Die AfD trennt sich von ihrer rechtsextremen Jugendorganisation. Das aber muss nicht das Ende der "Jungen Alternative" sein. Gut möglich, dass sie fortbesteht - gefüttert vom Vermögen der AfD. Anna Leisten ist wütend. Die Brandenburger Landeschefin der "Jungen Alternative" stapft in schnellen Schritten durch die Sachsenhalle in Riesa . Mit normalen Medien will sie nicht reden, brüsk blockt sie Reporter ab. Nur dem rechtsextremen Compact-Medium will sie ein Statement in die Kamera sprechen. Ein Statement für die Szene. Leistens Wut hat einen guten Grund: Gerade haben 600 Delegierte auf dem Parteitag der AfD in Riesa mehrheitlich entschieden, dass die "Junge Alternative" (JA) nicht mehr die Jugendorganisation der AfD sein soll. Eine neue Jugendorganisation wird es geben, die stark in die Strukturen der AfD eingebettet ist. Eine Jugendorganisation, die stärker von den Spitzen der AfD in Bund und Ländern kontrolliert werden kann. Die AfD will damit einen Schlussstrich unter ihre Verantwortung für die "Junge Alternative" (JA) ziehen, die vom Verfassungsschutz bereits seit 2023 als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird. Mit der JA aber muss damit noch lange nicht Schluss. Es besteht die Gefahr, dass sie weiterexistiert, als Sammelbecken für harte Extremisten. Und die AfD trägt dafür viel Verantwortung: Trotz der Radikalisierung der JA hat sie sie gefördert und – darüber wird nur selten gesprochen – viel, viel Geld in die JA gepumpt. Die AfD-Chefs haben genug Es gibt aus Sicht der AfD viele gute Gründe, das Verhältnis jetzt aufzukündigen. Einer der gewichtigsten davon ist: Die führenden Funktionäre der AfD haben genug. Genug von den Problemen, die Mitglieder ihrer Jugendorganisation der Partei immer wieder einhandeln. Genug davon, dass die sich nicht disziplinieren lassen wollen. Ein Gefühl für die Qualität dieser Probleme gibt der letzte öffentlich gewordene Vorfall: drei Mitglieder der JA, die zugleich auch AfD-Mitglieder waren, wurden im Zuge einer Razzia festgenommen, weil sie Teil der mutmaßlichen Terrorgruppe "Sächsische Separatisten" (SS) waren. Die bereitete sich mit Schießtrainings auf einen Umsturz vor. Rasch schlossen Partei und JA die drei aus. Das aber funktionierte offenbar bei weitem nicht immer. Unter der Hand heißt es von hochrangigen AfD-Funktionären: Jeder der 16 AfD-Landesvorstände habe zuhauf Erfahrungen mit krassen Verfehlungen von JA-Mitgliedern gemacht. Einen guten Teil davon habe man zum Glück unter der Decke halten können, sie seien nie öffentlich geworden. Doch jeder AfD-Landesvorsitzende habe die Erfahrung gemacht, dass die JA ihre Mitglieder nicht zügeln oder sanktionieren wolle. Bisher konnte die AfD das nicht ändern. Die JA nämlich profitierte zwar enorm von ihrem Status als Jugendorganisation der AfD – rechtlich gesehen aber ist sie ein eigenständiger Verein. Frei, sich selbst zu organisieren. Frei, die rote Linie bei Extremismus noch sehr viel später zu ziehen als die AfD, die schon viel toleriert. Oder eben gar keine roten Linien zu ziehen. Hunderttausende Euro flossen von der AfD zur JA Trotzdem hat die AfD die JA bis zum Ende massiv gefördert. Besonders die radikalsten Funktionäre pflegen enge Kontakte zu der "Jungen Alternative", treten gemeinsam mit ihnen auf, lassen sich im Wahlkampf von ihnen unterstützen. Sie nutzen ihre Plattform und bieten ihnen zugleich eine Plattform. Darunter: der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke oder Christoph Berndt, Brandenburger AfD-Fraktionschef und Spitzenkandidat im vergangenen Brandenburger Wahlkampf. Beide werden vom Verfassungsschutz als Rechtsextremisten eingestuft, beide wurden massiv von der JA unterstützt, besonders vom Brandenburger JA-Verband unter Leitung von Anna Leisten. Wichtiger, ganz materiell, ist für den rechtsextremen Verein aber eine andere Komponente: Geld. Nur dank finanziellen Mitteln kann die JA schließlich überhaupt existieren und zum Beispiel eigene Konvente abhalten. Nur so kann sie auch das Material für Plakate, Flyer und T-Shirts finanzieren, die in der rechtsextremen Szene beliebt sind und ihr immer neue, junge Fans zuführen sollen. Und die AfD hat den Jung-Extremisten viel Spielgeld gegeben: 40.000 Euro hat allein der Bundesvorstand der AfD zuletzt pro Jahr an die JA überwiesen, bestätigte Bundesschatzmeister Carsten Hütter t-online. Auch viele Landesverbände pumpten Geld hinein. Die meisten Vorstände schweigen lieber über die Summe, nach Informationen von t-online aus Kreisen des Landesvorstands aber zahlte Brandenburg zum Beispiel in den vergangenen Jahren 6.000 bis 8.000 Euro pro Jahr. Bei anderen sollen es 10.000 Euro gewesen sein. Und das ist nicht alles: Viele AfD-Mitglieder sind Fördermitglieder in der JA. JA-Fördermitglieder