Das Aufeinandertreffen von J. D. Vance und Tim Walz war mit Spannung erwartet worden, inklusive hitziger Debatten. Doch es kam anders. Und einer konnte punkten. In der Nacht zum Mittwoch trafen in den USA die Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz und J. D. Vance in einem TV-Duell aufeinander. Die 90-minütige Debatte wurde vom Sender CBS News live aus New York übertragen. Das Duell war mit Spannung erwartet worden. Würden sich die beiden eine hitzige Redeschlacht liefern? Für den Demokraten Walz, der als Vize von Kamala Harris für den Einzug ins Weiße Haus kandidiert, ging es in der Auseinandersetzung darum, sein Profil weiter zu schärfen. Bis zu seiner Nominierung vor gut einem Monat war der 60-jährige Gouverneur von Minnesota auf nationaler Ebene noch weitgehend unbekannt. Für J. D. Vance, Senator aus dem Bundesstaat Ohio, bot das Duell hingegen die Gelegenheit, seine Patzer aus dem bisherigen Präsidentschaftswahlkampf auszubügeln. So hatte er bereits bei mehreren Auftritten eine unglückliche Figur abgegeben und sich insbesondere durch abfällige Aussagen über Kinderlose unbeliebt gemacht. Wie die beiden Kontrahenten auftraten, ob sie den Erwartungen entsprechen konnten und ob tatsächlich die Fetzen flogen, lesen hier: 1. Handshake or not? Um 21 Uhr Ortszeit (3 Uhr MESZ) betraten die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten das TV-Studio von CBS in New York und gaben sich die Hand. Vance zeigte sich nahbar, indem er sein Gegenüber sogar leicht auf die Schulter klopfte und zu sich heranzog. Ähnlich hatte es Kamala Harris im TV-Duell gegen Donald Trump gemacht. Der eskalierende Nahostkonflikt beherrschte dann gleich den Auftakt der Debatte. Auf die Frage nach einem möglichen Präventivschlag Israels gegen den Iran antwortete Vance, er würde sich "als Verbündeter dem Urteil Israels anschließen". Ein sichtlich nervöser Walz wich der Frage zunächst aus. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit, Ex-Präsident Donald Trump für den Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran zu kritisieren. "Der Iran ist einer Atomwaffe näher gekommen, weil Donald Trump ein wankelmütiger Staatschef ist". Vance konterte. Tatsächlich habe Trump für "Stabilität in der Welt gesorgt", auch wenn Walz ihn als "Agent des Chaos" bezeichne. Dies habe Trump erreicht, "indem er eine wirksame Abschreckung aufgebaut hat. Die Menschen hatten Angst, aus der Reihe zu tanzen", sagte Vance. Woraus genau diese Abschreckung bestanden haben soll, ließ er offen. 2. Stellvertreterdiskussion Schon nach wenigen Minuten war klar, dass es bei dieser Debatte gar nicht so sehr um die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten selbst ging, sondern um zwei Politiker, die gar nicht im Raum waren: Kamala Harris und Donald Trump. Egal, ob die zukünftige Außenpolitik im Nahen Osten diskutiert wurde, die US-Klimapolitik oder das Großthema illegale Einwanderung, immer verwiesen sowohl Walz als auch Vance vorwiegend auf die vermeintlichen Unzulänglichkeiten der beiden Präsidentschaftskandidaten bei diesen Themen. Der Schatten von Harris und Trump, er lag deutlich über dem TV-Studio. Auffällig dabei: Vance schaffte es, in dem Duell inhaltlich wesentlich fokussierter herüberzukommen als Trump bei seiner Debatte mit Harris vor wenigen Wochen. Der Senator von Ohio argumentierte stringent, selbst bei heiklen Themen, wie dem menschengemachten Klimawandel , den er anzweifelt. Eine eindeutige Festlegung vermied Vance jedoch in diesem Punkt – und ließ sich nicht in die Ecke drängen. Er wollte nur "der Argumentation halber" zugestehen, dass CO2-Emissionen der Grund für den Klimawandel sind, "um nicht über seltsame Wissenschaft zu diskutieren". 