Einzig im DFB-Pokal hat Bayer Leverkusen in dieser Saison noch realistische Chancen auf einen Titel. Die vergangenen Wochen waren von Rückschlägen geprägt. Eine Frage drängt sich auf. Nur fünf Siege in den vergangenen zehn Pflichtspielen, darunter zwei Pleiten gegen Bayern München im Champions-League-Achtelfinale. So langsam wird man in Leverkusen begreifen, dass eine etwaige Wiederholung der Vorsaison in den Bereich des Unmöglichen gerät. Nach einem verhaltenen Saisonstart konnte sich das Team von Xabi Alonso nach und nach steigern und beispielsweise Rückschläge wie die 0:4-Niederlage gegen Liverpool vergessen machen. Doch nun folgt ein neuerlicher Einbruch. Dieser hat ein Stück mit der Gesamtverfassung des Teams zu tun. Das wurde gegen die Bayern auch im Rückspiel am Dienstagabend deutlich. Das Pressing des Rekordmeisters sowohl ganz vorn gegen Abwehrchef Jonathan Tah und seine Nebenmänner wie auch etwas tiefer gegen das Leverkusener Mittelfeld wirkte erdrückend, die Münchner schlichtweg ein gutes Stückchen intensiver und fast schon aufgedrehter. Xhaka und Co. stoßen an ihre Grenzen Womöglich war das 0:0 zwischen beiden Teams in der Bundesliga Mitte Februar trügerisch. In jener Partie waren die Bayern wohl vor allem darauf aus, den Acht-Punkte-Vorsprung in der Bundesliga aufrechtzuerhalten, was mit ein bisschen Glück auch gelang. Doch in der Champions League spielte das Team von Vincent Kompany viel dominanter, hielt den Ballbesitz und zeigte Leverkusen die Grenzen auf. Das galt auch für wichtige Schlüsselspieler wie Tah oder Spielgestalter Granit Xhaka. Letzterer sah gegen Bayerns Zehner Jamal Musiala besonders im Hinspiel defensiv wie offensiv ganz wenig Land. Alonso wollte am Samstag im Ligaspiel gegen Werder Bremen den einen oder anderen schonen, merkte aber schnell, dass es mit einer 1B-Elf im 3-4-3 selbst gegen die formschwachen Norddeutschen nicht klappen könnte. Florian Wirtz wurde außerplanmäßig zur Halbzeitpause eingewechselt – und verletzte sich bei einem Foul von Mitchell Weiser. "Heute muss ich sagen, dass nichts funktioniert hat. Nicht auf dem Flügel, nicht im Zentrum", sagte Alonso im Nachgang der Partie. "Ich bin dafür verantwortlich, in der Zukunft nicht wieder solche Entscheidungen zu treffen. Wir waren heute zwischen zwei großen Champions-League-Spielen, wir mussten rotieren. Wir wollen den ganzen Kader nutzen." Auf Wirtz wiederum lastet allgemein enorm viel Druck, und die ständigen Vergleiche mit Nationalmannschaftskollege Musiala tun ihr Übriges. Das Risiko weiterer Rückschläge für den 21-Jährigen, der bereits einmal einen Kreuzbandriss erlitten hat, ist zuletzt nicht gesunken. Beim Foul von Weiser ist er mit einer prognostizierten Ausfallzeit von vier Wochen noch halbwegs glimpflich davongekommen, wenngleich er die Nations-League-Duelle der DFB-Elf mit Italien verpassen wird. Einfallslosigkeit im Rückspiel Was stimmt nicht mit der Werkself? In der Vorsaison konnte Leverkusen regelmäßig in den Schlussphasen von Partien noch Siege erzwingen. Oftmals schien es so, als hätte die Werkself mehr Kraft als die jeweiligen Gegner und somit auch die körperliche und geistige Frische, um selbst in der Nachspielzeit noch einen starken Spielzug zu vollenden. In dieser Saison gab es für Bayer jedoch bereits neun Remis, genauso viele wie in der gesamten Vorsaison. Die Frische fehlt an mancher Stelle – und ebenso die Kreativität. Alonso konnte punktuell mit klugen taktischen Anpassungen aufwarten, wirkte aber auch an anderer Stelle zu schematisch oder einfallslos. In der Bundesliga-Hinrunde etwa setzte er auf defensive Spielsysteme gegen Liverpool und die Bayern. Im Rückspiel gegen die Bayern am Dienstag wiederum waren nahezu keine taktischen Veränderungen im Vergleich zum Hinspiel zu erkennen, obwohl man dieses mit 0:3 verloren hatte. Einzig die Einstellung stimmte, denn selbst nach dem 0:1 am gestrigen Abend gab Leverkusen trotz der aussichtslosen Lage nicht auf. Aber der Cheftrainer und seine Schützlinge auf dem Feld können aktuell nicht immer bei voller Leistungsfähigkeit agieren.