Supreme Court vs. Donald Trump: "Frage, was Trump zu verbergen hat, bleibt auf dem Tisch" – so reagiert die Presse auf das Steuerurteil
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Der oberste Gerichtshof der USA hat der New Yorker Staatsanwaltschaft Einsicht in Finanzunterlagen von Donald Trump erlaubt. Dennoch wird Trump wohl erstmal auf Zeit spielen, glauben Kommentatoren internationaler Medien. Die Presseschau.
Der Supreme Court hat ein Urteil gesprochen, dass Donald Trump so gar nicht schmeckt: Der US-Präsident genießt keine absolute Immunität, also darf eine Staatsanwaltschaft grundsätzlich auch seine Steuerunterlagen einsehen. Deutschsprachige und internationale Medien haben unterschiedliche Einschätzungen, was das Urteil für den US-Präsidenten bedeutet.
Presseschau zum Trump-Steuer-Urteil
"Süddeutsche Zeitung" (München): "Trump ist der festen Meinung, dass er als Präsident über dem Recht steht und dass die Verfassung dem Präsidenten zu dienen hat - nicht der Präsident der Verfassung. ... Die Anmaßung Trumps hat das Verfassungsgericht nun neutralisiert. Das ist erfrischend in diesen ideologischen Zeiten. Nun stellt sich die Frage aller Fragen: Beugt sich Trump dem Recht? Die Akten wird er erst nach dem Wahltermin herausrücken müssen. Sollte er abgewählt werden (und kampflos das Weiße Haus räumen) zeichnet sich ein hässliches juristisches Nachspiel seiner Präsidentschaft ab. Sollte er noch eine zweite Amtszeit erhalten, heißt der Albtraum: Gehen Sie zurück auf Los. 'Ich habe einen Artikel II ...'" (Im Juni sagte Trump: ""Ich habe einen Artikel II, wo ich das Recht habe, als Präsident zu tun, was auch immer ich will."; d. Red.)
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"New York Times": "Trump hat gewonnen, weil wir mit ziemlicher Sicherheit nicht so bald Einsicht in seine Finanzunterlagen erhalten werden ... Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die eingeforderten Unterlagen vor der Wahl im November veröffentlicht werden. Und das ist es, was Trump am meisten am Herzen liegt."
"Washington Post": "Es ist wahrscheinlich, dass die Frage (ob Trump Steuerunterlagen veröffentlichen muss, d. Red.) nicht vor der Auflösung des laufenden Kongresses im Januar nächsten Jahres gelöst sein wird – zu diesem Zeitpunkt laufen aktuelle Vorladungen aus, sofern sie nicht erneuert werden. Mit anderen Worten, trotz seines getwitterten Frusts wird Trump den politischen Kampf gegen den Kongress wahrscheinlich gewonnen haben, indem er dafür gesorgt hat, dass seine Unterlagen nicht vor den Präsidentschaftswahlen im November in die Hände der Demokraten im Kongress fallen."
"Neue Zürcher Zeitung": "Mit der Rückweisung an die Vorinstanz entzieht sich das Oberste Gericht geschickt einem Entscheid, der es vier Monate vor der Wahl unweigerlich in die politische Schlammschlacht gerissen hätte. Die Folge ist, dass Trumps Steuerunterlagen vor der Wahl nicht mehr öffentlich werden. Für den Präsidenten ist das ein Sieg. Doch es bleibt den Wählern, seine Verweigerungshaltung an der Urne politisch zu beurteilen. Noch viel eindeutiger haben die Richter allerdings Trumps Sicht einer absoluten Macht zurückgewiesen, über die zu verfügen er bei jeder Gelegenheit behauptet. Diese Klarstellung war wichtig – für diesen Präsidenten im Besonderen, aber auch für alle künftigen."
"De Standaard" (Brüssel): "Für Trump wird es in strafrechtlicher Hinsicht eng, jedenfalls längerfristig gesehen. Das erklärt vielleicht, warum er kurz nach dem Urteil einen wütenden Tweet nach dem anderen abfeuerte. Trump fühlt sich 'ungerecht behandelt' und spricht von einer 'politischen Hexenjagd'. Gleichzeitig entging er einem noch viel ärgeren Schicksal: dass nämlich seine politischen Gegner wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl über seine Finanzunterlagen verfügen können, die er nun schon seit 2015 mit allen Mitteln geheim hält. Doch mit dem Aufschub bis nach den Wahlen hat Trump die Frage nach seiner Steuererklärung natürlich nicht völlig entschärft. (...) Joe Biden und andere Demokraten werden in den kommenden Monaten zweifellos weiter darauf herumreiten. Die Frage, was Trump wohl zu verbergen hat, bleibt auf dem Tisch."
"Tages-Anzeiger" (Zürich): "Für den narzisstisch veranlagten Trump ist dieser Entscheid eine Lektion in Staatskunde. Denn nun ist offensichtlich, dass auch der Präsident nicht über dem Gesetz steht, seine Immunität ist nicht absolut. Entschieden hat dies nicht irgendein linker Trump-Gegner, sondern das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten, das von konservativen Juristen dominiert wird, unter anderem von zwei Richtern, die Trump selbst ausgewählt hat. Die Checks and Balances, die gegenseitigen Kontrollen der amerikanischen Institutionen, funktionieren also, obwohl Trump regelmäßig versucht, sie auszuhebeln."