3. Vance führt den "Riechtest" ein Beim Thema Immigration – einem der wichtigsten Wahlkampfthemen – griff Vance die Arbeit von Vizepräsidentin Harris frontal an. Ihre Performance im Weißen Haus bestehe bei diesem Thema nicht den "Riechtest", was so viel heißen sollte, wie: Sie hat nicht geliefert. Tatsächlich war Harris während der aktuellen Legislatur für die US-Grenzpolitik zuständig, in dieser Zeit verschärfte sich die Krise an der Grenze – insbesondere auch in der Wahrnehmung der Amerikaner. Trump hatte Harris bei dem Thema immer wieder scharf attackiert und zuletzt sogar als "geistig beeinträchtigt" beschimpft. Thema Migration: Sender schaltet plötzlich die Mikrofone der Kandidaten ab Vance nahm ebenfalls die amtierende US-Regierung ins Visier, wenn auch moderater: "Wir haben eine historische Einwanderungskrise, weil Kamala Harris damit anfing, die gesamte Grenzpolitik von Donald Trump rückgängig zu machen", sagte er. Mit ihrer Politik habe Harris auch dafür gesorgt, dass Rekordmengen des Opioids Fentanyl in Land gekommen seien. "Man muss also das Ausbluten stoppen". 4. Vance: "Habe mich bei Trump geirrt" Unvermeidlich war die Frage nach J. D. Vance' Sinneswandel in Sachen Trump. Der Senator gab, darauf angesprochen, zu Protokoll, mit seiner einst harschen Kritik an Trump falsch gelegen zu haben. "Ich habe mich in Bezug auf Donald Trump geirrt", sagte er. Er habe Geschichten geglaubt, die Trumps politische Bilanz falsch dargestellt hätten. Doch Trump habe "geliefert". "Wenn man etwas missverstanden hat und seine Meinung ändert, dann sollte man dem amerikanischen Volk gegenüber ehrlich sein", sagte Vance. Zu Beginn von Trumps Präsidentschaft war Vance ein ausgesprochener Kritiker, bezeichnete den Republikaner als "gefährlich" und "Amerikas Hitler". 5. Bei Frauenrechten kommt Walz in Fahrt Dann kam zur Abwechslung mal ein starker Moment von Walz. Beim Thema Abtreibung warf er den Republikanern vor, sich in das Privatleben von Frauen einzumischen. "Kümmert euch einfach um eure eigenen Angelegenheiten", sagte er an Vance gerichtet. Frauen und Mediziner wüssten am besten, welche Gesundheitsfürsorge die richtige sei. "Wir sind für die Frauen. Wir sind für die Freiheit, eine eigene Entscheidung zu treffen." Über Vance und Trump sagte Walz: "Diese Typen versuchen immer wieder, den Frauen etwas vorzuschreiben oder sich einzumischen." Und wer hat gewonnen? Beim US-Sender CNN waren sich die Kommentatoren einig: Es war ein ziemlich zivilisiertes Duell, in dessen Verlauf sich die Kontrahenten gleich dreimal die Hände schüttelten, zweimal vor Beginn und einmal nach dem Ende der Debatte. J. D. Vance konnte bei der Veranstaltung am meisten überzeugen, weil er die Erwartungen, die in ihn in diesem Duell gesetzt wurden, erfüllte: nämlich sein angekratztes Image aufzupolieren. Es gebe wenig Zweifel daran, dass der Republikaner "eine starke Performance abgeliefert habe", meinte etwa Politik-Experte Jeff Zeleny. "Er hat Harris wesentlich effektiver angegriffen, als es Trump vermochte. Wohingegen Walz einen schwachen Start in das Duell hatte, am Ende zeigte er sich jedoch gefestigter."