Heidelberg: Austellung in der Galerie Staeck lässt an Höhlenmalerei denken
Von Susann Behnke-Pfuhl
Heidelberg. Elegant, raffiniert und erfindungsreich mutet die Kunst der einen an - spontan, wild und frei die des anderen. In der Doppelausstellung der Galerie Staeck trifft die Heidelberger Goldschmiedin Heidi Saul auf den großen Neo-Expressionisten A.R. Penck. Eine ungewöhnliche Synthese - doch dann erweist sich die Verbindung von angewandter und bildender Kunst als äußerst gelungen.
Saul wurde 1953 geboren und arbeitet nach Stationen in Berlin und München in eigener Werkstatt in Heidelberg. Ihr Markenzeichen sind "objet trouvés", vorgefundene Gebrauchsgegenstände aus der Vergangenheit, die antiquarischen Wert besitzen. Sie bestechen mit Materialien wie Bakelit, Glas oder Porzellan und entfalten ihren eigenen Charme. Das Faible für solche Relikte vergangenen Industriedesigns hatte Saul schon früh. Elektrogeschäfte suchte sie regelmäßig auf, auch im Ausland. Völlig nachvollziehbar ist ihre Faszination für die rubinroten Fahrradrücklichter aus der Nachkriegszeit, die nun in Anhängern ihre Strahlkraft entfalten.
Designte Bakelit-Lichtschalter aus Italien als Kettenverschlüsse in typisch bräunlichem Farbton oder Stecker als Kettenteile erinnern an den verwegenen Luxus pompöser Wohnzimmer zwischen den Kriegen. Schreibmaschinentasten als in Gold und Silber gefasste Ringe wirken originell und beschwören den Retro-Trend. Dennoch sagt Saul: "Verstaubt darf es nicht sein." Es gälte das Alte ins Moderne zu bringen, findet die Künstlerin.
A.R. Pencks Zeichenkunst dagegen dokumentiert zum einen die deutsch-deutsche Vergangenheit und geht aber auch weit darüber hinaus, wenn sie die Suche des Individuums nach Freiheit in der Gesellschaft zum Thema macht. In den hier gezeigten farbenprächtigen Lithographien, Siebdrucken, Fettkreidezeichnungen und Künstlerbüchern, die die Galeristen Rolf und Klaus Staeck verlegten (und von denen wertvolle Andrucke vorliegen), werden vor allem die Jahre nach der Wende und die vielversprechende Aufbruchstimmung beleuchtet. Die Brüder trafen den berühmten Neo-Expressionisten nach dessen Ausbürgerung in Berlin, wo sie 1987 die "Gesellschaft für deutsch-deutsche Freundschaft" gründeten.
Ein Exemplar seines Künstlerbuches Tiské mit Gedichten des ostdeutschen Dichters Bert Papenfuss-Gorek ist ausgestellt. Auch zwei Lithographien aus einem seiner übermalten DDR-Algebrabücher beeindrucken. Das Werk "Erinnerung" (1991) lässt an die archaischen Symbole der Höhlenmalerei denken, während "Weiterarbeit" (1993) die Auseinandersetzung des Künstlers mit Kybernetik und Informationstheorie zeigt.
Typisch erscheint sein mit fünf Buntstiften energisch zu Papier gebrachtes Strichmännchen. Es ist eine Freude, die Bilder dieses Avantgardekünstlers in Heidelberg zu sehen, der für die Erneuerung der Malerei in Deutschland stand.
Info: "Schmuck trifft Kunst - Heidi Saul und A.R. Penck", Galerie Staeck, Krämergasse 12, geöffnet täglich 14 bis 21 Uhr, bis 6. Dezember.