Mühlhausener Büchersammler: Goethes "Faust" wohnt ach in seiner Brust
Von Volker Knopf
Mühlhausen/Karlsruhe. Keine Frage, wenn sich Willi Sauer einer Leidenschaft verschrieben hat - dann mit Haut und Haar. Der gebürtige Mühlhausener ist passionierter Sammler von illustrierten Faust-Ausgaben. Mehr als 200 der bibliophilen Schätze nennt er sein Eigen. 67 davon stellt er derzeit in der Karlsruher Bücherschau im Regierungspräsidium aus (noch bis Sonntag, 3. Dezember). Die weltberühmte Tragödie von Goethe kennt der 68-Jährige längst auswendig. "Mich hat die wundersame Sprache damals sofort gepackt. Diese Geschichte hat so vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. Jeder kann sich da was rausziehen. Es ist ein Meisterwerk, ein Weltgedicht mit gewaltigen und substanziellen Dialogen", sagt Willi Sauer.
Eine Peymann-Aufführung des Stückes 1977 in Stuttgart weckte die Begeisterung des damals jungen Nordbadeners. Zweimal die Woche fährt der pensionierte Lehrer im Übrigen von Karlsruhe, wo er lebt, nach Mühlhausen, um seine 92-jährige Mutter zu unterstützen. Eine Gepflogenheit, die er schon seit Jahrzehnten pflegt. Bei diesen Fahrten hatte er früher oft seinen Sohn Felix dabei. Auf der Strecke rezitierte Sauer den Faust. Und siehe da, nicht nur der Vater, auch der Sohn hatte den Faust irgendwann in petto. "Ich dachte immer, mein Sohn schläft. Aber er hat das alles irgendwie aufgenommen. Das ist schon unglaublich."
Die Folge: Bei der goldenen Hochzeit von Willi Sauers Eltern einst in der Bernhardus-Halle spielten Vater und Sohn eine Szene von Fausts "Prolog im Himmel". Offensichtlich mit großem Erfolg. "Die Resonanz war enorm. Wir wurden noch Jahre später drauf angesprochen", sagt der Mann, der mit Bart und dem vollen, grauen Haar selbst wie ein Mime auf einer Bühne anmutet.
Von der Wirkung Fausts ist der Mann aus dem Rhein-Neckar-Kreis nach wie vor fasziniert. Schließlich gibt es so viele Zitate aus dem Stück, die wir noch heute im täglichen Sprachgebrauch nutzen. "Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein", "Die Botschaft höre ich wohl…", "Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust", "Da steh' ich nun ich armer Tor", zählt der Kurpfälzer flugs auf.
In der Vitrine in der Bücherschau begeistern schon allein die historischen Buch-Cover den Betrachter. Etliche sind davon aus der Jugendstil-Zeit, ein weiteres Steckenpferd des Pensionärs. Offensichtlich steckte die Faszination auch andere an. Aktuelles Gastland der Bücherschau ist Schweden. "Der schwedische Botschafter war bei der Eröffnung zu Gast und konnte sich gar nicht daran sattsehen. Er hat vor der Vitrine sehr lange verweilt", freut sich Sauer.
Zu sehen ist beispielsweise ein Faust-Buch mit Dali-Zeichnungen, eine illustrierte Max-Beckmann-Ausgabe aus dem Exil 1944, die älteste Ausgabe ist von 1828. Viele außergewöhnliche Werke um Mephisto, Faust und das Gretchen kann man begutachten. Willi Sauer deutet auf ein illustriertes Buch aus dem Jahr 1890. Dort sieht man die Göttin Victoria. Sie sitzt auf einem Elefanten, ihm hängen Furcht und Hoffnung an. "Das ist eine sehr schöne Allegorie. Der Elefant steht für die Schwerfälligkeit und Ungelenkigkeit des Staates. Das passt doch auch wunderbar in die heutige Zeit", merkt Sauer verschmitzt an. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…