"Heiter bis wolkige Episoden": Mannheimer Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer hat sein zweites Buch geschrieben
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Die meisten Menschen fahren an den Gardasee, um Urlaub zu machen. Dieter Schäfer hat in Bella Italia ein Buch geschrieben. Oder zumindest große Teile davon. „Mit jedem Hauch des lauen Sommerwinds küsst dich die Muße“, sinniert Schäfer am Ende des 230-Seiten-Werks, das den weniger poetischen Titel „Der Verkehrspolizist“ trägt. Was der Mann in neun Kapiteln als „heiter bis wolkige“ Episoden aus der Kurpfalz ankündigt, ist zugleich eine lesenswerte, packende Bilanz nach fast 40 Jahren im Dienst und ein flammendes Plädoyer für seinen Job.
Kritiker mögen dem obersten Verkehrspolizisten im auch für Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis zuständigen Polizeipräsidium Mannheim vorwerfen, zwischen zwei Buchdeckeln seine zweifellos vorhandene Eitelkeit zu befriedigen. Man kann es aber auch anders sehen, getreu dem Motto: Tue Gutes und rede darüber. Tatsächlich ist Schäfer der (!) Verkehrspolizist in Deutschland. Kein anderer ist in den vergangenen Monaten so oft von Reportern befragt und in den Medien zitiert worden.
Der Polizeidirektor mit dem Schnauzer und herzlich-mildem Lächeln hat es mit einem kleinen Team geschafft, der Autoposer-Szene in der Mannheimer Innenstadt das Handwerk zu legen und damit bundesweit für Schlagzeilen zu sorgen. Und Schäfer ist der Mann, der beim Kampf gegen die vielen Autobahnunfälle in der Metropolregion dicke Bretter bohrt. Die größeren und kleineren Erfolge, Rückschläge und Dämpfer verarbeitet der gebürtige Heidelberger in dem Buch, das einerseits Leitfaden für die Arbeit der Beamten auf den Straßen, aber auch für Laien verständlich ist.
Heiter ist es nicht, wenn Schäfer schwere Kollisionen im Verkehr mit Verletzten und Toten erklärt und einordnet, auf Schicksale von Hinterbliebenen eingeht, Grenzen der Belastbarkeit der Einsatzkräfte aufzeigt oder Drogen und Alkohol am Steuer geißelt. Ohne Pathos, aber stets meinungsstark. So wie ihn seine Kollegen und Gesprächspartner eben kennen. „Der Verkehrspolizist“ ist bereits sein zweites Buch. In „Die Gewaltfalle“ hat der damalige Einsatzleiter dokumentiert, wie das Kurdische Kulturfestival 2012 auf dem Maimarktgelände in einem Gewaltexzess mit mehr als 70 verletzten Beamten endete.
Das hat nicht jedem gefallen – bis tief hinein in die Landespolitik. „Ich halte denen entgegen: Wenn gute Leistungen aus Desinteresse oder eigener Machtvollkommenheit gar nicht wahrgenommen werden und Konformität der wichtigste Karrierebaustein ist, bereue ich nichts“, bilanziert Schäfer, der die Verkehrspolizei seit der Polizeireform 2014 lediglich kommissarisch führt. Eine Beförderung wurde Schäfer verwehrt und er konnte sie auch trotz gerichtlich nachgewiesener Mauscheleien im Innenministerium und polizeiintern nicht durchsetzen. Dass er überhaupt Karriere bei den Ordnungshütern macht, daran dachte Schäfer nach dem Abitur am Heidelberger Helmholtz-Gymnasium zunächst nicht. Stattdessen kassierte er in den wilden Siebzigern an einem Tag gleich zwei saftige Bußgelder und sechs Punkte in Flensburg. Als Aushilfsfahrer für die Delikatessen-Abteilung eines Kaufhauses rauschte er mit einem VW Bully über „rote“ Ampeln. Den Weg zur Polizei ebnete schließlich ein Cousin seines Vaters, der ihn 1979 bei einem Heimspiel der SG Heidelberg-Kirchheim ansprach – „Hosch schun was g’funne?“ – und den entscheidenden Kontakt vermittelte.
Wobei Schäfer keinen Hehl daraus macht, dass ihm von ihrer Mentalität her die Mannheimer näher sind. Dort gehe man „manchmal derb, aber immer herzlich“ miteinander um. In seiner Heimatstadt mit hohem Akademikeranteil könne die gleiche schlichtende Ansprache in einem Konflikt postwendend zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde führen.
Etwas wehmütig blickt Schäfer dem Jahresende entgegen, wenn er in Ruhestand geht. Der berufliche Schlusspfiff fällt zeitlich zusammen mit der Auflösung der Verkehrspolizeidirektionen im Land. Schäfer schwant für die Zukunft nichts Gutes: „Die Maßgabe, dass jeder künftig alles machen kann, nimmt der Verkehrspolizei ihre über Jahrzehnte entwickelten Fähigkeiten und ihre gewachsene Identität“, schreibt er über den Beschluss von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Und: „Ich prognostiziere, dass in den omnipotenten Großgruppen Spezialwissen schleichend verblasst und die Motivation leidet.“ Deutlicher kann eine Kritik kaum ausfallen.
Mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein resümiert Schäfer, er habe der Mannheimer Verkehrspolizei zu dem Ansehen verholfen, „das ihr in unserer Gesellschaft gebührt“. Zum Finale noch ein Wunsch: Gemeinsam mit der „Blaulichtbruderschaft“ will er eine breite Ächtung der Smartphone-Nutzung bei der Verkehrsteilnahme anstoßen und damit Unfallgefahren reduzieren.
Info: Dieter Schäfer: „Der Verkehrspolizist. Heiter bis wolkige Episoden aus der Kurpfalz“. Verlag Waldkirch, 22 Euro. Erhältlich auch in den RNZ-Geschäftsstellen.