Weinheim: Das sagen die Fraktionen zum Haushalt 2020
Weinheim. (web) Fast alle Fraktionen tragen den Minus-Haushalt 2020 mit. Was die Fraktionen sagen dazu sagen im Überblick:
GAL kann mit Geschossen leben
Ein gutes Miteinander, ein lebenswertes Klima, ein schonender Umgang mit den Finanzmitteln der Stadt: Elisabeth Kramer (GAL) blickte als Chefin der inzwischen größten Weinheimer Ratsfraktion in die Zukunft. Was lag da näher, als eine verstärkte Einbeziehung des Jugendgemeinderats zu fordern?
Dieser habe sich klar für eine verbesserte Klimaschutzpolitik positioniert, der Gemeinderat sei mit dem am Mittwoch beschlossenem Maßnahmenpaket immerhin zu einem Minimum gekommen (weiterer Bericht folgt). Später fiel ein bemerkenswert selbstkritischer Satz: Um das wertvolle Gut Boden zu schützen, müssten die Grünen lernen, beim Wohnungsbau "mit mehreren Stockwerken umzugehen".
Kramer forderte zudem Radwegkonzepte, eine städtische Wohnbau-Gesellschaft und mehr Werbung für Linienbus-Verbindungen. Dass die Mehrheit keine Gleichstellungsbeauftragte wollte, bedauerte sie.
Harings letzte Haushaltsrede
1994 war er in den Gemeinderat eingezogen, 2005 hatte er den CDU-Fraktionsvorsitz von Claus Plücken übernommen: Holger Haring hat eine Ära geprägt und zusammen mit Alt-OB Heiner Bernhard und den beiden Ex-Fraktionschefs von SPD und Freien Wählern, Wolfgang Metzeltin und Gerhard Mackert, wegweisende Beschlüsse initiiert. Nun hat der letzte der "großen Vier" Abschied genommen.
In seiner letzten Haushaltsrede ging Haring gewohnt ausführlich auf die Zahlen des Etats ein. Ebenfalls nicht ganz neu war, dass der inzwischen 75-Jährige die Gelegenheit nutzte, um den konservativen Markenkern seiner Partei zu unterstreichen. Was gesagt werden darf und was nicht, hätten die Gesetzgeber zu entscheiden, keine selbst ernannten Meinungsführer. Es müsse möglich bleiben, die junge Ökobewegung zu kritisieren, ohne als "Klimaleugner" verteufelt zu werden.
Denn wer auf das Auto angewiesen ist, müsse weiter vorankommen, so Haring. Mache die Politik Pendlern das Leben schwer, verliere Klimaschutz an Akzeptanz. Die Alten seien langsamer als die Jungen: "Aber sie kennen die Abkürzungen."
SPD: gutes Wohnen, gutes Miteinander
Wenn in den Allmendäckern und im Gebiet "Westliche Hauptbahnhof" Wohnquartiere entstehen, seien die Bauträger dazu verpflichtet, zu jeweils 20 Prozent sozial orientierten Wohnraum anzubieten, erinnerte Stella Kirgiane-Efremidou (SPD) an einen gewaltigen Klimmzug: Schließlich muss die Stadt beim Verkauf dieser Grundstücke auf einen Teil ihrer Erlöse verzichten. Aber es reicht immer noch nicht: "Fast 600 Menschen warten in Weinheim auf eine bezahlbare Wohnung." Daher forderte auch die SPD die Verwaltung und die übrigen Fraktionen auf, eine kommunale Wohnbau-Gesellschaft auf die Beine zu stellen.
Kirgiane-Efremidou forderte zudem dazu auf, Weinheims Integrationskonzept mit Leben zu füllen und Bewohnern von Orten wie Oberflockenbach klare Zukunftsperspektiven für ihre Stadtteile aufzuzeigen. Auch sie bedauerte, dass es keine Gleichstellungsbeauftragte gibt.
Linke stellt soziale Frage
Hatte GAL-Fraktionschefin Kramer mit dem Schlagwort "Zukunft" gearbeitet, ging Carsten Labudda der "sozialen Frage" nach. Diese stellt sich auch für ihn beim Thema Wohnraum, wobei er sich wünscht, dass die Stadt künftig wieder verstärkt als Vermieterin auftritt und ihre Wohnungen kräftig saniert: Es könne nicht angehen, dass die Stadt jahrelang mehr Mieten kassiert als Sanierungsgelder ausgegeben hat.
Neben einem lebendigen Integrationskonzept forderte er die Einführung eines Familienpasses für Bedürftige. Die Stadt müsse weiter alle möglichen Anstrengungen unternehmen, um eine ausreichende Zahl an Kita-Plätzen zur Verfügung zu stellen. Sie dürfe das frei werdende Bildungs-Areal der heutigen Bach-Förderschule nicht veräußern. Labudda forderte zudem, die Arbeitsverträge der Grundschulbetreuer zu entfristen. Und eine Gleichstellungsbeauftragte anzustellen.
FDP möchte in den Ortsteilen bauen
Ganz oben steht für FDP-Fraktionschef Wolfgang Wetzel das Thema Stadtentwicklung, auch im Hinblick auf Wohnbauflächen für günstiges Bauen. Diese sieht der Liberale indes vor allem in den Ortsteilen, deren Infrastruktur dringend aufgewertet werden müsse, gerade im Odenwald. Darüber hinaus müssten lärmbelastete Quartiere verbessert werden. Der Radverkehr müsse besser und vor allem sicherer gestaltet werden, Ampelschaltungen müssten reibungslos funktionieren – und zwar ohne Leerlauf und überlange Wartezeiten.
Wetzel mahnte außerdem den Erhalt der Weinheimer Jugendherberge an. Wie andere Fraktionsredner auch, forderte er dazu auf, die Parkplatzprobleme am Freizeitbad Miramar im Sinne möglichst vieler Beteiligter, vor allem aber der Anwohner zu lösen. Den Haushalt lehnte er jedoch wegen zu geringer Sparbemühungen ab.
Freie Wähler wollen Zivilisation retten
Die Freien Wähler hatten bereits in der vorletzten Etatrunde eine Mehrheit für eine neue und volle Stelle im Tiefbauamt erkämpft. Darauf blickte Fraktionschef Günter Bäro mit Stolz zurück. Der Untergang großer Zivilisationen habe stets mit dem Verfall der Infrastruktur begonnen, blickte er ganz weit zurück. Weinheim müsse einen Berg an Aufgaben bewältigen, der sich bei der Entwicklung von Bau- und Gewerbegebieten sowie bei notwendigen Sanierungsarbeiten aufgetürmt habe. Der Spagat zwischen verantwortungsbewusster Haushaltsführung und der intensiven Erneuerung der Infrastruktur müsse gelingen. In diesem Zusammenhang nannte er sieben Haupt- und neun Unterthemen, die er sich in der Zukunftswerkstatt von OB Just vorstellen könnte.
Die Unechte Teilortswahl will er dagegen erst abschaffen, wenn das Miteinander von Ortsteilen und Kernstadt ausreichend ausgeprägt ist.
Deckert lehnt Haushalt ab
Erneut machte Günter Deckert am Mittwoch den Versuch, die Redezeiten der Fraktionssprecher per Geschäftsordnungs-Antrag vorzudefinieren. Wieder war er der Einzige, der dem Antrag zustimmte, alle anderen stimmten mit Nein. In seiner eigenen Haushaltsrede ging er nicht weiter auf die Etatzahlen ein, da diese als bekannt vorauszusetzen seien.
Stattdessen verknüpfte der Vertreter der Deutschen Liste, die als NPD-nah gilt, die Themen Stadtentwicklung und Zuwanderung. Wo ein großer Zuzug von Menschen stattfinde, steige die Beanspruchung von Flächen. Dies sei jedem klar, nur den Vertretern von Grünen, SPD und Linken nicht, so der 80-Jährige sinngemäß. Wie gewohnt bediente er sich einer zum Teil aggressiven, zum Teil provokanten Wortwahl. Man kann Deckerts Ansprache wohl als Versuch deuten, die ernsthaften Anliegen von Bodenschützern für nationalistische Zwecke zu instrumentalisieren.