschein, ein Schimmerchen also, ein Hauch von einem Schimmer. 20.55 Uhr: Raab und sein Kontrahent müssen mit einer kleinen Zange einen "Maschendrahtzaun" (Sie wissen schon!) nach dem anderen knacken, um dann durch die entstehenden Lücken zu klettern und als Erstes am Ende des Maschendrahtzaun-Marathons den Buzzer zu betätigen. Raab pumpt, Oliver Buse gewinnt. Gewinnstufe vier ist erreicht. 21 Uhr: "In welchem Jahr brach die Titanic zu ihrer Jungfernfahrt auf und sank schließlich im Atlantischen Ozean?" Die Antwortmöglichkeiten sind: A) 1850, B) 1890, C) 1912, D) 1925. Der Kandidat wählt die richtige Antwort: 1912. Oliver Buse ist selbst überrascht. Größere Verwunderung in einem Männergesicht auf der Mattscheibe hat man zuletzt nur gesehen, als Regina Halmich Stefan Raab in der dritten Runde des Boxkampfes einen Kinnhaken verpasst hat – und der Blick des Entertainers Hilfe suchend durch den Ring geisterte. 21.05 Uhr: Jetzt werfen die beiden Tennisbälle auf einen Bürostuhl. Ziel: Die kleinen gelben Dinger sollen auf der Sitzfläche liegen bleiben. Halte ich für schier unmöglich. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich: Selbst ein Kleinkind ist nicht dazu zu bringen, ruhig auf der Sitzfläche zu bleiben – wie soll das dann mit munter vor sich hin rollenden Tennisbällen funktionieren? 21.10 Uhr: Raab in seinem Element: Er beweist dem Autor dieser Zeilen das Gegenteil. Erste Runde: Von fünf Versuchen direkt zwei Tennisbälle zum Liegenbleiben verdammt. Der Ballflüsterer von RTL+. 21.12 Uhr: Während sein Rivale verzweifelt einen Ball nach dem anderen versemmelt, steht Raab mit siegesgewissem, leicht überheblichem Grinsen und verschränkten Armen im Hintergrund. Jetzt ist seine Zeit gekommen. Der "Schlag den Raab"-Raab ist zurück. 21.15 Uhr: "Ich wünsche mir viel Glück", sagt er und schlägt seinem Gegner lachend auf die Schultern. Stefan Raab gewinnt anschließend wirklich – und freut sich wie ein kleiner Junge über seine erste erfolgreiche Fahrradfahrt ohne Stützräder. Toll gemacht, kleiner Stefan. 21.20 Uhr: Jetzt will es der 36-jährige Sören Kluge, DJ und Unternehmensberater aus Berlin , mit Stefan Raab aufnehmen. Die Kennenlerngespräche zwischen Moderator und seinen Kandidaten sind noch etwas hölzern-unangenehm. Oder wie Susanne Daubner sagen würde: "cringe". 21.22 Uhr: Eine Quizfrage dreht sich darum, wo die Gamescom stattfindet. Doch interessant ist nicht die leichte Lösung "Köln", sondern eine der noch zur Verfügung stehenden anderen Antwortmöglichkeiten. Denn die lautet: "Stutgart". Vielleicht findet dort ja eine verrückte Fantasycom statt. Nächstes Jahr zieht diese dann nach Bielefelt, anschließend geht es nach Lübek. 21.24 Uhr: Auch Sören Kluge schafft es über die ersten beiden Quizfragen hinweg auf Gewinnstufe drei. Dort wartet das erste Spiel, dieses Mal mit Autos auf einer Hebebühne, und Elton erklärt die Regeln. Kurz gesagt: Die beiden sollen Reifen wechseln. 21.30 Uhr: So spannend wie die Regeln ist auch das Spiel: "Jetzt hat Raab ein Rad ab", kommt von Kommentator Cornelius Küpper aus dem Off. Keine Pointe. 21.35 Uhr: "Wer hat hier eine Schraube locker?" kam bisher nicht, dafür aber: "Beide wirken völlig gerädert". Elton lacht. Manchmal sind es die kleinen Dinge ... 21.40 Uhr: Stefan Raab ist stinksauer. Er hat eine seiner Schrauben nicht festgezogen – und verliert daher das Spiel. Schuld ist aber Elton . Der habe den Spielstand nicht ordnungsgemäß durchgegeben. Während Raab noch tobt wie ein Kleinkind, ertönt die Sendungssirene. Sie wirkt wie eine Erlösung: Die Show ist vorbei. Das bedeutet auch: Sören Kluge darf (oder muss?) nächste Woche wiederkommen. 21.45 Uhr: Blitz-Fazit nach der ersten Show: naja. Anders gesagt: Stefan Raabs chronisches Lungenproblem – er atmet bei den Spielen schwerer als ein Diskurswerfer nach der dritten Drehung – scheint eine Art Sendungsmotto zu sein, denn es ist noch sehr viel Luft nach oben. Der erste Teil der Sendung ist eine Late-Night-Nummer im "TV total"-Gewand: Selbst die Heavytones sind wieder da. Danach wird "Schlag den Raab" gespielt, allerdings ohne die bombastischen Bühnen und den Thrill von einst. Die Gewinnstufen und Spielideen innerhalb der Quizshow haben nicht die Raffinesse früherer Zeiten. Alles in allem also eine Mischung aus altbekannten Elementen, ohne viel Innovation, dafür mit viel Retrocharme. Warum das revolutionär neu sein soll und Raab deshalb aus der Rente zurückgekehrt ist: Das bleibt wohl vorerst sein Geheimnis. Was ist "Du gewinnst hier nicht die Million"? Stefan Raab hat für fünf Jahre bei RTL unterschrieben. Teil des Deals: eine wöchentliche Sendung für RTL+. Diese kommt als Mischung aus "TV total" und "Schlag den Raab" daher. Einerseits will der Moderator "die Bewegtbild-Ereignisse in Streaming, Social Media und TV" filetieren, andererseits mit Quiz-Elementen und spielerischen Duellen gegen Kandidaten in den Wettbewerb treten. Raabs Ziel und angesichts eines Gesamtbudgets von rund 90 Millionen Euro für sein Engagement bei RTL sicherlich auch der Wunsch seines Senders: unter allen Umständen zu verhindern, dass seine Herausforderer die Million gewinnen.