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Февраль
2020

Bolivien | Satan, weiche

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Vor der Präsidentenwahl Anfang Mai wird die religiöse Rechte immer stärker

Nicht wenige Bolivianer halten den erzwungenen Rücktritt des linken Präsidenten Evo Morales für einen rassistischen Coup der Rechten. Andere reden von der Revolte gegen einen Staatschef, der zu lange geblieben ist.

Luis Aruquipa Carlo, ein geistlicher Hardliner aus La Paz, sieht das anders. „Die Ehre gebührt Gott“, insistiert der evangelikale Führer, der dem Nationalen Christlichen Rat vorsteht, dem Konvent konservativer bolivianischer Kirchen. Für Aruquipa hat Morales vor seiner Flucht nach Mexiko die göttliche Weisung erhalten: „Pharao, lass Bolivien in Frieden!“ Genauso, wie er Israel vom ägyptischen Pharao erlöst habe, so Aruquipa, „befreite Gott Bolivien vom Pharao Evo. Dessen Ära ist zu Ende. Und das Zeitalter Christi ist im Kommen.“

Aruquipa war im November eine treibende Kraft beim Sturz von Morales, indem er die Mitglieder seiner Gemeinde aufrief, zu Gebet und Protest in Massen auf die Straßen zu gehen. Seine zutiefst reaktionäre Weltsicht erlaubt einen Eindruck von der möglichen Zukunft des südamerikanischen Landes, das auf Neuwahlen am 3. Mai zusteuert, bei denen Boliviens schnell wachsende religiöse Rechte hofft, einen ihrer Unterstützer an die Macht zu bringen. „Unter Morales waren wir dabei, uns zu einer rückständigen Nation zu entwickeln – die Leute wollten Abtreibung legalisieren, homosexuelle Ehen legalisieren, sogar Satansanhänger gutheißen!“, beklagte Aruquipa, auf dessen Visitenkarte ein ungeborener Fötus zusammen mit dem Slogan abgebildet ist: „Du sollst nicht töten. Abtreibung ist Mord!“

Bibel unterm Arm

Auch Irene Squillaci, eine Pastorin aus Boliviens Wirtschaftsmetropole Santa Cruz de la Sierra, glaubt an „übernatürlichen“ Beistand für Morales’ Sturz. „Ich sehe es als Kampf zwischen Gut und Böse“, erklärt Squillaci den Konflikt zwischen den Feinden und Anhängern von Evo Morales. Sie hoffe, Bolivien werde „einen Verbündeten der Werte, an die wir glauben“ wählen. Das könnte Luis Fernando Camacho sein, fügt sie hinzu. Gemeint ist ein ultrakonservativer katholischer Aktivist, der nach dem Sturz von Morales am 10. November mit einer Bibel unter dem Arm in den Präsidentenpalast gestürmt war, um zu feiern. „Gott ist in den Palast zurückgekehrt“, intonierte der ebenfalls aus Santa Cruz stammende Camacho. „Allen, die nicht an diesen Kampf geglaubt haben, sage ich: Gott existiert, und er wird jetzt Bolivien für alle Bolivianer regieren!“

Camacho gehört zu Boliviens katholischer Mehrheit, die 77 Prozent der Bevölkerung ausmacht, nicht zu den 16 Prozent Protestanten im Land. Aber Luis Aruquipa, langjähriger Gegner von Boliviens LGBT-Community, hat angedeutet, dass er Camacho unterstützen wolle – auch der sei ein „Mann des Glaubens“. „Es ist, wie Jesus sagte: ‚Wenn alle schweigen, werden die Steine schreien.‘ Ich glaube, dass er als Stein benutzt wurde, um die Kirche zu erheben“, sagte Aruquipa über Camacho.

Ein scharfer Ruck hin zur religiösen Rechten ist eine Horrorvorstellung für viele indigene Bolivianer, nachdem Morales versucht hatte, ihren Traditionen einen höheren Stellenwert einzuräumen. Sie fürchten eine Bedrohung nicht nur für die indigenen Bräuche und Praktiken, sondern auch für den Status Boliviens als säkularer Staat, wie er in der Verfassung von 2009 festgeschrieben ist. Die bisherige Amtsführung der rechten Interimspräsidentin Jeanine Áñez ist dazu angetan, solche Ängste nach Kräften zu befeuern.

