Flüchtlingsdebatte: Umsturz in Syrien - Landesbischöfin warnt vor Polarisierung
Kaum war Syriens Präsident Assad gestürzt, ist in Deutschland eine Debatte über mögliche Folgen für Asylverfahren entbrannt. Landesbischöfin Heike Springhart hat dazu eine klare Meinung.
Nach dem Umsturz in Syrien warnt die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Baden vor einer Polarisierung in der Flüchtlingsdebatte. Äußerungen in diese Richtung seien nicht besonnen, sagte Heike Springhart in Karlsruhe. Die Lage in dem Land habe sich dramatisch zugespitzt und sei jetzt viel zu unklar, "um das Fass überhaupt aufzumachen".
Noch am Freitag habe sie von einer syrisch-orthodoxen Christin eine Mail bekommen mit der Bitte, für die Menschen in Syrien zu beten, berichtete Springhart. Das Signal, das sie von der Kirche dort nun nach der Absetzung des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad am Wochenende bekomme, sei vor allem Erleichterung. "Aber was dann kommt, wird man sehen müssen", sagte die Landesbischöfin. Im Moment sei unklar, wie es in Syrien weitergehe.
Entscheidungen über Asylanträge ausgesetzt
In Deutschland leben derzeit rund 975.000 Syrer, einige von ihnen kamen vor der großen Flüchtlingszuwanderung der Jahre 2015 und 2016. Unter den Syrern waren laut Bundesinnenministerium Ende Oktober 5.090 Asylberechtigte, 321.444 Menschen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde sowie 329.242 Syrerinnen und Syrer, die subsidiären Schutz genießen. Der greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden, den Betroffenen aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.
Entscheidungen über Asylanträge syrischer Staatsbürger sollen laut Ministerium wegen der veränderten noch unübersichtlichen Lage vor Ort erst einmal zurückgestellt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verhängte einen Entscheidungsstopp. Mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern seien derzeit anhängig, davon 46.081 Erstanträge. Ausreisepflichtig seien Ende November 10.024 Menschen gewesen, davon hätten 8.960 eine Duldung.
Populismus keine demokratische Haltung
Nicht nur angesichts der Lage in Syrien sprach Landesbischöfin Springhart mit Blick auf den Bundestagswahlkampf von einer brisanten Lage. "Man kann gar nicht anders, als auch mit Sorge auf die Bundestagswahl zu sehen."
Sie hoffe, dass Themen wie Migration oder der Schutz von Leben nicht polarisiert würden. Dabei geht es ihr um die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche. Das seien wichtige Themen, bei denen man auch klar Position beziehen könne, sagte Springhart. Populismus - egal von welcher Seite - sei aber keine demokratische Haltung.
Springhart warnte vor "falschen Schwarz-Weiß-Alternativen". Aus ihrer Sicht haben die Kirchen einen Blick für die Graubereiche und können einen anderen Ton in die Debatten einbringen. Aufgabe der Kirchen sei es zudem, diejenigen an einen Tisch zu holen, die vielleicht nicht mehr miteinander redeten.