Lockdown-Folgen: "Befürchten Verödungsprozess"
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Von Mittwoch an müssen die Geschäfte geschlossen bleiben. Die Einzelhändler in Baden-Württemberg hoffen auf Ausnahmen vom Corona-Shutdown und wollen zumindest im Internet bestellte Waren an die Kunden herausgeben dürfen. Die Landesregierung hält davon allerdings nichts. "Abholmöglichkeiten jenseits der Gastronomie wären kontraproduktiv", sagte ein Regierungssprecher. "Dann stehen die Leute wieder in den Straßen vor den Läden." Derweil sei die Stimmung unter den Händlern "furchtbar verzweifelt", heißt es beim Handelsverband. Die Innenstädte und der stationäre Einzelhandel würden von den Maßnahmen besonders getroffen, erklärt auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, im Interview mit unserer Berliner Redaktion.
Herr Landsberg, Bund und Länder haben sich auf einen harten Lockdown verständigt. Ist das der richtige Weg, um die Pandemie zu bekämpfen?
Der harte Lockdown ist für die Menschen und die Wirtschaft schwer, aber leider unvermeidbar. Die Infektionszahlen sind einfach zu hoch, von den 412 Gesundheitsamtsbezirken halten zur Zeit nur noch 13 den entscheidenden Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro Woche auf 100.000 Einwohner ein. Die Krankenhäuser sind an ihrer Belastungsgrenze, die Pandemie läuft aus dem Ruder. Die Einschränkungen sind deshalb dringend erforderlich.
Für den Einzelhandel in den Städten ist die erneute Schließung ein harter Schlag. Welche Hilfen erwarten Sie?
Unsere Innenstädte, Ortskerne und der stationäre Einzelhandel werden besonders hart getroffen. Gerade das Weihnachtsgeschäft ist für viele entscheidend. Die Behauptung gegenüber dem Online-Handel, der 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche geöffnet hat, wird für die Geschäfte immer schwieriger. Notwendig ist ein langfristiges Hilfsprogramm, nicht nur im Hinblick auf die Umsatzeinbußen der stationären Geschäfte, sondern auch zum Umbau der Innenstädte. Mehr Kultur, mehr Handwerk, mehr Erlebnisräume, mehr Grün, aber auch mehr Wohnen sollten die Zielmarken sein.
Mancher Betrieb kämpft jetzt schon um seine Existenz. Droht jetzt eine weitere Verödung der Innenstädte?
Wir müssen befürchten, dass der Verödungsprozess unserer Innenstädte sich fortsetzt, weil viele Geschäfte die Krise nicht überleben werden. Der Handelsverband Deutschland hat vor einiger Zeit die Befürchtung geäußert, dass über 50.000 Geschäfte dauerhaft schließen müssen. Das ist eine ernsthafte Gefahr für lebenswerte Städte und Gemeinden, denn diese Bereiche sind für die Bürgerinnen und Bürger wichtig. Sie sind sozusagen die Visitenkarte einer Kommune.
Der Ruf nach einer Optimierung der Corona-App und einer Lockerung des Datenschutzes wird lauter. Muss es in einer solchen Extremsituation jetzt Ausnahmen geben?
Die Corona Warn-App muss endlich optimiert werden. Es würde die Nachverfolgung von Kontakten und damit auch die Arbeit der ohnehin überlasteten Gesundheitsämter erleichtern, wenn dem Nutzer angezeigt würde, wann und wo ein Risikokontakt erfolgt ist. Diese Erweiterung ist technisch machbar und aus unserer Sicht datenschutzrechtlich unproblematisch, da die Entscheidung über die Datenweitergabe beim Nutzer liegt. Nach einer Umfrage im Auftrag unseres Verbandes durch forsa haben über 75 Prozent der Menschen, die sich die Corona-App heruntergeladen haben, gerade diese Funktion befürwortet. Hier sollte die Politik jetzt handeln und könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten.