Der Meeresspiegel steigt seit geraumer Zeit. Eine Studie zeigt nun, dass dieser Anstieg in den vergangenen 4.000 Jahren beispiellos ist. Der weltweite Meeresspiegel ist zwischen 1900 und 2020 deutlich schneller gestiegen als zu irgendeiner anderen Zeit in den vergangenen 4.000 Jahren. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die die Veränderungen des globalen Meeresspiegels während der vergangenen 12.000 Jahre betrachtet hat. Der derzeitige Anstieg des weltweiten Meeresspiegels geht hauptsächlich auf zwei Effekte zurück, wie die Gruppe um Yucheng Lin von der Rutgers University in Piscataway (US-Bundesstaat New Jersey) in der Fachzeitschrift "Nature" schreibt: Zum einen wird das Wasser in den Ozeanen wärmer – und dehnt sich dabei aus. Zum anderen fließt durch das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und der Eisschilde in Grönland und der Antarktis mehr Wasser in die Ozeane. "Die Gletscher reagieren schneller, weil sie kleiner sind als die Eisschilde, die oft die Größe von Kontinenten haben", wird Lin in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. "In Grönland sehen wir derzeit eine immer stärkere Beschleunigung." Anstieg hat sich zunehmend beschleunigt Nach dem Ende der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel im Zeitraum vor 11.700 Jahren bis vor 8.200 Jahren der Studie zufolge besonders stark – durchschnittlich um 10,7 Millimeter pro Jahr. Vor rund 6.000 Jahren lag der jährliche Anstieg noch bei etwa 2,8 Millimeter. Vor rund 3.000 Jahren betrug er nur noch 0,4 Millimeter pro Jahr und ging danach weiter zurück. Über die vergangenen 4.000 Jahre schwankte der Meeresspiegel demnach in geringem Maße. Erst im 19. Jahrhundert vollzog sich dann ein Wandel: In der ersten Hälfte erhöhte sich der Meeresspiegel demnach nur verhältnismäßig wenig, um durchschnittlich 0,1 Millimeter pro Jahr, in der zweiten Hälfte waren es demnach 0,76 Millimeter. Den durchschnittlichen Anstieg im Zeitraum von 1990 bis 2020 beziffern die Wissenschaftler auf 1,51 Millimeter. Aus anderen Studien geht hervor, dass sich der Anstieg in diesem Zeitraum zunehmend beschleunigt hat. Verschiedene Ursachen Für die Studie untersuchte das Team Tausende Daten aus verschiedenen Quellen, darunter uralte Korallenriffe und Mangroven, die als natürliche Archive vergangener Meeresspiegelhöhen dienen. Diese Daten gingen in eine Modellierungssoftware ein, die Lin selbst entwickelt hatte. Damit sei es möglich, verschiedene Ursachen für ein Ansteigen oder Absinken des Meeresspiegels auseinanderzuhalten, heißt es. So kann das Abtauchen einer Erdplatte unter eine andere zum Anheben der oberen Platte führen. Andererseits liegen viele Küstenstädte in der Nähe von Flussmündungen, wo sich der aus Sedimenten bestehende Untergrund durch die Massen an Gebäuden und Straßen verdichtet, was zu einem Absinken und damit zu einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels führt. Das zeigen die Forscher etwa am Beispiel der Südostküste Chinas. Demnach sind Teile von Shanghai im 20. Jahrhundert um mehr als einen Meter abgesackt – nicht nur durch natürliche Setzung des Untergrunds, sondern auch wegen einer hohen Grundwasserentnahme. Anderen Küstenstädten erging es noch schlimmer: Die frühere indonesische Hauptstadt Jakarta ist so weit abgesunken, dass Teile der Stadt inzwischen unterhalb des Meeresspiegels liegen – dort muss durchgehend Wasser abgepumpt werden.