Heidelberg: Seamus Murphys Film "PJ Harvey - A dog called money" im Karlstorkino
Von Wolfgang Nierlin
Heidelberg. „Was soll nur aus uns werden?“, fragt PJ Harvey nachdenklich in ihren poetischen Reisenotizen. Zusammen mit dem Fotojournalisten und Kameramann Seamus Murphy ist die Indie-Musikerin in Kabul, dem Kosovo und Washington D.C. unterwegs. Sie sieht Zerstörung, Leid und Armut und will verstehen. Sie besichtigt Kriegsschauplätze, Ruinen und trifft Menschen.
Doch aus der flüchtigen Impression entsteht keine Beziehung und aus der beliebig erscheinenden Clip-Ästhetik, mit der Seamus Murphy in seinem Film „PJ Harvey – A dog called money“ zusammen mit seinem Cutter Sebastian Gollek das Material organisiert und die Eindrücke motivisch verbindet, resultiert keine Vertiefung. Fremd und teilweise fast deplatziert bleibt die Künstlerin vor Ort eine stille Beobachterin.
Allerdings wirkt das Gesehene nach und inspiriert die britische Musikerin zu dem Gedichtband „The hollow of the hand“ (mit Fotos von Murphy) sowie zu ihrem neunten Album „The hope six demolition project“ (2016). Murphys Film dokumentiert die Aufnahmen dazu, die im Keller des Londoner Somerset House vor Publikum stattfinden. Von den Musikern durch einen Einwegspiegel getrennt, sind die Zuschauer als stille Beobachter und Zuhörer zugleich an- und abwesend. Als performative Inszenierung einer Art „gläsernen“ Produktion gedacht, dürfte diese „unterbewusste“ Interaktion mit einer vorgestellten Öffentlichkeit allerdings weniger wirksam sein als die künstlerisch weit weniger innovative, aber umso manipulativere Anwesenheit des Kamera-Teams.
Denn natürlich ist Murphys Film als Künstlerportrait auf verschiedenen Ebenen auch eine Selbstinszenierung PJ Harveys. Am aufschlussreichsten ist der Film dort, wo er eine direkte Beziehung zwischen Text und Bild herstellt. Religiöser Fanatismus und Rassenhass, Gewalt und der tägliche Kleinkrieg um den Götzen Geld bekommen so ein Gesicht und eine Stimme. Andererseits bedeutet die Offenlegung der Inspirationsquellen auch einen Verlust an Poesie und Geheimnis.
Und auch die Übernahme beziehungsweise Übertragung akustischer Erfahrungen, die aus einem fremden Kontext stammen (beispielsweise ein ekstatisches muslimisches Gebietsritual), in den Aufnahmeprozess im Studio wirkt zwiespältig. Was bleibt, sind Text- und Bildsplitter von Orten und Gesichtern, die für sich und jenseits der Montage beeindrucken.
Info: Heidelberg, Karlstorkino, Om-dtU: 14. November, 21.15 Uhr; 19. November, 21.30 Uhr. Im Festival Prêt à écouter.