Gewalttätige Rhetorik

„Sie zeigen keinen Respekt vor unseren Traditionen. Weil wir von den Ahnen übernommene und kulturelle Traditionen haben, bedeutet das nicht, dass wir teuflisch sind“, meint der Morales-Anhänger Arison Montes aus El Alto, einer Stadt mit vorwiegend indigenen Einwohnern in der Nähe von La Paz. „Diese Leute kommen mit ihren Bibeln daher wie in der Kolonialzeit, um schamlos zu lügen“, fügt der 27-Jährige hinzu. „Und viele Bolivianer unterwerfen sich dieser Gehirnwäsche, als wüssten sie nicht, was mit ihnen geschieht.“

Edmundo Pacheco, ein spiritueller Anführer des Volkes der Aymara, wirft den „evangelikalen Sekten“ vor, die indigene Weisheit des Landes zerstören zu wollen. Aber das werde nicht gelingen, schwört der 60-Jährige. „Sie behaupten, wir seien des Teufels und wollten Jesus vernichten. Hören Sie zu, ich halte mich an Rituale. Das sind Rituale, die an die Natur gerichtet sind, an die Erde, an die Geister. Ich erwähne den Namen Jesus nicht einmal, weil er mir absolut nichts bedeutet.“ Doch auch unter den Christen Boliviens herrscht Sorge wegen der radikalen Rhetorik, mit der Pastoren hausieren gehen, um Morales mit dem Teufel gleichzusetzen. Bei einer Demonstration in Santa Cruz, an der auch Camacho teilnahm, wurde jüngst ein Banner mit der Aufschrift „Jesus regiert Bolivien“ entrollt. Ein Redner prahlte: Mit Morales’ Abgang seien „alle Dämonen der Hexerei gefangen und in den Abgrund geworfen“.

In La Paz kritisiert Pastorin Sofía Vargas, derart aggressives Reden untergrabe das „evangelikale Erwachen“, das Bolivien ergriffen habe. Es falle dadurch auch schwerer, Menschen zu bekehren. Außerdem bestehe die Gefahr, dass ultrareligiöse Rhetorik Gewalt auslöse. Vargas warnt vor den Konsequenzen, wenn bei Menschen der Eindruck entsteht, es sei wie einst, „als die Spanier kamen, das Kruzifix brachten und die Indigenen versklavten. Und jetzt geschieht das Gleiche, und die Evangelikalen haben den Rücktritt unseres Anwalts Evo Morales betrieben.“ Genau das sei die Botschaft, die bei den Menschen ankommt. „Und die Kirche muss sehr hart daran arbeiten“, so Sofía Vargas, „zu zeigen, dass es nicht so ist.“

Es erscheint keineswegs als sicher, dass Camacho und die Rechte die geplante Präsidentenwahl gewinnen, auch wenn Morales erstmals seit 18 Jahren nicht kandidiert. Viel wird von der Überzeugungskraft eines Luis Arce abhängen, Ex-Wirtschaftsminister und Bewerber der Morales-Partei Movimiento al Socialismo (MAS). Auch davon, ob die Rechte vereint antritt. Ende Januar verkündete Jeanine Áñez, Übergangspräsidentin und evangelikale Christin, sie werde sich vermutlich zur Wahl stellen. Zwar überschneiden sich die Ziele der evangelikalen und der katholischen Kirchen in Bolivien in bestimmten Fragen, etwa bei der Abtreibung, doch angesichts ihrer Rivalität beim Kampf um Anhänger bleibt offen, ob und wie sehr sie kooperieren.

Bei einem Meeting in der Stadt El Alto zeigte sich Pastor Aruquipa jedenfalls demonstrativ optimistisch und sprach von einer neuen Republik „der christlichen und biblischen Werte“. Während ein kohlrabenschwarzer Himmel drohend über den Flaggen schwenkenden Zuhörern hing, bestieg er eine improvisierte Bühne, um ein politisch aufgeladenes Gebet zu sprechen: „Wenn die Gerechten beten, wird Gott antworten“, rief er laut. „Gott braucht euch. Gott braucht uns, um Boliviens Wandel zu garantieren. Amen!“

Tom Phillips ist Lateinamerika-Korrespondent des Guardian

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