müssen mindestens 150 Euro pro Monat zahlen, der Antrag schreibt es so vor – natürlich aber können sie auch sehr viel mehr geben. Nach t-online-Informationen aus JA-Kreisen soll es 500 bis 600 Fördermitglieder der AfD geben. Das macht – mindestens! – weitere 75.000 Euro jährlich. Auch wenn einige Landesverbände, wie Bayern, nach eigener Aussage gar nichts an die JA zahlen: Alles zusammengenommen dürften es auf diese Weise mehr als 150.000 Euro pro Jahr sein, die von der Mutterpartei und durch AfD-Mitglieder an ihre Jugendorganisation geflossen sind. Vielleicht sogar wesentlich mehr. Enorm viel Geld für einen Verein, der nur 2.400 Mitglieder hat. Jetzt soll die Jugend sich unterordnen Mit all dem ist jetzt Schluss. "Reform der Jungen Alternative" heißt der Antrag, der in Riesa auf dem Parteitag mit 72 Prozent Zustimmung angenommen wurde. Er sieht vor, dass die Jugendorganisation einen neuen Namen erhält und künftig ein "rechtlich unselbstständiger Teil der Partei" ist. Das bedeutet konkret: Die neue Jugendorganisation soll sich, wie bisher, in einen Bundesverband und 16 Landesverbände gliedern. Ihre Mitglieder können nun aber bei Verstößen "gegen Satzung, Ordnung oder Grundsätze der Partei" von den AfD-Vorständen ausgeschlossen und sanktioniert werden. Ihre Jugendstatute, also ihre Satzungen, müssen zudem von der Partei abgesegnet werden. Jedes JA-Mitglied im Alter von 16 bis 36 soll außerdem auch verpflichtend Mitglied in der AfD werden. Bundesvorstands-Mitglied Dennis Hohloch wirbt auf der Bühne für den Antrag: Die Partei erhalte in Zukunft die "Sicherheit, dass Personen, die sich innerhalb der Jugendorganisation bewegen, keinen Schindluder mit dieser Partei treiben". 72 Prozent Zustimmung erreicht der Antrag bei den Delegierten in Riesa. Immerhin 28 Prozent erhält ein Antrag aus der Feder des JA-Bundeskonvents, der wesentlich mehr Autonomie für die JA forderte. Rund die Hälfte der JA-Mitglieder will sich der AfD vermutlich nicht fügen Von den 2.400 JA-Mitgliedern sind nach Aussage des derzeitigen JA-Chefs Hannes Gnauck bereits die Hälfte Mitglied in der AfD. "Und der Rest, glaube ich, wird es jetzt auch nicht mehr werden", sagt Gnauck t-online am Rande des Parteitags in Riesa. Schließlich habe die AfD in den vergangenen Monaten bereits für die Parteimitgliedschaft geworben. Das bedeutet: Rund 1.200 Mitglieder der JA wollen sich den – laxen – Regeln der AfD nicht unterwerfen. Man darf mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass viele von ihnen harte Rechtsextremisten sind. Die aber sind nun nicht einfach Geschichte. Die JA nämlich hält als rechtlich unabhängiger Verein am 1. Februar noch einmal einen eigenen Konvent ab, auf dem sie selbst über ihre Zukunft entscheidet. Dort gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie fügt sich dem Willen der AfD vollständig, geht in der neuen Jugendorganisation innerhalb der Partei auf und löst sich selbst als Verein auf. Doch es gibt eine zweite, gar nicht unwahrscheinliche Möglichkeit: Die JA könnte auch entscheiden, dass sie als unabhängiger Verein bestehen bleiben will. Dann würde sich dennoch unter neuem Namen eine neue Jugendorganisation innerhalb der AfD bilden. Die JA aber würde es, mutmaßlich mit ihrem radikalsten Personal, weiterhin geben. Nun völlig frei drehend. Was passiert mit dem Geld der JA? Der JA-Vorsitzende Gnauck hält es für gut möglich, dass es dazu kommt. "Es kann durchaus sein, dass dieser Verein weitergeführt wird als eigenständiger Verein." Er selbst aber wolle dem nicht zustimmen. Das verwundert wenig: Gnauck sitzt für die AfD im Bundestag und seit Sommer 2024 auch im Bundesvorstand. Seine Wahl in das höchste Gremium der Partei war ein geschickter Zug der AfD-Spitze, um einen prominenten Vermittler für die Reform in der Jugend zu gewinnen. In der JA allerdings steht Gnauck wegen dieser Rolle seit Wochen heftig in der Kritik. Käme es zur Weiterführung der JA neben der neuen Jugendorganisation, hätte die AfD ein Problem für diese Demokratie geschaffen – und vermutlich mit einem ordentlichen Startgeld ausgestattet. Wie viel Geld auf dem Konto der JA parkt, will Gnauck zwar nicht verraten, auch nicht grob. Klar aber sei: Allein der Bundesvorstand der JA könne entscheiden, was mit diesem Geld passiere – die AfD habe darauf keinerlei Einfluss. "Man könnte es, wenn man gütig ist, an die AfD abführen", sagt Gnauck. Ob das aber passieren wird? Die JA nämlich stimmt auf ihrem Konvent am 1. Februar nicht nur über ihre Zukunft ab, sie bestimmt auch einen neuen Vorstand. Gnauck will dann nicht mehr kandidieren. In einem Interview mit "Compact" hat stattdessen, noch vor dem Parteitag in Riesa, eine andere Person ihren Hut in den Ring geworfen, deren Chancen als gut gelten: Anna Leisten.