Niederlande: Linksliberaler Rob Jetten schockt Geert Wilders bei der Wahl
Der Sozialliberale Jetten überrascht bei der Niederlande-Wahl. Seine Partei D66 ist nach ersten Prognosen erstmals stärkste Kraft im Land. Jetten setzt nicht nur in der Politik Akzente. Rob Jetten blieb auch am Wahltag noch ruhig. "Ich bin müde, aber zuversichtlich", sagte er bei der Stimmabgabe. Am Abend war dann klar: Jetten hat Grund zur Freude. Erste Prognosen sehen seine sozialliberale Partei D66 erstmals in ihrer Geschichte als Wahlsieger. 27 Sitze holte Jetten – noch mehr als Sigrid Kaag, die vor vier Jahren mit 24 Mandaten das damals beste D66-Ergebnis eingefahren hatte. Kaag aber zögerte mit dem Versuch, am großen Premier Mark Rutte vorbei eine neue Regierung zu bilden. So landete D66 nur als Juniorpartner unter Rutte im Kabinett und Jetten stieg auf, erst zum Minister für Klima und Energie, dann – nach Kaags Rückzug – zum Vize-Premier. Prognose: Jetten liegt überraschend vor Wilders Analyse: Die Besonderheiten dieser Wahl Die Regierung hielt nicht lange. Vor zwei Jahren stürzte das Kabinett Rutte. Bei den vorgezogenen Neuwahlen fielen die Sozialliberalen mit Jetten als Frontmann zurück auf neun Mandate. Der gescheiterte Kandidat ging an seine Wahlanalyse. Mit einschneidenden Folgen. So veränderte Jetten für diese Kampagne seine politische Rhetorik. "Wir sprechen nicht so sehr über die Risiken eines ansteigenden Meeresspiegels, sondern eher über die Chancen von Wärmepumpen", so der Liberale. Er begreift Klimaschutz als Chance. Zum besseren Verständnis schiebt er gleich hinterher: "Klima ist längst kein linkes Thema mehr." Jenseits des dogmatischen Rechts-Links-Schemas Jetten, studierter Betriebswirt, ist 38 – der jüngste Spitzenkandidat der großen Parteien bei dieser Wahl in den Niederlanden. Doch beim liberalen Aufstieg profitierte Jetten nicht nur von seinem jugendlichen Image, sondern auch von einer radikalen Abkehr vom klassischen Rechts-Links-Schema. "Es geht im Wahllokal nicht um rechts oder links, sondern um die Frage: Welchen Vibe hat eine Partei?" Jettens Vibe, sprich das Gefühl, das er vermitteln will, ist der eines Machers. "Wir sind die mit Abstand fortschrittlichste und zukunftsorientierteste Partei. Wir lehnen den Status Quo ab und fragen, wie wir ihn durchbrechen können", erklärte er im Interview mit der Zeitung "Volkskrant". Liberalismus als konstruktive Kraft, nicht als Geist, der stets verneint. Zumal in einem Wahlkampf, der stark von der Frage geprägt war, wer eigentlich nicht mit wem regieren mag. Jetten schloss nur ein Bündnis mit Rechtspopulist Geert Wilders aus. Ansonsten zeigte er sich nach allen Seiten offen – auch gegenüber Frans Timmermans, dem Spitzenkandidaten des rot-grünen Listenbündnisses aus Sozialdemokraten und Grünen. Diese Offenheit kam an in der Wählerschaft. Plötzlich sind Jettens Sozialliberale das Bindeglied in der zersplitterten Parteienlandschaft der Niederlande . Nun darf er sich berechtigte Hoffnungen auf das Amt des Regierungschefs machen. Diese Anschlussfähigkeit bringt Jetten bei der anstehenden Regierungsbildung eine Schlüsselrolle ein. "Es geht nicht darum, mit wem wir regieren. Es geht darum, Wilders zu schlagen und ein Rechtsaußen-Kabinett zu verhindern", so Jetten pragmatisch. Aufsehen erregte der offen homosexuelle Politiker, als er vor Jahren Hass-Mails und Beleidigungsschreiben an ihn öffentlich machte. Seit dem vergangenen Jahr ist Jetten offiziell verlobt – mit dem argentinischen Hockey-Nationalspieler Nicolás Keenan, dem ersten offen schwulen Hockey-Profi in den Niederlanden.