Heidelberg: Theater beendet die Corona-Pause mit Oscar Wilde
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Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Endlich, es wird wieder gespielt im Heidelberger Theater! Sechs Monate war das Haus wegen der Corona-Pandemie geschlossenen, aber nun startet die Truppe mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept in die neue Saison. Trübsal blasen ist nicht angesichts der anhaltenden Krise. Stattdessen wird inszenatorisches Kicherwasser aufgetischt. Just in diesen Stoff hat Christian Brey, der Regisseur des Abends, den literarischen Muskateller Oscar Wildes verwandelt. Dessen Dreiakter "Ernst ist das Leben", auch unter dem Titel "Bunbury" bekannt, prickelt nur so ob seines feinfruchtigen Aromas, weil in dieser Verwechselungs-, Lug- und Trug-Komödie aus dem Jahr 1895 ein Bonmot auf das andere folgt.
Zwei turteltuntige Dandys denken sich Scheinexistenzen für dieses oder jenes Alibi aus, um entweder in der Stadt oder auf dem Land gehörig über die Stränge schlagen zu können. Das führt zu Verwechslungen, Liebesverwirrungen, tanten- und tuntenhaften Achs und Huchs, bis jedes Töpfchen das richtige Deckelchen findet und Pastor Chasuble drei Paare miteinander trauen kann. Er selbst geht auch noch ein Ehebündnis ein und begibt sich freiwillig unter die Fuchtel von Miss Prism. Friede, Freude, Eierkuchen am Ende eines rund 90-minütigen Comics.
Sonnenschirme und Liegestühle verleiten die acht Akteure zu allerlei Slapsticknummern auf der Drehbühne des Marguerre-Saals, in dem die Besucher mit großem Abstand voneinander sitzen. Auch auf der Bühne gilt das Abstandsgebot, das stört aber nicht weiter, weil alle in Bewegung sind.
Christian Brey hat sich eine Fassung von Elfriede Jelinek (nach der Übersetzung von Karl Rausch) ausgesucht, um die Zuschauer mit dem irisch-britischen Humor Oscar Wildes versorgen zu können. Dass der Regisseur ein Händchen fürs Turbulente und Durchgeknallte hat, konnte er schon mehrfach im Heidelberger Theater beweisen. Sein Ensemble folgt ihm gerne, wenn über die Maßen grimassiert, gefuchtelt und getänzelt wird. Oder wenn mit unernstem Ernst so gekonnt von der Rampe herabgeglotzt wird, als wäre Buster Keaton wieder auferstanden.
Das akademisch gebildete Publikum der Universitätsstadt Heidelberg hätte sich hier und da zwar mehr Tiefgang gewünscht, andererseits weiß man ja, dass der Autor in seinem meistgespielten Stück ganz bewusst mit trivialen Mustern gespielt hat. Und genau auf die lassen sich Andreas Uhse und Raphael Gehrmann in den beiden männlichen Hauptrollen mit Schmackes ein. Benedict Fellmer schiebt in seiner doppelten Diener-Doppelrolle den Teewagen quietschvergnügt über die Bühne – Achtung: Running Gag! –, während Lisa Förster und Sophie Melbinger zugleich liebestoll und liebesverwirrt auftrumpfen können. Christina Rubruck stichelt als Tante Augusta in einem fort, was ganz wunderbar mit ihrem wespengelben Kostüm der Bühnen- und Kostümbildnerin Anette Hachmann korrespondiert. Bleiben noch Nicole Averkamp als Miss Prism und Steffen Gangloff Pastor Chasuble. Beide sind eigentlich Titelrollenspieler, was sie dazu befähigt, auch aus diesen Nebenrollen viel herauszuholen. Gut, dass im Heidelberger Theater so viele Profis engagiert sind. Man merkt ihnen an, dass sie voller Ernst unernst sein können.