Hepatitis-D: Mega-Deal für ein Medikament "Made in Heidelberg"
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Von Klaus Welzel
Heidelberg. Irgendwie kann Stephan Urban sein Glück kaum fassen. Sein großes Glück, hinter dem viel Arbeit steckt. Vor 25 Jahren erforschte der Heidelberger Virologe an der Pekingente, wie das Hepatitis-B-Virus an der Leber andockt – herausgekommen ist in diesem Sommer ein in Europa zugelassenes Medikament, mit dem erstmals Hepatitis-D-Patienten therapiert werden. Eine tödliche Krankheit kann endlich besiegt werden.
Die vorläufige Krönung von Urbans Arbeit folgte jedoch Ende letzter Woche. Da kaufte der US-Konzern Gilead die deutsche Firma Myr GmbH, die Urbans Forschungsarbeit marktreif gemacht hatte. Kaufpreis: rund 1,4 Milliarden Euro.
Die RNZ erreicht den Forscher am Montag am Telefon. Er wirkt überglücklich. Nicht, weil von dem Kaufpreis auch ein ordentlicher Batzen der Medizinischen Fakultät der Uniklinik Heidelberg sowie den beteiligten Forschern zugutekommt. Nicht, weil mittels Lizenzgebühren die Heidelberger auch künftig vom Verkauf des Medikaments profitieren werden. Sondern weil der Vorgang an sich einzigartig ist: "Hier wurde aus akademischer Forschung heraus ein Medikament entwickelt, das sich mit Gilead in den besten Händen befindet."
Hintergrund: Das US-Unternehmen macht Geschäfte in über 130 Ländern. Es hat also die nötige "Power", um ein Medikament zu vermarkten, das auf dem deutschen Markt 160.000 Euro pro Jahr kostet und das in asiatischen, afrikanischen oder lateinamerikanischen Ländern deutlich billiger werden muss – zumal eine Therapie mit zwei bis drei Jahren veranschlagt wird.
Der Virusblocker "Hepcludex" (so der Handelsname) lässt alleine in Deutschland geschätzt 6000 Patienten hoffen. Ihnen blieb bisher in aller Regel nur eine Lebertransplantation, weil Hepatitis D bei 70 bis 90 Prozent der Betroffenen binnen fünf bis zehn Jahren zur tödlichen Leberzirrhose führt. In der Phase-II-Studie kam heraus, dass ungefähr ein Drittel der Patienten durch die Einnahme von "Hepcludex" als geheilt bezeichnet werden kann. Die Phase-III-Studie, die die Langzeitwirkung erfasst, läuft.
Hepatitis D, die mit Hepatitis B einhergeht, ist eine Krankheit, von der in Europa und den USA 270.000 Menschen betroffen sind, weltweit 25 Millionen; besonders betroffen sind Länder wie die Mongolei, Brasilien oder Russland, wo Urbans Forschung seit 2019 unter dem Namen "Myrcludex" eingesetzt wird.
Der hohe Kaufpreis, der für die kleine Myr GmbH aus Bad Homburg erzielt wurde, ergibt sich zum einen aus dem zu erwartenden Erlös, sollte die Behandlung weltweit anschlagen (es gibt acht Untertypen von Hepatitis D). Zum anderen wirkt das Medikament auch bei Hepatitis B. Das wiederum ist interessant für Gilead, das bereits Marktführer bei der Hepatitis-C-Therapie ist. Zunächst werden 1,15 Milliarden Euro überwiesen, erfolgt die Zulassung von "Hepcludex" auch durch die amerikanische FDA (wovon auszugehen ist), fließen weitere 300 Millionen Euro.
Stephan Urban hat ein Vierteljahrhundert Arbeitszeit in seine Entdeckung gesteckt. Anfangs gemeinsam mit der französischen Forschungseinrichtung Inserm, später mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung. "Letztlich präsentieren wir eine Forschung, die vom Reagenzglas bis zum fertigen Medikament made in Heidelberg ist", freut sich Urban.
Heidelbergerisch ist übrigens auch die Ausgründung: Hier half die Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTH), die 2012 das ursprünglich französische Patent an die Myr Pharmaceuticals GmbH vermakelte, eines von 25 TTH-Projekten. Erstaunlich in diesem Zusammenhang, dass Unirektor Bernhard Eitel den Vertrag mit der TTH im Mai 2019 gekündigt hat. Die TTH profitiert jetzt auch von den Lizenzgebühren.