Apple TV+: Wie Tim Cook eine Serie über das Klatschportal Gawker stoppte
Wie der familienfreundliche Mediengigant Disney ist auch Apple seit jeher auf sein Saubermann-Image bedacht. Das Credo setzt sich beim Streaming-Dienst Apple TV+ fort: Wie die "New York Times" berichtet, hat CEO Tim Cook persönlich eine geplante Serie über das Klatschportal Gawker abgeschossen
Der Aufstieg und Fall von Gawker ist legendär – und fraglos hollywoodreif. 2016 wurde das viel diskutierte Klatschportal eingestellt. „Leider werden weder Gawker.com noch ich Teil des nächsten Schritts sein. Wir haben nicht einen einzigen Investor oder Medienunternehmen gefunden, das Gawker.com weiterbetreiben möchte“, schrieb Gründer Nick Denton bitter an seine Mitarbeiter.
Vorausgegangen war ein spektakulärer Rechtsstreit mit dem US-Wrestler Hulk Hogan wegen der Veröffentlichung eines privaten Sex-Videos, der mit einer Schmerzensgeldzahlung von 140 Millionen Dollar endete. Der Prozess gegen Gawker hatte nachträglich an Brisanz gewonnen, nachdem bekannt wurde, dass Internetmilliardär Peter Thiel den Wrestler mit 10 Millionen Dollar unterstützt hatte.
Aufstieg und Fall von Gawker sollte in Serie „Scraper“ verfilmt werden
Für Denton war es ein Rachefeldzug, weil Gawker den ersten Facebook-Investor, der inzwischen mehrfacher Milliardär ist, 2007 als homosexuell geoutet hat. „Du hast Dich professionell, eiskalt und anonym gerächt“, schrieb Denton seinerzeit an Thiel in einem offenen Brief, der natürlich auf Gawker veröffentlicht wurde.
Was nach einer der spektakulärsten Geschichten der Medien- und Internetwirtschaft der letzten Dekade klingt, die nach einer Verfilmung im Stil von „The Social Network“ schreit, sollte tatsächlich seine Hollywood-Adaption bekommen. Wie die „New York Times“ berichtet, war bei Apple eine Serie namens „Scraper“, die sich mit dem Aufstieg und Fall des Klatschportals beschäftigt, im frühen Produktionsstadium. Apple hatte für den Entwurf des Drehbuchs bereits vier ehemalige Gawker-Redakteure für das Drehbuch beschäftigt.
Tim Cook „killt“ Gawker-Serie
Dann bekam Tim Cook Wind von der Sache. Wie die NYT berichtet, soll dem Apple-CEO die Idee einer Serie über Gawker missfallen – und das aus durchaus persönlichen Gründen. Die Tochterpublikation von Gawker, Valleywag, die sich dem Gossip aus der Tech- und Medienbranche verschrieben hat, outete den damaligen Apple-COO 2008 als homosexuell.
Legendär ist zudem die Auseinandersetzung zwischen Apple-Gründer Steve Jobs und Nick Denton, nachdem die ebenfalls zum Gawker-Imperium gehörende Tech-Seite Gizmodo 2010 für den verlorenen Prototyp des iPhone 4 erst 5000 Dollar bezahlt hatte und ihn dann weit vor dem tatsächlichen Launch leakte.
Kara Swisher: „Lässt Tim Cook kleinlich und empfindlich aussehen“
Die Folge nach so viel negativem Vorbehalt in Cupertino gegenüber Gawker: Tim Cook stoppte das Projekt nach einem Bericht des „New York Times“-Reporters Ben Smith persönlich. „Man glaubt immer nicht, dass solche mächtigen Leute, so (in der Tiefe – Anmerkung der Redaktion) ihr Unternehmen führen, aber das tun sie“, erklärt die gut vernetzte New York Times-Kolumnistin Kara Swisher gegenüber dem Finanzinformationsdienst CNBC.
Die Gründerin des Techportals re/code merkt allerdings an, dass sich Tim Cook mit dem redaktionellen Eingriff bei Apple TV+ keinen Gefallen tut. „Es lässt Apple in keinem guten Licht erscheinen. Es lässt Tim Cook kleinlich und empfindlich aussehen“, resümiert Swisher. „Aber Tim Cook kann tun und lassen, was er will. Es ist seine Plattform.“
Apples notorisches Saubermann-Image schränkt Content-Produktion ein
Apples notorisches Bemühen um eine blütenweiße Weste hat in der Vergangenheit bereits das ein oder andere Mal für bizarre inhaltliche Restriktionen gesorgt. Kurz nach dem Launch des iPads etwa zensierte Apple im iBooks Store Herman Melvilles Klassiker der Weltliteratur „Moby Dick“. Aus dem „sperm whale“ (englisch für Pottwal) wurde ein „s***m whale“. Der Grund: Das Wort „Sperm“ bedeutet im Englischen Sperma – und wurde deshalb von Apple verfremdet.
Die Kuriosität ist kein Einzelfall. Seit den Tagen von Steve Jobs achtet Apple pingelig genau auf sein Saubermann-Image. Auch und gerade bei Bewegtbild-Inhalten greift die Firmenphilosophie, wie die „New York Times“ berichtet. So wurde etwa eine Biopic-Serie „Vital Signs“ über Rapper Dr. Dre, der nach der Übernahme von Beats bei Apple angestellt war, angekündigt, aber nie ausgestrahlt. Auf Betreiben von Tim Cook und Content-Chef Eddy Cue verschwand die fertige Produktion wieder im Giftschrank. Der Grund: Zu viele Gewaltszenen und nackte Haut.
Zäher und glanzloser Start von Apple TV+
Für Apple könnte die Einmischung in Serienproduktionen nach Konzerninteressen irgendwann jedoch zum Bumerang werden. So berichtet die NYT etwa, dass neben dem Anspruch auf familienfreundliche Inhalte auf Apple TV+ ebenso wenig kritische Inhalte über den wichtigen Absatzmarkt China zu sehen sein sollen wie beschädigte iPhones.
Rund ein Jahr nach dem Start ist der mit vielen Ambitionen und einem Content-Budget von über sechs Milliarden Dollar ausgestattete Streaming-Dienst Apple TV+ bislang indes blass geblieben. Bis auf „The Morning Show“, eine Serie über das Frühstücksfernsehen mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon, hat Apple TV+ bislang wenige nennenswerte Original Content-Höhepunkte hervorgebracht, während sich das zeitgleich gelaunchte Konkurrenzangebot von Disney+ enormer Beliebtheit erfreut.